Hjalmar Schacht

Hjalmar Schacht
Hjalmar Schacht (1931)

Horace Greeley Hjalmar Schacht (* 22. Januar 1877 in Tingleff (dänisch: Tinglev), Nordschleswig; † 3. Juni 1970 in München) war ein deutscher Politiker, Bankier, von 1923 bis 1930 und 1933 bis 1939 Reichsbankpräsident und von 1934 bis 1937 Reichswirtschaftsminister.

Schacht gehörte zu den 24 im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof angeklagten Führungspersonen der Zeit des Nationalsozialismus und wurde am 1. Oktober 1946 in allen Anklagepunkten freigesprochen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Der Sohn des deutschen Kaufmanns William Leonhard Ludwig Maximillian Schacht und dessen dänischer Ehefrau, Baronin Constanze Justine Sophie von Eggersund, erhielt seine ersten beiden Vornamen zu Ehren des amerikanischen Politikers und Verlegers Horace Greeley. Hjalmar ist ein dänischer Name.

Ausbildung

Schacht legte 1895 an der Gelehrtenschule des Johanneums in Hamburg das Abitur ab und immatrikulierte sich zuerst an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel für Medizin, wechselte aber schon im nächsten Semester zur Germanistik, bis er – nunmehr an der Ludwig-Maximilians-Universität München eingeschrieben – im dritten Semester in den Vorlesungen des damals bedeutendsten Nationalökonomen Lujo Brentano sein Interesse an der Volkswirtschaft entdeckte. Er studierte in der Folgezeit auch an den Universitäten in Leipzig, Berlin und Kiel sowie auch ein Auslandssemester an der Sorbonne in Paris, kehrte aber zum Sommersemester 1898 an seine „Heimatuniversität“ Kiel zurück, um seine Studien mit der Promotion abzuschließen. Dort wurde er 1900 bei dem Staatswissenschaftler Professor Wilhelm Hasbach mit einer Arbeit zum Thema Der theoretische Gehalt des englischen Merkantilismus zum Dr. phil. promoviert. Da es in Kiel wie in zahlreichen anderen Universitäten des Kaiserreiches noch keine gesonderte staatswissenschaftliche Fakultät gab, wurde Schacht als Doktor der Philosophie promoviert. Während seine Dissertation das Prädikat valde laudabile („sehr lobenswert“) erhielt, fiel die Gesamtnote weniger gut aus, weil in der mündlichen Prüfung neben Volkswirtschaft und Staatswissenschaft auch das Pflichtfach Philosophie geprüft wurde, in dem Schacht nach seinen eigenen Angaben als in philosophischem Denken ungeübter Doktorand nahezu völlig versagte.

Tätigkeit in der Privatwirtschaft

Ab 1900 war er als Assistent an der „Zentralstelle zur Vorbereitung von Handelsverträgen“ und 1901 bis 1903 Geschäftsführer des Handelsvertrags-Vereins. Ab 1903 nahm er Aufgaben als Leiter des Archivs bzw. des volkswirtschaftlichen Büros der Dresdner Bank wahr, bei der er von 1908 bis 1915 als stellvertretender Direktor angestellt war. 1906 wurde er Mitglied der Freimaurerloge Urania zur Unsterblichkeit. 1914 veröffentlichte er in der Zeitschrift der Loge Zur Freundschaft der Großen Loge von Preußen in der ersten Kriegswoche einen Aufsatz, in dem er betonte, dass die deutsche Freimaurerei niemals überspannten nationalistischen Empfindungen Raum gegeben habe. 1949 wurde er Mitglied der Loge Zur Brudertreue an der Elbe. In den ersten Jahren des Ersten Weltkrieges leitete er als Dezernent der Bankabteilung des Generalgouvernements Belgien im besetzten Brüssel die Errichtung der Notenbank und die Finanzierung der belgischen (Zwangs-) Kontributionen ein.

Von 1915 bis 1922 war Schacht Vorstandsmitglied der Nationalbank für Deutschland und nach deren Fusion mit der Darmstädter Bank bis 1923 Vorstandsmitglied der Darmstädter und Nationalbank KG.

Hyperinflation und Reichsbank

Vom 12. November 1923[1] bis zu seiner am 22. Dezember 1923 erfolgten Ernennung zum Präsidenten der Reichsbank war er Reichswährungskommissar und wirkte maßgeblich an der Einführung der Rentenmark am 15. November 1923[1] mit, mit der es gelang, die Hyperinflation zu beenden.

Daneben wurde er am 7. April 1924 Aufsichtsratsvorsitzender der auf seinen Vorschlag zur Unterstützung der Konvertibilität der Reichsmark gegründeten Deutschen Golddiskontbank. Im gleichen Jahre nahm er an den Beratungen der Sachverständigen für Reparationsfragen sowie an der Londoner Konferenz teil und wirkte mit an der Dawes-Anleihe. 1929 war Schacht Leiter der Delegation zur Reparations-Sachverständigenkonferenz in Paris.

Die Forderung von Schacht an die Banken, die Börsenkredite zu vermindern, löste den Schwarzen Freitag an der Börse Berlin aus. Am 13. Mai 1927 brach der Aktienindex des Statistischen Reichsamtes innerhalb eines Tages um 31,9 Prozent ein.[2]

Im November 1918 gehörte Schacht zu den Mitbegründern der (links-)liberalen Deutschen Demokratischen Partei, aus der er im Mai 1926 austrat. Danach wandte er sich vor allem wegen der seiner Meinung nach zu großzügigen Ausgabenpolitik der Weimarer Koalitionsparteien SPD, DDP und Zentrum immer mehr rechtskonservativen Kräften zu. Seine Kritik an der von SPD, DDP und KPD unterstützten entschädigungslosen Enteignung der deutschen Fürstenhäuser (die 1926 in einer Volksabstimmung knapp scheiterte) war der unmittelbare Anlass seines Parteiaustritts.

1930 trat er vom Amt des Reichsbankpräsidenten zurück, nachdem der Reichstag den von den rechten Organisationen DNVP, NSDAP und Stahlhelm sowie der KPD bekämpften Young-Plan zur Neuregelung der vom Deutschen Reich zu leistenden Reparationen angenommen hatte. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied der Gesellschaft der Freunde.

Zeit des Nationalsozialismus

Sitzung der Transferkommission in der Reichsbank, von links Schacht, Blessing, Puhl und Wedel (1934)

Durch Emil Georg von Stauß lernte er im Dezember 1930 Hermann Göring kennen. Am 5. Januar 1931 lernte er bei einem gemeinsamen Essen Hermann Görings, Joseph Goebbels und Adolf Hitler kennen, von dem er tief beeindruckt war. Im Oktober 1931 hielt Schacht eine aufsehenerregende Rede auf dem Treffen der NSDAP, der DNVP und des Stahlhelms in Bad Harzburg (Harzburger Front), in der er die Geldpolitik der Reichsbank polemisch angriff. 1932 begann Schacht die NSDAP zu unterstützen, ohne jedoch bis zu diesem Zeitpunkt in die Partei einzutreten. Er wurde Mitglied des Keppler-Kreises, der 1933 in den Freundeskreis Reichsführer SS umgewandelt wurde.[3] Schacht war einer der Unterzeichner der Eingabe von zwanzig Landwirten, Bankiers und Industriellen an Paul von Hindenburg mit der Aufforderung, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Diese Eingabe hatte keinen Erfolg. Statt Hitler ernannte der Reichspräsident Kurt von Schleicher zum Reichskanzler.

Erst nach dessen Scheitern kam Hitler zur Macht und machte Schacht am 17. März 1933 erneut zum Präsidenten der Reichsbank. Schacht half in dieser Position mit den Mefo-Wechseln, die deutsche Aufrüstung zu finanzieren. Er besuchte mehrfach auf Einladung der NSDAP den Reichsparteitag in Nürnberg und spendete nennenswerte Geldbeträge an die SA. Am 30. Januar 1937 wurde ihm und den übrigen Reichsministern während einer Gedenksitzung des Kabinetts von Hitler das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP verliehen. Damit war Schacht Mitglied der NSDAP. Seine Mitglieds-Nr. lautete 3805230.[4]

Schacht hat nach dem Krieg die Mitgliedschaft in der NSDAP bestritten; er selbst sei nie Mitglied der NSDAP gewesen, da Hitler dies auch nicht zur Bedingung für die Übertragung eines Ministeramts machte („… ich wollte meine Unabhängigkeit nicht verlieren. Mitglied der Partei bin ich nie gewesen.“)

Schacht war auch Mitglied in anderen NS-Organisationen, wie der nationalsozialistischen Akademie für Deutsches Recht.[3] Er gehörte dem Vorstand der Deutschen Kolonialgesellschaft an und war Senator der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft.[3]

Schacht war Vertreter der Reichsbank im Gremium der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die 1930 auch auf seine Initiative gegründet wurde. Dort beschwor er seine Kollegen ständig, „Hitler freie Hand im Osten zu geben“. Ebenfalls im Gremium saß sein persönlicher Freund, Sir Montagu Norman, der Gouverneur der Bank von England (Mitglied der Anglo-German-Fellowship) und damit der einflußreichste Bankier in dieser Zeit.

Am 30. Juli 1934 wurde Schacht Nachfolger von Kurt Schmitt als Reichswirtschaftsminister bis November 1937, von Mai 1935 bis November 1937 zugleich Generalbevollmächtigter für die Kriegswirtschaft. Er führte im Dezember 1938 in London Verhandlungen über die Aussiedlung von Juden, die als Schacht-Rublee-Plan bekannt wurden. Von 1937 bis 1943 war er Reichsminister ohne Geschäftsbereich. Am 19. Januar 1939 wurde er von Hitler wegen seiner Kritik an der Rüstungs- und Finanzpolitik aus dem Amt des Reichsbankpräsidenten entlassen. Auf Hitlers Wunsch und auch aus eigenem Interesse blieb er Reichsminister ohne Geschäftsbereich, bis Hitler ihn 1943 auch aus diesem Amt entließ.

1944 wurde er als Mitverschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 von der Gestapo verhaftet und bis zum Kriegsende in den Konzentrationslagern Ravensbrück und Flossenbürg interniert.

Kriegsverbrecherprozesse nach 1945

Hjalmar Schacht in einem alliierten Internierungslager
Hjalmar Schacht am 21. Juli 1947 in Nürnberg als Zeuge im Flick-Prozess

Als Angeklagter im Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess vor dem Internationalen Militärgerichtshof wurde er 1946 von den Alliierten freigesprochen. Der US-Psychologe Gustave M. Gilbert, der alle Angeklagten der Reichsregierung und des Militärs auf ihre Intelligenz hin untersuchte, attestierte Schacht mit einem IQ von 143 den höchsten Intelligenzquotienten unter den Angeklagten[5].

Weil Schacht als ehemaliger Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister zu den Führungspersönlichkeiten des „Dritten Reiches“ gehörte, wurde er wenige Tage nach seinem Freispruch auf Weisung der Landesregierung von Württemberg-Baden verhaftet. 1947 verurteilte ihn nach Protesten aus der Bevölkerung die Entnazifizierungs-Spruchkammer in Stuttgart als „Hauptschuldigen“ zu acht Jahren Arbeitslager nahe Ludwigsburg. 1948 legte er Berufung ein und wurde im September 1948 als „Entlasteter“ freigesprochen und freigelassen.

In der Bundesrepublik

Grabstätte der Familie Schacht im Ostfriedhof München

Schacht befürwortete ähnlich wie John Maynard Keynes eine kontrollierte Geldschöpfung durch die Notenbank, um deflationäre Tendenzen zu bekämpfen und Arbeitsprogramme zu finanzieren.

1953 veröffentlichte er seine Autobiographie „76 Jahre meines Lebens“, in der er unter anderem auf sein Verhältnis zu Hitler eingeht. Hitler gegenüber soll Schacht immer sehr höflich und zugänglich gewesen sein, während sich sein Verhältnis zu Göring stetig verschlechterte, je offener er Görings zügelloser Wirtschaftspolitik widersprach, was letztlich auch zu seiner Entlassung als Reichswirtschaftsminister führte.

1953 gründete er in Düsseldorf die Deutsche Außenhandelsbank Schacht und Co., die er bis 1963 vertrat. In den 1960er Jahren wurde er Mitglied der rechtsextremen Gesellschaft für freie Publizistik.[3]

1967 hielt Schacht ein wirtschaftspolitisches Referat auf dem Parteitag der nationalistischen Sammlungsbewegung Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD).

Hjalmar Schacht wurde nach seinem Tod 1970 auf dem Ostfriedhof in München bestattet (Gräberfeld #55).

Werke

  • 1927: The Stabilisation of the Mark. London, Allen & Unwin.
  • 1931: Das Ende der Reparationen. Stalling, Oldenburg.
  • 1932: Grundsätze deutscher Wirtschaftspolitik.
  • 1948: Abrechnung mit Hitler.
  • 1949: Mehr Geld, mehr Kapital, mehr Arbeit.
  • 1953: 76 Jahre meines Lebens.
  • 1956: Kreditpolitik und Exportfinanzierung von morgen.
  • 1957: Kapitalmarkt-Politik.
  • 1966: Magie des Geldes.
  • 1968: 1933. Wie eine Demokratie stirbt.

Literatur

  • Liaquat Ahamed: Die Herren des Geldes. Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben. Finanzbuch-Verlag, München 2010, ISBN 978-3-89879-578-4. (Englisches Original: Lords of Finance: The Bankers who broke the World. Der Autor, ein Hedge-Fonds-Manager erhielt für dieses Buch den Pulitzer-Preis für Geschichte 2010.)
  • Sören Dengg: Deutschlands Austritt aus dem Völkerbund und Schachts „Neuer Plan“. Zum Verhältnis von Außen- und Außenwirtschaftspolitik in der Übergangsphase von der Weimarer Republik zum Dritten Reich 1919–1934. Frankfurt 1986.
  • Christopher Kopper: Hjalmar Schacht. Aufstieg und Fall von Hitlers mächtigstem Bankier. München 2006, ISBN 3-446-40700-6.
  • Christopher Kopper: Neue Widersprüche im Leben einer widersprüchlichen Persönlichkeit. In: Deutsches Historisches Institut Moskau, Bulletin No 2/2008, S. 28-36. (online)
  • Norbert Mühlen: Der Zauberer. Leben und Anleihen des Dr. Hjalmar Horace Greeley Schacht. Europa, Zürich 1938. (Vorw. Konrad Heiden)
  • Heinz Pentzlin: Hjalmar Schacht. Leben und Wirken einer umstrittenen Persönlichkeit. Berlin 1980, ISBN 3-550-07913-3.
  • Richard Stöss: Vom Nationalismus zum Umweltschutz. Die Deutsche Gemeinschaft/Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher im Parteiensystem der Bundesrepublik. Opladen 1980.
  • Adam Tooze, Yvonne Badal (Übers.): Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus. Siedler, München 2007, ISBN 978-3-88680-857-1. (Neuauflage: Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung Band 663, Bonn 2007, ISBN 978-3-89331-822-3; Neuaufl.: Pantheon, München 2008, ISBN 978-3-570-55056-4.)
  • John Weitz: Hitler's Banker. Hjalmar Horace Greeley Schacht. 1997, ISBN 0-316-92916-6. (Deutsch: Hitlers Bankier. Europa, Wien 1998, ISBN 3-203-84003-0.)
  • André Wilmots: Hjalmar Schacht, Grand argentier d'Hitler. 2001, ISBN 2-87106-278-1.

Weblinks

 Commons: Hjalmar Schacht – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Walter Tormin (Hrsg.): Die Weimarer Republik. 13. Auflage. Fackelträger-Verlag,, Hannover 1973, ISBN 3-7716-2092-9, S. 128.
  2. Die Zeit: Der Schwarze Freitag, vom 7. April 1967
  3. a b c d Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-596-16048-0, S. 522.
  4. Klaus D. Patzwall: Das Goldene Parteiabzeichen und seine Verleihungen ehrenhalber 1934-1944. Verlag Klaus D. Patzwall, Norderstedt 2004, ISBN 3-931533-50-6, S. 19. (Studien zur Geschichte der Auszeichnungen Band 4)
  5. G. M. Gilbert: Nürnberger Tagebuch. Fischer Taschenbuch Verlag, 1977, ISBN 3-436-02477-5, S. 36.
  6. sehr quellenreich, der Rez. bemängelt jedoch leicht die mangelnde Analyse und eine gewisse Gutgläubigkeit gegenüber Sch. und seinen Weggefährten bei Eigenangaben (Persilscheine). "Der erste Schacht-Biograph, der die gewaltige Dokumentenmenge des Entnazifizierungsverfahrens vollständig auswertete."

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