Homosexualität in Jamaika

Homosexualität in Jamaika
Geografische Lage von Jamaika

Homosexualität in Jamaika unterliegt weitgehend gesellschaftlicher Ächtung und homosexuelle Handlungen sind illegal.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage

In Jamaika ist der sexuelle Akt zwischen Männern gesetzlich verboten. Frauen betrifft dieses Gesetz de facto nicht, es wird in keiner Stelle des Gesetzes Bezug darauf genommen. Sex zwischen zwei Männern wird mit bis zu 10 Jahren Haft bestraft.

Das Gesetz Offences Against the Person Act[1] stellt im Artikel 76 das „verabscheuungswürdige Verbrechen des Analverkehrs“ mit Menschen oder Tieren unter Gefängnisstrafe mit Zwangsarbeit von bis zu zehn Jahren.

Dazu stellt Artikel 77 auch das „Fehlverhalten“ von jeglichem Vorhaben oder einen Versuch, das besagte zu tun, mit bis zu sieben Jahren unter Gefängnisstrafe.

Artikel 79 stellt die Beihilfe oder die Veranlassung zu solchen „groben Sittlichkeitsvergehen“ zwischen Männern mit bis zu zwei Jahren Haft unter Strafe, die durch Zwangsarbeit ergänzt werden kann.

„Grobes Sittlichkeitsvergehen“ wird nicht weiter im Gesetzestext definiert. Der Artikel wurde aber schon verwendet, um jeglichen männlichen Sexualkontakt im Privaten miteinzubeziehen und sogar Händchenhalten zwischen Männern zu bestrafen.

Hohe Persönlichkeiten werfen internationalen Organisationen stets vor, sich in innenpolitische Angelegenheiten einzumischen. Sie verteidigen die Anti-Homosexualitäts-Gesetze als Aufrechterhalter christlicher Werte. Es wird unter anderem argumentiert, dass auch Verbrechen im Privaten nicht toleriert werden sollten, ob nun jemand Kokain konsumiere oder schwulen Sex habe.

Staatlicherseits werden gleichgeschlechtliche Paare nicht anerkannt. Eine eingetragene Partnerschaft oder gleichgeschlechtliche Ehe existiert nicht.

Gesellschaftliche Situation

Eine Umfrage zur sexuellen Identität und Menschenrechten auf dem amerikanischen Kontinent vom Dezember 2003 sagt aus:

„Im karibischem Raum ist Jamaika der gefährlichste Ort für sexuelle Minderheiten. Dies ist begründet durch häufig schwerwiegende Angriffe gegen Schwule, die durch eine Popkultur von Reggae- und Dancehallsängern geschürt wird, da diese in ihren Liedtexten zum Verbrennen und Töten von Schwulen auffordern.
Drakonische Gesetze gegen sexuelle Aktivitäten zwischen Gleichgeschlechtlichen gelten nicht nur weiterhin in Jamaika, sondern auch fast im gesamten englischsprachigen Karibikraum.“

Andrew Reding: Sexual Orientation and Human Rights in the Americas[2]

Laut Amnesty International

„ist die Schwulen- und Lesben-Community extremen Vorurteilen ausgesetzt… Schwule in Jamaika – oder Personen, die als schwul beschuldigt werden – sind regelmäßig Opfer von grober Misshandlung und Belästigungen seitens der Polizei, in seltenen Fällen kommt es sogar zur Folterung.“

Amnesty International: Jamaica: Killings and violence by police: How many more victims?[3]

Politische Parteien

Die sozialdemokratische People’s National Party bewertet internationale Kritik an der Menschenrechtslage als Einmischung und behauptet entweder, dass Homophobie kein Problem im Lande sei, oder dass eine Schwulenrechtsbewegung die konservativen und sozialen Werte des jamaikanischen Volkes verletzen würde.

Die regierende konservative Jamaica Labour Party (JLP) sieht auch keinen Handlungsbedarf, um die Situation von Lesben und Schwulen zu verbessern, obwohl im Jahr 2004 der Alt-Justizminister Oswald Harding äußerte, dass Jamaika dem Vorbild Großbritanniens folgen sollte, und Homosexualität und Prostitution zwischen Erwachsenen, zunächst nur im Privaten, entkriminalisieren sollte. Beim Wahlkampf im Jahre 2001 verwendete die Partei den Song Chi Chi man von T.O.K. als Themensong, welcher die Verbrennung und Ermordung von Schwulen zum Inhalt hat.[4] Ein Parlamentsmitglied der JLP, Ernest Smith, äußerte sich 2009 besorgt, dass Schwule die Polizei des Landes überrannt hätten, und wollte vom Innenminister wissen, warum so viele Schwule eine Lizenz zum Besitz einer Schusswaffe besitzen würden.[5]

Im April 2006 titelte der Sunday Herald auf der ersten Seite „No homos!“[4] unter dem der damalige Oppositionsführer Bruce Golding von der JLP schwor, dass „Homosexuelle keinen Platz in seinem Kabinett“ finden würden. Die Aussage wurde von verschiedenen Pfarrern und einem Gewerkschaftsvorsitzenden unterstützt. Nachdem er die Wahl im Jahr 2007 gewann, warnte er 2008 bei einem Staatsbesuch in London westliche Länder davor, seinem Land ausländische Werte aufzudrängen, was von jamaikanischen Aktivisten heftig kritisiert wurde.[6]

Öffentliche Meinung zu Schwulen, Lesben, Bi-, Pan- und Transsexuellen

2004 veröffentlichte Human Rights Watch einen Bericht über den Status von sexuellen Minderheiten in Jamaika. Darin wurde eine weit verbreitete Homophobie dokumentiert, und es wurde festgestellt, dass der hohe Grad der Intoleranz für die öffentlichen Bemühungen um Gewaltprävention und HIV-Prävention schädlich sei.[7] Der Karibik-Raum hat die höchsten Fallzahlen der Neuinfektionen im amerikanischen Raum, dabei ist jedoch heterosexueller Kontakt der überwiegende Infektionsweg.[8]

Eine Umfrage aus jüngerer Zeit zeigte, dass 96 Prozent der Jamaikaner sich gegen eine Lockerung der Strafgesetze in Bezug auf gleichgeschlechtlichen Verkehr aussprachen.[9] Viele Jamaikaner behaupten, ihre anti-schwule Haltung habe eine religiöse Begründung, da sie Homosexualität als unvereinbar mit ihrem christlichen Glauben erachten.[10]

Darstellung von sexuellen Minderheiten in Musik

OutRage!, eine Menschenrechtsgruppe mit Sitz im Vereinigten Königreich hat, zusammen mit der ebenfalls aus dem Vereinigten Königreich stammenden Stop Murder music Coalition (SMM) und anderen Gruppen, eine internationale Kampagne gegen Homophobie unter Reggae-Sängern gestartet,[11] die ihre schwulenfeindlichen Äußerungen in sogenannten Battyman-Tunes veröffentlichen. In diesem Zusammenhang wurde im Februar 2005 eine Vereinbarung zwischen diesen Organisationen und den Plattenlabels, die Dancehall-Musik vertreiben, getroffen, nach der Live-Auftritte, im Fall, dass anti-schwule Lyrik gesungen wird, unterbrochen werden, und dass keine weiteren antischwulen Liedtexte geschrieben werden sollen, noch werden Lieder, die diese Prinzipien verletzen, erneut aufgelegt. Im Juli 2006 bestand diese Vereinbarung, dem Anschein nach, nicht mehr.[12]

Das kanadische Hohe Kommissariat (Botschaft innerhalb des Commonwealth) in Jamaika verlangt von Musikern, die in Kanada auftreten wollen, eine Entertainer Declaration zu unterschreiben, in der sie bestätigen, Auszüge aus dem kanadischen Strafgesetz, der kanadischen Charta der Rechte und Freiheiten und das kanadische Menschenrechtsgesetz gelesen und vollständig verstanden zu haben, und sich verpflichten, nicht an Hassaktionen gegen Menschen wegen ihrer (…) sexuellen Orientierung teilzunehmen oder solche zu befürworten.[12]

Reggae Compassionate Act

Mehrere Reggae-Stars, darunter Beenie Man, Sizzla und Capleton, unterzeichneten ein Abkommen mit den Initiatoren der Kampagne Stop Murder music. Sie verpflichteten sich darin, in Zukunft schwulenfeindliche Texte in ihren Songs zu unterlassen. Die Vereinbarung erwies sich im Wesentlichen als Fehlschlag, da sich die Künstler nicht an die Vereinbarung hielten.[13]

2008 unterzeichnete Beenie Man nach Angaben des Kesselhaus Berlin zum zweiten Mal eine neuen Reggae Compassionate Act II.[14] Der LSVD würdigte dies als „ersten Schritt“, bemängelte aber das Fehlen von Garantien gegen einen erneuten Bruch der Vereinbarung.[15]

Siehe auch

Weblinks

englischsprachig:

Einzelnachweise

  1. Offenses Against the Person Act, 1864, revised 1969, Articles 76, 77, 79; siehe J-FLAG, Know Your Rights, Onlineversion
  2. Andrew Reding: Sexual Orientation and Human Rights in the Americas, World Policy Institute. Dezember 2003. Onlineversion.
  3. Amnesty International, Jamaica: Killings and violence by police: How many more victims? (London: Amnesty International, April 2001), AI Index: AMR 38/003/2001, 40.
  4. a b Gary Younge: Troubled island, guardian.co.uk, 27. April 2006
  5. The Jamaica Police Watchdog: MP Says Jamaica’s Police Force is Overrun By Gays, 11. Februar 2009
  6. Premierminister: Homosexualität ist nicht jamaikanisch, queer.de, 23. Mai 2008
  7. Human Rights Watch, Hated to Death: Homophobia, Violence, and Jamaica’s HIV/AIDS Epidemic, November 2004. Onlineversion.
  8. avert.org: Caribbean HIV & AIDS Statistics
  9. Reported in Amnesty International media release: Battybwoys affi dead (“Faggots have to die”): Action against Homophobia in Jamaica, 17 May 04.
    Ein weiterer Bericht dazu befindet sich in: The Guardian [London]. 26 June 2004. Gary Younge. Chilling Call to Murder as Music Attacks Gays.
  10. Rex Wockner: Bishops denounce gay sex, International News #400, 24 December 2001
  11. http://www.365gay.com/newscon05/09/092705reggae.htm
  12. a b Sigcino Moyo: Homophobia bad – sexism good. In: NOW magazine. Juni 2005. Onlineversion
  13. Stop Murder Music: Reggae-Stars gegen Schwulenhetze
  14. irieites.de: Beenie Man unterzeichnet Reggae Compassion Act
  15. LSVD: Aktuelle Deutschland-Konzerte von Beenie Man

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