Hinterkaifeck

Hinterkaifeck

Hinterkaifeck war der Tatort eines bis heute nicht aufgeklärten Mehrfachmordes. Auf dem Einödhof, der 500 m südwestlich des Dorfes Gröbern im Gemeindegebiet von Wangen (am 1. Oktober 1971 nach Waidhofen eingemeindet) in Oberbayern lag und etwa sechs Kilometer von Schrobenhausen entfernt war, wurden in der Nacht vom 31. März auf den 1. April 1922 sechs Menschen ermordet, indem man ihnen mit einer Reuthaue den Schädel einschlug. Bei den Getöteten handelt es sich um das Austragsbauernehepaar Andreas (* 9. November 1858) und Cäzilia (* 27. November 1849) Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel (* 6. Februar 1887), deren Kinder Cäzilia (* 9. Januar 1915) und Josef (* 7. September 1919) sowie die Magd Maria Baumgartner (* 1. Oktober 1877).

Der Hof wurde knapp ein Jahr nach der Tat vollständig abgebrochen. Da später kein neues Anwesen an der Stelle errichtet wurde, ging der Hausname unter und ist heute nur noch eine historische Bezeichnung. Hinterkaifeck war offiziell nie ein eigener Ortsteil mit diesem Namen, sondern nur ein Hausname für den versteckt im Wald gelegenen Teil des Weilers Kaifeck. Heute besteht (Rest-) Kaifeck nur noch aus einem Einödhof, der knapp einen Kilometer südlich vom „Mordhof“ an der Gemeindestraße nach Schrobenhausen liegt; das ehemalige Hofgelände von Hinterkaifeck ist heute eine landwirtschaftliche Nutzfläche.

Der Gedenkstein auf dem Friedhof Waidhofen

Inhaltsverzeichnis

Tatgeschehen

Geschehnisse vor der Tat

Einige Tage vor der Tatnacht entdeckte der Austragsbauer Andreas Gruber im Schnee Spuren, die zum Hof Hinterkaifeck hinführten, aber nicht wieder heraus. Ebenso vermissten die Bewohner der Einöde einen Haustürschlüssel. An der Motorhütte des Hofes hatte außerdem jemand das Vorhängeschloss aufgebrochen. Darüber hinaus bemerkten die Hinterkaifecker, dass das Anwesen vom Wald aus von einem Mann mit Schnauzbart beobachtet wurde. In der Nacht hörten sie auf dem Dachboden über ihren Schlafräumen Schritte, doch Andreas Gruber fand niemanden, als er das Gebäude durchsuchte, und weigerte sich, Hilfe von Außenstehenden (Nachbarn/Polizei) anzunehmen. Nach Aussage einer Schulfreundin der siebenjährigen Cäzilia Gabriel soll diese auch berichtet haben, dass ihre Mutter Viktoria in der Nacht vor der Tat nach einem heftigen Streit vom Hof geflohen und erst Stunden später im Wald aufgefunden worden sein soll.

Tatnacht vom 31. März auf den 1. April 1922

Am Abend des 31. März 1922, einem Freitag, kam die neue Magd Maria Baumgartner auf dem Hof an. Das genaue Tatgeschehen konnte nicht rekonstruiert werden, doch man nimmt an, dass die Eheleute Andreas und Cäzilia Gruber sowie deren Tochter Viktoria Gabriel und Enkelin Cäzilia Gabriel nacheinander in den Stadel gelockt und dort erschlagen wurden. Durch eine Obduktion wurde nachgewiesen, dass die siebenjährige Cäzilia, nachdem ihr der Schädel eingeschlagen worden war, noch mindestens zwei Stunden lebte. Vom Stadel aus drang(en) der oder die Täter ins Haus ein, wo der zweijährige Josef in seinem Stubenwagen im Schlafzimmer seiner Mutter und die Dienstmagd Maria Baumgartner in der Magdkammer erschlagen wurden.

Entdeckung der Tat

Vom Tatzeitpunkt bis zur Entdeckung der Tat vier Tage später müssen sich der oder die Täter noch im Haus aufgehalten haben, da das Vieh versorgt wurde und Rauch aus dem Kamin des Bauernhauses aufstieg. Außerdem entdeckte die Polizei, dass der gesamte Brotvorrat aufgebraucht und Fleisch aus der Vorratskammer frisch angeschnitten worden war.

Am 1. sowie am 3. April fehlte Cäzilia Gabriel unentschuldigt in der Schule. Außerdem besuchten die Einwohner der Einöde am 2. April nicht wie gewohnt den Sonntagsgottesdienst. Am Montag, dem 3. April bemerkte der Postschaffner Josef Mayer, als er nach Hinterkaifeck kam, dass die Post vom Samstag sich noch immer dort befand, wo er sie deponiert hatte, und dass anscheinend niemand auf dem Hof war. Der Monteur Albert Hofner, der am 4. April in vermeintlicher Abwesenheit der Hinterkaifecker auf dem Hof den Motor der Futterschneidemaschine reparierte, erzählte Einwohnern von Gröbern und Wangen, dass er sich fünf Stunden lang in Hinterkaifeck aufgehalten habe, aber dort niemandem begegnet sei. Deshalb drang der Ortsführer von Gröbern, Lorenz Schlittenbauer, noch am selben Tag mit zwei anderen Männern, Michael Pöll und Jakob Sigl, in den Gebäudekomplex ein, wo sie die Leichen entdeckten.

Ermittlungen

Polizeiliches Vorgehen

Die ersten Polizisten am Tatort waren Beamte der Gendarmeriestation Hohenwart, die am 4. April gegen 18 Uhr eintrafen. Deren Hauptaufgabe war es, die zahlreichen Schaulustigen, die sich bald, nachdem sich die Nachricht vom Mord verbreitet hatte, in Hinterkaifeck einfanden, am Betreten der Mordstätte zu hindern. Bei der Polizeidirektion München ging die Meldung um ca. 18.15 Uhr ein, und um 1.30 Uhr des Folgetages kamen die sechs Beamten aus München, darunter zwei Polizeihundeführer, unter der Leitung von Kriminaloberinspektor Georg Reingruber, in Wangen bei Bürgermeister Georg Greger an.

Noch in der Nacht besichtigten sie zum ersten Mal den Tatort, ab sechs Uhr dann zusammen mit der Gerichtskommission aus Schrobenhausen systematisch die Hinterkaifecker Gebäude. Auf dem Dachboden, der ohne trennende Brandmauern durchgängig über Wohnhaus, Stall und Stadel verlief, entdeckten die Polizisten, dass der Boden mit Heu bedeckt war, um die Schritte der Täter zu dämpfen, einige Dachziegel verschoben waren, um das gesamte Hofgelände überblicken zu können, und in einem Heuhaufen zwei Mulden waren, die davon zeugten, dass sich hier Personen befunden haben mussten. Die ersten Vernehmungen fanden im Bauernhaus in der Küche statt.

Als Motiv wurde Raubmord vermutet, aber dies ist zweifelhaft, da man nicht genau ermitteln konnte, wie viel Geld entwendet wurde. Außerdem wurde viel Geld zurückgelassen, obwohl die Täter genug Zeit gehabt hätten, das Haus genau zu durchsuchen. Bei der Obduktion durch den Neuburger Landgerichtsarzt Dr. Johann Baptist Aumüller auf einem provisorischen Seziertisch im Hof des Bauernhofes wurden den Leichen die Köpfe abgetrennt.

Die Beamten der Mordkommission ermittelten in verschiedenste Richtungen und gingen selbst unwahrscheinlichen Spuren nach. Als Erstes gerieten Vorbestrafte, Hamsterer und Hausierer, die aus der Gegend von Hinterkaifeck stammten oder sich dort herumtrieben, in den Fokus der Polizei. Bereits am 8. April wurden 100.000 Mark Belohnung für Hinweise zum Täter ausgesetzt. Viele Personen wurden daraufhin verdächtigt (siehe: Täterverdächtigte) und auch viele nicht stichhaltige Hinweise gingen bei der Mordkommission ein, doch der Mord konnte niemandem nachgewiesen werden. Mit den Schädeln der Opfer wurden auch spiritistische Sitzungen mit Weissagerinnen durchgeführt, die aber ebenfalls kein Ergebnis brachten.

Am 28. Februar 1930 ging Oberinspektor Reingruber in Pension, und im September desselben Jahres übernahm Martin Riedmayer den Fall.

Tatverdächtigte

Im Folgenden sind Personen aufgeführt, die von Polizei und / oder in der Bevölkerung als potenzielle Täter angesehen wurden, aber weder als Mörder überführt noch von der Täterschaft zweifelsfrei ausgeschlossen werden konnten.

Karl Gabriel

Der Tod des im Dezember 1914 gefallenen Ehemanns der Jungbäuerin, Karl Gabriel, wurde in Zweifel gezogen. Dieser soll erfahren haben, dass Viktoria Gabriel ein uneheliches Kind hatte (Josef), und zwar mit ihrem eigenen Vater, und daraufhin die gesamte Familie erschlagen haben, um Rache zu üben. Diese Theorie erhielt im Laufe der Jahre neue Nahrung, nachdem immer wieder Zeugen berichteten, sie seien Gabriel begegnet oder könnten bestätigen, dass dieser seine Identität mit der eines gefallenen Kameraden vertauscht hatte. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs behaupteten unabhängig voneinander Kriegsheimkehrer aus der Region um Schrobenhausen, die vorzeitig aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen wurden, dass sie von einem bairisch sprechenden Sowjetoffizier nach Hause geschickt worden seien, der von sich behauptet habe, er sei der Mörder von Hinterkaifeck. Einige dieser Aussagen wurden später von den Heimkehrern selbst revidiert. Ob es sich dabei um erfundene Geschichten oder wahrheitsgemäße Aussagen handelte, kann heute nicht mehr zweifelsfrei nachgewiesen werden. Selbst für den Fall, dass die Behauptungen zutreffend sind, muss es sich bei dem Russen nicht zwingend um Karl Gabriel gehandelt haben; wenngleich einige der Zeugen, die ihm kurz vor und nach dem Mord angeblich begegnet waren, ausgesagt hatten, er wolle sich nach Russland absetzen.

Lorenz Schlittenbauer

Lorenz Schlittenbauer wurde – auch von der Bevölkerung – als Täter verdächtigt, weil er sich durch Andeutungen bzgl. des Mordes verraten haben soll. Beispielsweise wurde beim Auffinden der Leichen ein Tor aufgebrochen, weil sämtliche Türen und Tore am Hof verschlossen waren. Beim Auffinden der Leichen gingen zwei der Finder schockiert nach draußen, während Schlittenbauer alleine in das Haus weiterging. Er hat dann von innen – für die anderen Zeugen deutlich hörbar – mit dem Schlüssel aufgeschlossen. Dieser einzige Schlüssel wurde von den Opfern kurz vor der Tat vermisst. Darüber, ob zum Auffindezeitpunkt ein Seil im Stadel hing, das ein Täter zur Flucht hätte benutzen können, gab es widersprüchliche Aussagen.

Auch noch Jahre später wurde Schlittenbauer aufgrund merkwürdiger Äußerungen (so soll er am örtlichen Stammtisch bei Spekulationen über den Tathergang gelegentlich vom Täter in der Ich-Form gesprochen haben) immer wieder mit der Tat in Verbindung gebracht. Eingang in die Akten fand auch eine Begegnung des damaligen Dorflehrers mit Schlittenbauer an den Mauerresten des abgebrochenen Hofes Hinterkaifeck im Jahr 1925. Der junge Lehrer überraschte ihn über den noch vorhandenen Kellereingang gebeugt und war verwundert über seine ausgesprochen schreckhafte und verwirrte Reaktion, als er ihn ansprach. Schlittenbauer erzählte daraufhin von einem angeblichen Versuch des Täters, die Leichen am Ort ihres Auffindens zu vergraben, was aber aufgrund der Bodenbeschaffenheit nicht möglich gewesen sei. Diese Information hatten vorher weder Schlittenbauer noch ein anderer Zeuge zu Protokoll gegeben.

Schlittenbauer führte mehrere Zivilklagen wegen übler Nachrede gegen Personen, die ihn als „Mörder von Hinterkaifeck“ bezeichneten.

Joseph Bärtl

Der 1897 geborene, aus Geisenfeld stammende, angeblich geisteskranke Bäcker Josef Bärtl wurde schon bald nach der Tat als Mörder verdächtigt, da er 1921 aus der „Heil- und Pflegeanstalt Günzburg“ geflohen war. Ihm wurde ob seines Geisteszustands die Tat zugetraut, und ein Medium hatte ihn bei einer der spiritistischen Sitzungen anhand einer Fotografie als Täter identifiziert. Zwar gaben immer wieder Zeugen an, Bärtl begegnet zu sein, doch er konnte von der Polizei nie aufgegriffen werden.

Gebrüder Gump

Bereits am 9. April 1922 ließ Kriminaloberinspektor Georg Reingruber die Fahndung nach Adolf Gump, Wilhelm Dreßel, Wilhelm Musweiler alias Weiland und den früheren Kriminalbeamten Friedrich N. alias Fischer ausschreiben. Alle vier sollen mit dem Freikorps Oberland in Oberschlesien einmarschiert sein. Reingruber konnte nicht ausschließen, dass Adolf Gump an den Morden in Hinterkaifeck beteiligt war, deswegen wies er die entsprechenden Gendarmeriestationen an, bei einer möglichen Festnahme von Anton Gump diesen nach seinem Alibi vom 30. und 31. März sowie vom 1. April 1922 zu fragen.

1951 ermittelte Staatsanwalt Andreas Popp gegen Adolfs Bruder Anton Gump wegen des Verdachtes, dass die beiden Brüder die Morde auf Hinterkaifeck begangen hätten. Der Verdacht begründete sich auf der Anschuldigung der Schwester der beiden. Kreszentia Mayer beschuldigte auf dem Sterbebett gegenüber dem Priester Anton Hauber ihre beiden Brüder Adolf und Anton, die Morde begangen zu haben. Anton Gump kam infolgedessen in Untersuchungshaft. Allerdings wurde er nach kurzer Zeit wieder entlassen und 1954 wurde das Verfahren gegen ihn endgültig eingestellt, da ihm keine Tatbeteiligung nachgewiesen werden konnte.

Ergebnis der Ermittlungen

Trotz wiederholter Festnahmen ist bis heute kein Täter gefunden, die Akten wurden 1955 geschlossen. Trotzdem fanden noch 1986 letzte Vernehmungen statt, und Kriminalkommissar Konrad Müller ermittelt heute noch – im Ruhestand.

Finanzielle Situation

Die Familie Gabriel-Gruber war sehr vermögend. Ihr Vermögen, das auf 100.000 Mark geschätzt wurde, war zum Beispiel in Pfandbriefen und Kriegsanleihen oder in Schmuck und Gold- bzw. Silbermünzen angelegt. Außerdem besaß sie ein beträchtliches Barvermögen. Darüber hinaus besaß sie 50 Tagwerk (ca. 17 Hektar) Land und einige Stück Vieh. Als der Mord geschah, war der Neubau des Stalles geplant.

Soziale Situation

Die Bewohner der Einöde lebten zurückgezogen. Um Geld zu sparen, beschäftigten sie (auch illegal) – oft nur für einige Wochen – u. a. auch kriminelle und umherziehende Hilfsarbeiter.

Inzest

Zwischen dem Vater, Andreas Gruber, und seiner Tochter Viktoria existierte eine inzestuöse Beziehung ab dem 16. Lebensjahr der Tochter. Deshalb wurden beide 1915 verurteilt – der Vater zu einem Jahr Zuchthaus und die Tochter zu einem Monat Gefängnis. Einmal wurden die zwei von einer Magd im Heu erwischt. Cäzilia Gruber litt psychisch unter diesem Verhältnis von Mann und Tochter, doch sie unternahm nichts dagegen.

Außerdem existieren Gerüchte, dass der 1919 unehelich geborene Josef – Viktoria Gabriels Ehemann Karl war bereits 1914 an der Front gefallen – nicht von Lorenz Schlittenbauer, sondern von Andreas Gruber gezeugt worden war. Andreas Gruber versuchte auch, eine Ehe zwischen den beiden Verwitweten Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer zu verhindern. Daraufhin leugnete Schlittenbauer die Vaterschaft, und der alte Gruber wurde, da er bereits vorbestraft war, wieder verhaftet. Doch kurz darauf erkannte Schlittenbauer die Vaterschaft erneut an, um sie einige Zeit später dann wieder zu verleugnen.

Erbe

Im Erbschein vom 7. Juni 1922 wurde das Vermögen zur einen Hälfte der Familie des Andreas Gruber und zur anderen der aus erster Ehe stammenden Tochter von Cäzilia Gruber, Cäzilia Starringer, zugesprochen. Sämtliches Gold- und Silbergeld sollte wegen Steuerhinterziehung an den Fiskus abgetreten werden (dies wurde später jedoch revidiert und die Erben konnten das Geld erhalten). Karl Gabriel sen., Vater von Viktoria Gabriels Ehemann und Großvater der Cäzilia Gabriel, klagte daraufhin mit der Begründung, die siebenjährige Cäzilia als Universalerbin sei nachweislich nach ihrer Mutter ums Leben gekommen. Doch diese und alle weiteren Klagen Karl Gabriels wurden vom Gericht abgelehnt. Doch außergerichtlich einigten sich beide Parteien (Gruber und Gabriel) darauf, dass Karl Gabriel den Gebäudekomplex zum Vorzugspreis erwerben könne, was dieser auch tat.

1923 begann Karl Gabriel, mit einigen Helfern den Mordhof abzureißen. Beim Abriss wurde das Tatwerkzeug, eine Reuthaue, die auf dem Dachboden unter den Dielenbrettern versteckt worden war, gefunden.

Reaktionen der Öffentlichkeit

Bereits kurz nach der Entdeckung des Mordes fanden sich viele Schaulustige in Hinterkaifeck ein und einige blieben sogar in der Nacht, um für „die armen Seelen“ zu beten. Zur Beerdigung am 8. April 1922 fanden sich einige tausend Menschen auf dem Friedhof von Waidhofen ein. Es stellte sich nach der Tat eine regelrechte Hinterkaifeck-Hysterie ein und die Bevölkerung der Umgebung spekulierte über mögliche Täter.

Bestattung

Das Marterl in der Nähe des Tatorts

Die Toten sind ohne Schädel auf dem Friedhof Waidhofen bestattet, ein Gedenkstein wurde am Grab errichtet. Der Hof wurde bereits 1923 abgerissen, heute steht in der Nähe nur noch ein Marterl.

Ungereimtheiten beim Fall und Ermittlungsversäumnisse

Im Augenscheinprotokoll der Gerichtskommission Schrobenhausen wurde vermerkt, die Opfer seien durch Unruhe im Stall (brüllendes, losgebundenes Vieh) in den Stall gelockt worden. Ein Versuch ergab aber, dass menschliche Schreie aus dem Stall nicht in der Einöde zu hören waren. Daraus ergibt sich die Frage, ob die Hinterkaifecker wirklich wie oben beschrieben in den Stall gelockt wurden oder auf eine andere unbekannte Weise.

Ebenfalls in Zweifel gezogen wurde die Annahme, dass der oder die Täter sich bereits vor der Tat im Haus aufgehalten hatten. Einige der Indizien dafür – wie die verschobenen Dachziegel und die Mulden im Heu – wurden später auch als Liebesversteck der Inzestbeziehung zwischen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel interpretiert. Dies würde auch erklären, warum die Mulden und die verschobenen Ziegel von Andreas Gruber nicht bemerkt wurden, obwohl er nach gesicherten Aussagen den Hof vor der Tat mehrfach gründlich durchsucht haben soll.

In der Nacht nach der Tat (also noch drei Tage vor dem Auffinden der Leichen) beobachtete ein zufällig an Hinterkaifeck vorbeikommender Handwerker, dass der Backofen des Hofes von einer ihm unbekannten Person angeheizt worden war. Die Person sei daraufhin mit einer Taschenlampe auf ihn zugekommen, woraufhin er eilig seinen Weg fortgesetzt habe. Weder wurde dieser Vorfall näher untersucht, noch sind Ermittlungen bekannt, die festgestellt hätten, was in jener Nacht in dem Backofen verbrannt worden war (evtl. die blutbefleckte Kleidung des Täters o. ä.).

Der Monteur Albert Hofner war nach dem Verbrechen als erster für mehrere Stunden zwecks Reparaturarbeiten auf dem Hof, wurde aber erst 1925 vernommen, da die Polizei ein Verhör unmittelbar nach der Tat versäumt hatte. Seine Aussage legt den Verdacht nahe, dass sich der oder die Täter während seiner Anwesenheit immer noch oder zwischenzeitlich wieder auf dem Hof aufgehalten haben. So fand er die Zugänge zum Haus zwar verschlossen vor und traf auch keine Person an, doch bei seiner Ankunft vernahm er angeblich Hundegebell aus dem Inneren des Hauses. Beim Verlassen des Gehöfts ein paar Stunden später bemerkte er, dass der bellende Hund der Grubers nun vor der immer noch verschlossenen Haustür angebunden war und das Stalltor offenstand (durch das er allerdings nicht trat). Als die Leichen am frühen Abend desselben Tages entdeckt wurden, wurde der sichtlich verstörte Hund mit einem verletzten Auge bei den Opfern in der Scheune vorgefunden, deren Tür nun wieder geschlossen war.

Das persönliche Umfeld der Opfer wurde nur unzureichend untersucht. Dies gilt in den ersten Jahren insbesondere auch für die neue Magd Maria Baumgartner. Dabei ist es immerhin merkwürdig, dass der Mord wenige Stunden nach ihrer Ankunft auf dem Hof geschah. Es ist zumindest möglich, dass das Mordmotiv mit ihrer Person in Verbindung steht.

Als Motiv wurde immer Raubmord angesehen, obwohl ein für damalige Verhältnisse hoher Geldbetrag (ca. 1.800 Goldmark) in einem Schrank gefunden wurde, der von dem oder den wohl noch länger im Haus verbliebenen Tätern durchsucht wurde. Zudem sprechen die komplexen und übermäßig brutalen Tatausführungen, bei denen die Familie inkl. der Kinder quasi ausgelöscht wurde, sowie auch diverse Nachtathandlungen (z.B. die Positionierung und Abdeckung der Leichen oder die offensichtliche Sorgfalt beim Versuch die Morde so lang wie möglich unentdeckt zu lassen) eher für eine emotional geprägte Beziehungstat.

Medien

Verfilmungen

  • 1981 drehte Hans Fegert vom Ingolstädter Schmalfilm Club (ISC) in Zusammenarbeit mit dem Theaterspielkreis Pfaffenhofen den Super-8-Spielfilm „Hinterkaifeck – Symbol des Unheimlichen“. Diesen Film sahen in der Region Ingolstadt/Schrobenhausen/Neuburg und Pfaffenhofen rund 20.000 Zuschauer.
  • Der Mordfall Hinterkaifeck wurde 1991 von Kurt Hieber in einer Fernsehdokumentation dargestellt. Die Interviews mit heute zum Teil schon verstorbenen Zeitzeugen führte der Journalist Reinhard Köchl. Er gewann 1989 auch mit dem Radiobeitrag Die Mordnacht von Hinterkaifeck (Radio ND 1, Neuburg/Donau) den BLM-Hörfunkpreis.
  • 2009 bezieht sich der Thriller Hinter Kaifeck auf die Geschehnisse.
  • Ebenfalls 2009 stellt das Thrillerdrama Tannöd eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Andrea Maria Schenkel dar, dem der reale Mordfall zugrunde liegt.
  • Der Fall wurde ein zweites Mal 2009 von Kurt Hieber in Der Fall Hinterkaifeck – Die wahre Geschichte hinter Tannöd dargestellt.

Literatur

1978 hat der Journalist Peter Leuschner nach jahrelangen Recherchen in Münchner und Augsburger Archiven eine umfassende – allerdings dramatisierte – Dokumentation des Mordfalls und der Ermittlungen vorgelegt. 1997 wurde diese Dokumentation neu aufgelegt, im Juli 2007 erschien die dritte, überarbeitete Auflage.

Der sehr populäre Kriminalroman Tannöd von Andrea Maria Schenkel aus dem Jahr 2006 wurde ebenfalls vom Mordfall Hinterkaifeck inspiriert; Plagiatsvorwürfe Leuschners gegen die Autorin wurden gerichtlich nicht bestätigt.

  • Sachbuch
    • Reinhard Haiplik: Hinterkaifeck. In ders.: Brandstifter, Mörder und Banditen. Aufsehenerregende Verbrechen in unserer Heimat. Landratsamt (Hg.): Pfaffenhofen an der Ilm 1995. 87 S.
    • Reinhard Haiplik: Geheimnisvolle Plätze in der Hallertau – Heimatkundliche Wanderungen zwischen Ilm, Paar und Abens (Zusammenfassung der wichtigsten Theorien). Hohenwart: Galli Verlag 2009. 128 S., ISBN 978-3-936990-48-5
    • Winfried Rein: Die Anziehungskraft des Ungelösten: 75 Jahre nach der Tat liefert der Fall Hinterkaifeck neuerlich Stoff für Spekulationen. In: Der Sonntag, Ingolstadt 1997. 12 S.
    • Rainer Schmeißner: Der Bildstock von Hinterkaifeck (Oberbayern): einzige Erinnerung an Deutschlands rätselhaftesten Mordfall. In: Steinkreuzforschung Reihe B (Mitteilungen), Sammelbände, Bd. 27, Regensburg 2002, S. 81-86
    • Werner Vitzthum: Chronologie einer Bluttat: sechs Morde blieben bis heute ungesühnt; Hinterkaifeck. In: Das große Heimatbuch - die schönsten Geschichten aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen und dem Altlandkreis Schrobenhausen. Max Ballas MB Verlagsdruck: Schrobenhausen 1997, S. 127-129
    • Hinterkaifeck – Deutschlands geheimnisvoller Mordfall. In: Staatl. Schulamt im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen (Hg.): Heimatkundliche Stoffsammlung für den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen, München 1982, S. 119
    • Peter Große: Nicht erschrecken! Alle haben's erschlagen: »Tannöd«, ein etwas anderer Krimi aus Bayern, junge Welt vom 6. April 2006, S. 12
  • Bavarica
    • Peter Leuschner: Der Mordfall Hinterkaifeck. Deutschlands geheimnisvollster Mordfall. Verlag Ludwig: Pfaffenhofen an der Ilm 1978, ISBN 3-7787-2028-7
    • Peter Leuschner: Der Mordfall Hinterkaifeck. Spuren eines mysteriösen Verbrechens. 3., überarbeitete Auflage, Apus-Verlag: Hofstetten 2007, ISBN 978-3-9805591-0-2
    • Peter Leuschner: Hinterkaifeck: Deutschlands geheimnisvollster Mordfall. Taschenbuch, Apus-Verlag: Hofstetten 2009, ISBN 978-3-9805591-1-9
    • Peter Leuschner: "Das Rätsel um Hinterkaifeck – Der unaufgeklärte sechsfache Mord von 1922 auf einer oberbayrischen Einöde", in: Michael Farin (Hg.): Polizeireport München. belleville: München 1999, S. 172 ff. Darin: Abdruck der Steckbriefe vom 8. April 1922 und 3. Mai 1927 (Belohnung für den "flüchtigen" Bäcker Joseph Bärtl, gen. Hans).
  • Theaterstück
    • Reinfried Keilich: Hinterkaifeck. Ein Mordfall. Verlag der Autoren: Frankfurt/M. 1989

Weblinks

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