Himjar

Himjar
Südarabien um 100 v. Chr. Himjar ist violett eingefärbt.

Himjar (altsüdarabisch Ḥmyr, arabisch ‏حمير‎ Himyar, DMG Ḥimyar) war ein altsüdarabisches Königreich im heutigen Jemen, das etwa vom 1. Jahrhundert v. Chr. bis 570 n. Chr. bestand. Das Zentrum befand sich in der im jemenitischen Hochland gelegenen Stadt Zafar mit der Königsburg Raydan in 2800 Meter Höhe etwa 14 Kilometer südöstlich der heutigen Provinzstadt Yarīm. Als letzter vorislamischer Staat im Jemen wurde der Name „Himjar“ bis ins 19. Jahrhundert allgemein für das vorislamische Südarabien gebraucht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Südarabien um 230. Königreich Himjar ist rot eingefärbt.

Wohl im 1. Jahrhundert v. Chr. gewann der Stammesverband Himjar im jemenitischen Bergland die Unabhängigkeit von Qataban. Die himjarische Ära, nach der die Inschriften des sabäo-himjarischen Reiches datiert waren, begann um 110 v. Chr. Hauptstadt wurde Zafar. Da sich das neue Reich abseits der Weihrauchstraße befand, expandierte es zur Küste, um den Seehandel am Ausgang des Roten Meeres kontrollieren zu können. Nach Kenneth A. Kitchen wurden im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. Saba und Himjar auf friedliche Art geeinigt.[1] Diese Union zerbrach Kitchen zufolge um 140 n. Chr. In den nächsten Jahrzehnten standen sich Saba und Himjar zumeist feindlich gegenüber, noch in der Schlacht von Hurmatum 248/49 konnte offenbar keine Partei einen eindeutigen Sieg erringen. Um 260/70 schließlich ging Himjar aus dem Machtkampf mit Saba als Sieger hervor. Zwar sah sich das nun entstandene sabäo-himjarische Reich als Nachfolger Sabas, doch wurde es vom himjarischen Zafar aus regiert.

Mit der Unterwerfung von Hadramaut (um 300 n. Chr.) durch Schammar Yuhar'isch war das gesamte Land unter himjarischer Herrschaft vereinigt. So trugen die Herrscher nun den Titel „Könige von Saba, Dhu-Raydan, Hadramaut und Yamanat“. Unter Abukarib Asad (etwa 410-435) erreichte das Reich seinen Höhepunkt. Durch Feldzüge bis nach Yathrib/Medina wurde der Einfluss der Himjaren über Südarabien hinaus auch auf große Teile des westlichen Arabiens ausgedehnt.

In der Folgezeit kam es aber durch Aufstände der Beduinen und Interventionen des aksumitischen Reiches zu einer Schwächung der Himjaren. Der Niedergang der alten Handelszentren an der Weihrauchstraße konnte ebenfalls nicht gestoppt werden. Zunehmend gewann das jemenitische Hochland mit seinen umfangreichen Niederschlägen und der entwickelten Landwirtschaft an Bedeutung für die Wirtschaft des Reiches.

Im 6. Jahrhundert wurde der Jemen in die persisch-oströmischen Auseinandersetzungen um die Kontrolle der Handelswege zwischen dem Mittelmeerraum und Indien hineingezogen (vgl. auch Römisch-Persische Kriege). König Yusuf Asar Yathar (Dhu Nuwas, um 517-525), der erste nachweislich jüdische König Himjars, konvertierte vermutlich, um die unabhängige Machtposition des Jemen zu unterstreichen. Nach einem Massakar an den christlichen Einwohnern nach der Eroberung des vom christlichen Aksum beherrschten Nadschran, intervenierte Aksum im Jemen, wobei die Aksumiten wohl vom oströmischen Kaiser Justin I. dazu ermuntert und unterstützt wurden. Aksum besiegte die Himjaren 525 und besetzte das Land. Zwar errang der aksumitische Statthalter Abraha (535-560) die Unabhängigkeit, doch dauerten die Unruhen und Kämpfe an, als Nachkommen des himjaritischen Herrscherhauses um 570 die Sassaniden in Persien um Unterstützung baten; der Jemen wurde zu einem persischen Protektorat.

Nach dem Tod von Abraha gelang unter Saif ibn Dhi Yazan (575-597) mit persischer Hilfe die Vertreibung der Aksumiten, doch übernahmen die Sassaniden 597 die direkte Herrschaft im Jemen. In dieser Zeit der Wirren wurde Marib, nach dem letzten Bruch am Staudamm von Marib (572), endgültig aufgegeben.

Könige der Himjaren

Die folgende Tabelle gibt die Könige Himjars nach der Rekonstruktion von Kitchen 1994 an:

Name Ungefähre Regierungszeit Anmerkungen
Mabhad 115-100 v. Chr. Sohn des Abhad, nur als Eponym der Himjarischen Ära bekannt
Sumhu'ali Dharih III. 20-5 v. Chr. nur als Vater seines Nachfolgers bekannt
Dhamar'ali Watar Yuhan'im 5 v. Chr. - 20 n. Chr.
Yada'il Watar II. 20-25 n. Chr.
Dhamar'ali Bayyin II. 25-45 n. Chr.
Karib'il Watar Yuhan'im I. 45-60 n. Chr.
Dhamar'ali Dharih 70-80 n. Chr.
Yuhaqam 80-85 n. Chr.
Karib'il Bayyin III. 85-90 n. Chr.
Nascha'karib Yuha'min I. 90-100 n. Chr.
Rabbschams Nimran 100-110 n. Chr.
Ilscharah Yahdab I. 110-125 n. Chr.
Watar Yuha'min 125-135 n. Chr.
Sa'dschams 'Asra 135-145 n. Chr.
Yasir Yuhasdiq 140-145 n. Chr.
Dhama'ali Yuhabirr I. 145-160 n. Chr.
Tha'ran I. 160-170 n. Chr.
?
Tha'ran II. Ya'ub Yuhan'im 220-225 n. Chr.
Li'azz Yuhanuf Yuhasdiq 225-230 n. Chr.
Schammar Yuhahmid 230-245 n. Chr.
Karib'il Ayfa 245-265 n. Chr.
Yasir Yuhan'im I. 275-285 n. Chr.
Schammar Yuhar'isch 238-300 n. Chr. besiegte den Hadramaut endgültig
Yasir Yuhan'im II. 300-310 n. Chr.
Dhamar'ali Yuhabirr II. 310-315 n. Chr.
Tha'ran Yuhan'im 315-340 n. Chr.
Malkikarib Yuha'min I. 340-345 n. Chr.
Karib'il Watar Yuhan'im III. 345-360 n. Chr.
(Hasan) Malkikarib Yu(ha)'min II. 375-410 n. Chr.
Dhara'mar Ayman II. 375-410 n. Chr. Mitregent
Abukarib As'ad 410-435 n. Chr.
Hasan Yuha'min 436-440 n. Chr.
Sharahbil Ya'fur 440-458 n. Chr.
Sharahbil Yakuf 458-485 n. Chr.
Ma'adikarib I. Yan'um 485-490 n. Chr.
Abd-kulalum 490-495 n. Chr.
Marthad'ilum Yanuf 495-505 n. Chr.
Ma'adikarib II. Ya'fur 505-517 n. Chr.
Yusuf Asar Yathar (Dhu Nuwas) 517-525 n. Chr. erster jüdischer König, wurde von Aksum besiegt
Simyafa Aschwa 525-536 n. Chr. aksumitischer Marionettenkönig
Abraha 536-570 n. Chr.

Sprache

Die bekannten Inschriften aus dem himjarischen Reich sind in einer Variante des Sabäischen, einem Dialekt des Altsüdarabischen, geschrieben. Die letzten sabäischen Inschriften stammen von etwa 554 n. Chr.; es ist aber möglich, dass das Altsüdarabische in Himjar bereits im 4. oder 5. Jahrhundert vom Arabischen verdrängt wurde[2]. Die gesprochene Sprache der Himjaren ist dagegen nur durch spätere Aussagen arabischer Autoren aus der Zeit nach der Islamisierung bekannt. Sie beschreiben einige ihrer Merkmale, die vom Altsüdarabischen und dem Arabischen deutlich abweichen.[3]

Einzelnachweise

  1. Kitchen 1994, S. 28 ff.
  2. Christian Robin: Südarabien − eine Kultur der Schrift. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): Jemen - Kunst und Archäologie im Land der Königin von Saba. Mailand 1998. ISBN 3-900325-87-4 (formal falsche ISBN), S. 79 ff.
  3. A. F. L. Beeston: Languages of Pre-Islamic Arabia. In: Arabica. 28, Heft 2/3 (1981), S. 178-186; Chaim Rabin: Ancient West-Arabian. London, 1951.

Literatur

  • Muhammad 'Abd al-Qadir Bafaqih: L'unification du Yémen antique. La lutte entre Saba', Himyar et le Hadramawt de Ier au IIIème siècle de l'ère chrétienne. Geuthner, Paris 1990, ISBN 2-7053-0494-2 (formal falsche ISBN), (Bibliothèque de Raydan 1).
  • Jörn Heise: Die Gründung Sana'as. Ein orientalisch-islamischer Mythos? Klaus Schwarz Verlag, Berlin 2010, ISBN 978-3-87997-373-6 (Relevant ist vor allem das vierte Kapitel).
  • Kenneth Anderson Kitchen: Documentation for Ancient Arabia. Part I: Chronological Framework & Historical Sources. Liverpool University Press, Liverpool 1994, ISBN 0-85323-359-4 (The World of Ancient Arabia Series).
  • Walter W. Müller: Himyar. In: Reallexikon für Antike und Christentum. Band 15. 1991, ISBN 3-7772-5006-6, Sp. 303–331.
  • Walter W. Müller: Aus dem antiken Jemen (IX.). Zafar und Himjar. In Jemen-Report. Bd. 10, 1979, ISSN 0930-1488, S. 16–17.
  • Christian Robin (Hrsg.): L'Arabie antique de Karib'îl à Mahomet. Nouvelles données sur l'histoire des Arabes grâce aux inscriptions. Édisud, Aix-en-Provence 1991–93, ISBN 2-85744-584-9 (Revue du monde musulman et de la Méditerranée Nr. 60–62).
  • Klaus Schippmann: Geschichte der alt-südarabischen Reiche. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1998, ISBN 3-534-11623-2.
  • Joachim Willeitner: Jemen. Weihrauchstraße und Wüstenstädte. Hirmer Verlag, München 2002, ISBN 3-7774-8230-7.
  • Paul Yule: Zafar - the Capital of the Ancient Himyarite Empire Rediscovered. In: Jemen-Report. Bd. 36, 2005, S. 22–29
  • Paul Yule: Himyar. Spätantike im Jemen / Late Antique Yemen. Linden Soft Verlag, Aichwald 2007, ISBN 978-3-929290-35-6.

Weblinks


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