Historische Wertpapiere

Historische Wertpapiere
Schön und selten: Aktie der Fürther Actien-Gesellschaft für Gasbeleuchtung von 1858
Dekoratives Historisches Wertpapier von 1941 (Vignette zeigt das Krantor in Danzig) – im Handel für »kleines Geld« zu erstehen

Historische Wertpapiere oder Nonvaleurs (von frz. non [nɔ̃], „nicht“; valeur [vaˈlœʀ], „Wert“) sind wertlos gewordene (und in diesem Sinn historische) Wertpapiere, die demzufolge auch an keiner Börse mehr gehandelt werden können. Solche ehemaligen Wertschriften (oder Zertifikate) können nur noch als Sammelgegenstand oder zu Dekorationszwecken gekauft werden. Selten werden auch umlaufende Wertpapiere mit besonders niedriger Bewertung als Nonvaleurs bezeichnet (siehe auch: penny stocks).

Die Leidenschaft für das Sammeln von Nonvaleurs wird Scripophilie genannt.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

„Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles.“ Dieser Erkenntnis Johann Wolfgang von Goethes verdanken wir eines der teuersten Historischen Wertpapiere. Der Geheimrat spekulierte auf prosperierende Rohstoffpreise und beteiligte sich am Ilmenauer Kupfer- und Silberbergwerk. Das Goethe-Papier aus dem Jahr 1784 ist aber bei weitem nicht das älteste: 1602 wurde die Vereinigte Ostindische Compagnie als erste Aktiengesellschaft gegründet. Das älteste noch erhaltene Aktienzertifikat stammt aus dem Jahr 1606. In der Tat reicht die Zeitlinie der Nonvaleurs weit zurück - ohne durchaus nicht risikolose Engagements von Investoren, die die Aktien vor vielen Jahren zeichneten, wäre so manches Vorhaben oder Großprojekt bereits im Keim erstickt.

Verfügbarkeit

Die Vielfalt an Historischen Wertpapieren ist groß. Schätzungsweise mehr als 30 000 verschiedene antike Aktien- und Anleihen gibt es alleine aus Deutschland. Weltweit dürften es mehr als 100.000 sein. So vielfältig wie das Angebot, so verschieden sind auch die Sammelgebiete.

Seltener als blaue Mauritius

Es gilt – z. B. im Vergleich zu Briefmarken und Münzen – stets folgenden Unterschied zu beachten: Bei Wertpapieren liegen die Auflagen meist bei weniger als 1.000 oder gar nur bei wenigen 100 Stück pro Emission. Verfügbar sind oft gar nur zehn bis 15 Zertifikate von einer Variante. Und dennoch sind die meisten selteneren Papiere noch zu Preisen von weniger als 1.000 Euro bzw. die Mehrheit in weitaus erschwinglicheren Preisregionen zu erstehen.

Der Reichsbankschatz

In der ehemaligen Reichsbank in Berlin lagerten rund 28 Millionen Historische Wertpapiere aus der Zeit vor 1945. Die in der Reichsbank gelagerten Papiere überdauerten im Ostteil Berlins die Nachkriegszeit und die DDR-Zeit. Nach der Wende gingen die Papiere nach Klärung aller offenen Ansprüche auf das BADV (Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen) über. Im Jahr 2001 war die Prüfung der Ansprüche abgeschlossen, so dass nun die nicht abgeforderten Wertpapiere zu Gunsten des Entschädigungsfonds bestmöglich verwertet werden sollten. Mit der Verwertung wurde dann ein numismatisches Auktionshaus beauftragt. Es fanden bereits 3 Auktionen in Berlin am 28. Juni 2003, im Januar 2005 und im Juni 2006 statt, in denen die auflagenstärksten Titel bereits versteigert wurden. Die erste Versteigerung umfasste 12 Millionen Inhaberpapiere Deutschlands in den Grenzen von 1937, von denen je Emission mehr als 1.000 Exemplare vorhanden sind. In der zweiten Auktion kamen die Emissionen mit Stückzahlen zwischen 200 und 1.000 unter den Hammer. 2006 folgte die Versteigerung der ersten ausländischen Papiere und der deutschen Emissionen mit einer Stückzahl von 100 bis 200 Exemplaren. Die Versteigerungen stießen insgesamt auf reges Interesse bei Medien und Sammlern. Jeweils 300 bis 400 Auktionsteilnehmer sorgten für harte Bietgefechte. Sämtliche Lose wurden zugeschlagen, die Ausrufpreise wurden durchschnittlich mehr als verdoppelt.

Die restlichen deutschen Wertpapiere werden in voraussichtlich zwei weiteren Auktionen angeboten. Der Termin für die Versteigerung der ausländischen Wertpapiere steht bislang noch nicht fest. Die vierte Auktion mit deutschen Wertpapieren fand am 2. Februar 2008 in Berlin statt, die der noch ausstehenden ausländischen Papiere werden nicht vor 2011 abgehalten.

Erhaltung

Wie auch bei anderen Sammelgegenständen spielt bei antiken Aktien und Anleihen die Erhaltung eine große Rolle. In den vergangenen Jahren hat sich ein Buchstabensystem etabliert, das aus dem angelsächsischen Raum stammt: UNC steht dabei für „uncirculated“, also für eine einwandfreie und neuwertige Erhaltung. Papiere, die als EF (extremely fine) gekennzeichnet werden, weisen nur minimale Gebrauchsspuren auf und sind ebenfalls entsprechend begehrt. Stücke mit der Erhaltung VF (very fine) können durchaus Knickfalten und kleinere Randeinrisse aufweisen. Flecken sind möglich. Exponate der Güte F (fine) weisen starke Gebrauchsspuren auf. Sie sind meist mehrfach gefaltet, haben Einrisse und bedürfen einer fachgerechten Restaurierung.

Sammeln

Historische Wertpapiere – also Aktien- und Anleihenzertifikate aus vergangenen Tagen – erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit. Im Gegensatz zu vielen anderen Sammelgebieten wurde die Passion für Historische Wertpapiere – die Scripophilie – erst Mitte der 1970er Jahre richtiggehend entdeckt. Seither wächst Jahr für Jahr die Zahl der Sammler. Nicht ohne Grund: Denn anders als etwa wieder bei Münzen oder Briefmarken handelt es sich bei den antiken Wertpapieren mehrheitlich um ein quasi abgeschlossenes Sammelgebiet. Kaum eine Gesellschaft lässt heute noch effektive Aktienurkunden drucken.

Immer beliebter wird es, Historische Wertpapiere aus einer bestimmten Epoche zu sammeln. Vor allem die Urkunden aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie das andere Extrem, Aktien aus der jüngsten Geschichte, gewinnen an Popularität. Doch unabhängig davon, ob deutsche Eisenbahnaktien, amerikanische Autographen oder Wertpapiere aus den aufstrebenden Regionen wie Asien, Russland oder der Türkei – jeder Sammler sollte sich frühzeitig auf einen abgegrenzten Bereich festlegen. Bei der Suche nach „seinem Sammelgebiet“ lässt sich der Sammler am besten von seinen Interessen und Hobbys leiten.

Nachfolgend einmal kurz dargestellt eine Auswahl populärer Sammelgebiete. Fernab der klassischen Ansatzpunkte nach Region, Branche oder Epoche, gibt es eine ganze Reihe weiterer hochinteressanter Vorgehensweisen. So gibt es Sammler, die nur Papiere mit einer bestimmten Nummer sammeln oder nur Papiere, die von einem bestimmten Künstler gestaltet wurden.

Papiere aus dem 18. Jahrhundert Mit der Gründung der ersten Aktiengesellschaft im Jahr 1602 beginnt auch die Geschichte des Wertpapiers. Viele Urkunden, geschmückt mit Wappen und Siegeln, sind noch auf Bütten oder Tierhaut gedruckt. Jede hat ihren eigenen Stil.

Deutsche Eisenbahnen Am 6. Dezember 1835 fiel mit der Eröffnung der Strecke Nürnberg–Fürth der Startschuss für das Eisenbahnzeitalter in Deutschland. Unzählige Klein- und Lokalbahnen wurden in der Folgezeit gebaut. Die meisten Strecken gehören heute zwar der Deutschen Bahn, dennoch gibt es einige private Bahnlinien.

US Eisenbahnen Vor allem die herrlichen Stahlstiche faszinieren bei den amerikanischen Eisenbahntiteln. Lokomotiven aus der Frühzeit, Personenvignetten und herrliche Landschaftsszenen prägen die meisten Papiere. Viele amerikanische Aktien tragen die Original-Signaturen ihres Vorstands oder die der Aktionäre. Mitunter findet sich hier auch heute noch der eine oder andere Schatz.

Autographen Jedes Historische Wertpapier hat seine eigene Geschichte: Oft ist diese mit berühmten Persönlichkeiten verbunden. Sie haben als Vorstand, Aufsichtsrat oder als Aktionär die Aktie im Original signiert. Im Sammlermarkt sind unter anderem Aktien mit der Signatur des ersten Milliardärs John D. Rockefeller oder etwa des genialen Erfinders Thomas Alva Edison sehr geschätzt.

Zoologische Gärten Fast alle europäischen Metropolen beteiligten im 19. und 20. Jahrhundert Investoren an ihren Tiergärten. Die hochdekorativen Wertpapiere versprachen eine Dividende der besonderen Art: Sie berechtigten meist zum kostenfreien Zoo-Besuch. Einige der Papiere, wie beispielsweise die des Tierparks Hellabrunn, sind auch heute noch gültig.

Gründerzeit Das Auf und Ab an der Börse ist nichts Neues. In den vergangenen Jahrhunderten gab es Hausse- und Baisse-Phasen. Vor allem der Börsen- und Gründungsschwindel der Jahre 1870 bis 1873 zeigt frappierende Ähnlichkeiten zum Neuen Markt. Viele Schwindelmethoden waren damals bereits en vogue und haben sich in der jüngsten Vergangenheit wiederholt.

DM-Papiere Mit der Einführung des Euro und der Stückaktie ging auch bei den Wertpapieren eine Ära zu Ende: auf DM lautende Wertpapiere. Das nunmehr abgeschlossene Sammelgebiet entwickelt sich seither furios. Geringe Auflagen, bekannte Namen und günstige Preise beflügeln die Nachfrage.

Automobil-Aktien In keiner anderen Branche spielt Deutschland weltweit eine derart dominierende Rolle wie in der Automobilindustrie. Entsprechend begehrt sind die Papiere von BMW, Daimler-Benz, Porsche und Volkswagen daher auch bei den Sammlern antiker Wertpapiere.

Banken „Was ist ein Banküberfall gegen die Gründung einer Bank“ bemerkte schon Bertolt Brecht. Historisch mag Brecht damit sogar recht haben. Viele antike Bankaktien erzählen von Schwindel, Betrug, Börsenaufschwung und Crash. Historische Bankaktien dokumentieren den Beginn der heutigen Finanzriesen Commerzbank, Deutsche Bank oder HypoVereinsbank.

„Gibt es ein Sammelgebiet, welches noch nicht so überlaufen ist?“ das lässt sich pauschal nicht sagen. Für einige Branchen (zum Beispiel Eisenbahnen und Brauereien) gibt es mehrere Sammler. Prinzipiell kann man rein von der Anzahl der Sammler allgemein aber nicht von ‚überlaufenen Sammelgebieten‘ sprechen. Denn man muss differenzieren: Es gibt für jedes Sammelgebiet – es sei denn, es ist äußerst eng gesteckt – Papiere, die in größerer Stückzahl im Markt vorhanden sind. Diese bieten dann einen günstigen Einstieg. Schwieriger wird es bei den Papieren, die etwas seltener oder gar rar sind. Dort ist es natürlich nachteilig, wenn man noch den einen oder anderen ‚Konkurrenten‘ hat. Letztlich existiert eine solche ‚Konkurrenz‘ dann aber auch nicht, denn Sammler sind in ihrer Leidenschaft zwar ehrgeizig – kennen aber sehr wohl Schmerzgrenzen.

Wer Papiere unter dem Wertzuwachs- und Werterhaltungsaspekt sammelt, sollte darauf achten, dass es sich bei den Stücken um wichtige Papiere mit geringer Verfügbarkeit handelt. Papiere mit niedriger Auflage versprechen ebenso wie eine möglichst umfassende Sammlung zu einem Thema Wertsteigerungspotenzial. Kapitalanleger sollten aber in Dekaden denken.

Dekorative Schätze

Historische Wertpapiere sind nicht nur Sammelgegenstände. Oftmals schmückt so manches dekoratives Zertifikat triste Wände – und zieht dabei nicht selten neugierige Blicke auf sich. Daraus resultierend empfehlen sich Historische Wertpapiere z.B. auch als originelle Geschenkidee – denn schöne Papiere müssen nicht zwangsläufig teuer sein ...

Verkauf und Erwerb

Hat man nicht das Glück, ein Historisches Wertpapier aus Großmutters Zeiten im Zuge eines sog. ‚Dachbodenfundes‘ zu finden, so besteht keineswegs Grund zur Verzweiflung: Neben dem Tausch gibt es vielfältige Möglichkeiten, solche Papiere zu erwerben. Sowohl auf den Plattformen diverser Online-Auktionshäuser als auch in den Online-Shops renommierter Händler werden Sie eine breite Palette an Angeboten gängigerer Wertpapiere finden. Exklusivere Papiere oder gar Raritäten kauft man in der Regel auf den ca. zwanzig jährlich von seriösen Auktionshäusern veranstalteten Auktionen. Als Preisobergrenze gelten die Angaben im Suppes-Katalog und im GET-Katalog, gehandelt wird zu Preisen darunter.[1]

Literatur

  • Jakob Schmitz: Historische Wertpapiere. Das Handbuch für Sammler und Liebhaber alter Aktien und Anleihen. Econ, Düsseldorf/Wien 1982. ISBN 3-430-17999-8
  • Suppes-Bewertungskatalog für historische Wertpapiere Deutschland. Auktionshaus Gutowski, Kneitlingen 2005. ISBN 3-9810107-01

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.wiwo.de/finanzen/sammler-zahlen-rekordpreise-fuer-prominente-wertpapiere-454134/

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