Hilflosigkeit

Hilflosigkeit

Hilflosigkeit beschreibt einerseits ein subjektives Gefühl, andererseits einen objektiven Tatbestand. In seiner Urbedeutung steht der Begriff für die Abwesenheit von Hilfe. Daraus abgeleitet wird ein Zustand von Armut und Rechtlosigkeit, sowie die daraus resultierende Befindlichkeit von Leid, Jammer, Kummer und Unglück, sowie – in einer Verfestigung der Lage – von Not.

Inhaltsverzeichnis

Subjektives Gefühl

Das individuelle Gefühl der Hilflosigkeit beruht einerseits auf gesellschaftlichen Einschränkungen, wie Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Schulden, Stress, Mobbing, andererseits auf externen Belastungen, wie Familienkonflikten, Trauer, Trauma und Einsamkeit, oder physischen oder psychischen Krankheiten, wie Depression und Angst, aber auch Lähmung, Amputation oder Schmerz. Hilflosigkeit ist zuallererst das Ohnmachtsgefühl, sich selbst nicht helfen zu können, in der Folge aber auch, keine Hilfe zu bekommen oder annehmen zu können.

Christopher Kofahl hat in seinem Theoriemodell der Entstehung von Selbsthilfegruppen[1] der Hilflosigkeit einen zentralen Stellenwert eingeräumt. Der Kontrollverlust in der Hilflosigkeit beruht in seinem Modell auf:

  • Abhängigkeit von formalen sozialen Sicherungssystemen einerseits und
  • Vertrauensverlust in die professionell-sozialstaatliche Versorgung andererseits.

Hilflosigkeit ist aber auch durch individuelle Prädisposition definiert. Die internale Attribution negativer Ereignisse, das Gefühl, selbst schuld zu sein, führt zu einem verminderten Selbstwertgefühl. Wer über niedrigen Selbstwert oder pessimistischen Attributionsstil[2] verfügt, lebt mit hohem Risiko, in Depression oder Angst zu fallen, wenn er mit unkontrollierbaren Ereignissen konfrontiert wird. Lyn Yvonne Abramson beschreibt 1989 in ihrer Theorie der Hoffnungslosigkeitsdepression[3] als motivationales Symptom die Hilflosigkeitserwartung und als emotionales Symptom die Erwartung, dass ein negatives Ereignis eintreten werde. Als Helfersyndrom bezeichnet Wolfgang Schmidbauer sein Modell der Hilflosigkeit der Helfer[4]. Der Betroffene verinnerlicht das Ideal, dass er nur dann gut sei, wenn er Schwächeren hilft.

Objektiver Tatbestand

Im medizinischen Bereich in Deutschland gilt laut allgemeingültiger Definition als hilflos, wer „infolge von Gesundheitsstörungen nicht nur vorübergehend [...] zur Sicherung seiner persönlichen Existenz [...] fremder Hilfe dauerhaft bedarf.“[5] Als minimaler Betreuungsbedarf für Hilflose werden zwei Stunden täglich angenommen, während Pflegebedürftige ab 45 Minuten täglich betreut werden können.

In der Schweiz wird die Vergabe von Hilflosenentschädigung[6] versicherungstechnisch klar geregelt. Hilflosigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person

  • in alltäglichen Lebensverrichtungen regelmäßig auf die Hilfe von Dritten angewiesen ist,
  • wegen ihres Gebrechens dauernde und besonders aufwändige Pflege benötigt,
  • einer dauernden persönlichen Überwachung bedarf,
  • wegen einer schweren Sinnesschädigung oder eines schweren körperlichen Gebrechens nur mit Hilfe Dritter in der Lage ist, gesellschaftliche Kontakte zu pflegen,
  • dauernd auf lebenspraktische Begleitung angewiesen ist.

Siehe auch

Nachweise

  1. http://www.uke.uni-hamburg.de/extern/asp/BApK-Workshop_071013_Kofahl_Selbsthilfeforschung.pdf
  2. vgl. die Theorien von Abramson, Seligman und Teasdale http://www.wissenschaft-online.de/abo/lexikon/psycho/1595
  3. Abramson, L.Y., Alloy, L.B. & Metalsky, G.I.: Hopelessness Depression. A Theory-Based Subtype of Depression. Psychological Review, V. 96 (1989), N. 2, 358 -372
  4. vgl. Wolfgang Schmidbauer: Die hilflosen Helfer, Rowohlt 1977 und Das Helfersyndrom. Hilfe für Helfer, Rowohlt 2007
  5. Widder/Cording, Begutachtung in der Neurologie, Stuttgart 2007, 49
  6. http://upload.sitesystem.ch/B2DBB48B7E/127930B244/3336AC7040.pdf

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hilflosigkeit — Hilfe: Von den drei Substantivbildungen zum Verb ↑ helfen 1. ahd. helfa, mhd. helfe; 2. ahd. hilfa, mhd. hilfe, nhd. Hilfe und im Ablaut dazu 3. ahd. hulfa, mhd. hülfe, älter nhd. Hülfe hat heute allein »Hilfe« Geltung. Es wird nicht nur abstrakt …   Das Herkunftswörterbuch

  • Hilflosigkeit — bejėgiškumas statusas T sritis švietimas apibrėžtis Fizinės jėgos, mokėjimų, sugebėjimų trūkumo jutimas, veikimo beprasmiškumo išgyvenimas, atimantis pastangas toliau siekti, o kartais verčiantis atkakliai bandyti. atitikmenys: angl. helpnessless …   Enciklopedinis edukologijos žodynas

  • Hilflosigkeit — Hịlf|lo|sig|keit 〈f. 20; unz.〉 Zustand des Hilflosseins, Ratlosigkeit, Schutzlosigkeit * * * Hịlf|lo|sig|keit, die; : a) das Hilflossein; b) Unbeholfenheit, Ungeschicklichkeit. * * * Hịlf|lo|sig|keit, die; : a) das Hilflossein; b)… …   Universal-Lexikon

  • Hilflosigkeit — Hịlf|lo|sig|keit, die; …   Die deutsche Rechtschreibung

  • Gelernte Hilflosigkeit — Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und Tiere in Folge von Erfahrungen der Hilf oder Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie negative Zustände nicht mehr abstellen, obwohl sie es (von außen …   Deutsch Wikipedia

  • Erlernte Hilflosigkeit — bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und Tiere infolge von Erfahrungen der Hilf oder Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie als unangenehm erlebte Zustände nicht mehr abstellen, obwohl sie es (von außen… …   Deutsch Wikipedia

  • Süchtig - Protokoll einer Hilflosigkeit — Filmdaten Deutscher Titel: Süchtig – Protokoll einer Hilflosigkeit Originaltitel: Süchtig – Protokoll einer Hilflosigkeit Produktionsland: Deutschland Erscheinungsjahr: 1992–2004 Länge: 90 Minuten Originalsprache: Deutsch …   Deutsch Wikipedia

  • Süchtig – Protokoll einer Hilflosigkeit — Filmdaten Deutscher Titel: Süchtig – Protokoll einer Hilflosigkeit Originaltitel: Süchtig – Protokoll einer Hilflosigkeit Produktionsland: Deutschland Erscheinungsjahr: 1992–2004 Länge: 90 Minuten Originalsprache: Deutsch …   Deutsch Wikipedia

  • gelernte Hilflosigkeit — gelernte Hilflosigkeit,   Zustandsbild, das durch Passivität, Teilnahmslosigkeit, negativistische Erwartungen und psychosomatische Stresssymptome gekennzeichnet ist. Untersuchungen legen nahe, dass gelernte Hilflosigkeit nach der wiederholten… …   Universal-Lexikon

  • Learned Helplessness — Erlernte Hilflosigkeit bezeichnet das Phänomen, dass Menschen und Tiere in Folge von Erfahrungen der Hilf oder Machtlosigkeit ihr Verhaltensrepertoire dahingehend einengen, dass sie negative Zustände nicht mehr abstellen, obwohl sie es (von außen …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”