Hilberttransformation

Hilberttransformation
Ein in rot dargestellter Signalverlauf, der durch die Hilbert-Transformation aus dem blauen, rechteckigen Signal gewonnen wurde

Die Hilbert-Transformation ist in der Funktionalanalysis, einem Teilgebiet der Mathematik, eine lineare Integraltransformation. Sie ist nach David Hilbert benannt, welcher sie Anfang des 20. Jahrhunderts bei Arbeiten am Riemann–Hilbert-Problem für holomorphe Funktionen formulierte.

Sie wird im Bereich der Fourier-Transformation und der Fourieranalyse angewendet. Weitere Anwendungsgebiete liegen im Bereich der Signalverarbeitung wo sie dazu dient, aus einem reellen Signal ein analytisches Signal bzw. ein monogenes Signal zu bilden.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die Hilbert-Transformation ist bei reellen Variablen x bzw. y für reelle oder komplexe Funktionen f bzw. g definiert als:

g(y) = \mathcal{H}\left\{ {f\left( {y} \right)} \right\}  =  \frac{1}{\pi}\int_{-\infty}^\infty\frac{f(x)}{y-x}\mathrm{d}x

Dieses Integral stellt ein Faltungsintegral dar, womit sich die Hilbert-Transformation mit dem Faltungsoperator * auch in der Form:

g(y) = \mathcal{H}\left\{ {f\left( {y} \right)} \right\}  = f(y) \ast \frac{1}{\pi y}

schreiben lässt. Wie bei jeder Transformation existiert auch deren Umkehrung in Form der inversen Hilbert-Transformation welche gegeben ist durch:

\mathcal{H}^{-1}\left\{ {g\left( {y} \right)} \right\} = - \mathcal{H}\left\{ {g\left( {y} \right)} \right\} = 
f(y)

Eigenschaften

Einige wesentliche Eigenschaften der Hilbert-Transformation bei reellen Variable t und für reelle oder komplexe Funktionen x bzw. y sind:

Linearität
\mathcal{H} \left\{ a \cdot x(t) + b \cdot y(t) \right\} = a \cdot \mathcal{H} \left\{ x(t) \right\} + b \cdot \mathcal{H} \left\{ y(t) \right\}
Filterung
\mathcal{H} \left\{ x(t) \ast y(t) \right\} = \mathcal{H} \left\{ x(t)\right\} \ast y(t) = x(t) \ast \mathcal{H} \left\{ y(t) \right\}

Beziehung zur Fourier-Transformation

Insbesondere in der Nachrichtentechnik und deren Signalverarbeitung spielt der Bezug zur Fourier-Transformation eine wesentliche Rolle. Dabei wird meist zur Mathematik in der technischen Fachliteratur eine geringfügig abweichende Nomenklatur benutzt, in der die reelle Variable im Zeitbereich mit t und die über die Fourier-Transformation verknüpfte reelle Variable im Frequenzbereich mit f bezeichnet wird. Die Variable im Frequenzbereich wird auch als Kreisfrequenz ω mit dem Bezug ω = 2 π f eingeführt, wobei aus der Systemtheorie die Beziehung s = jω mit j als imaginäre Einheit übernommen ist.

Die Hilbert-Transformation einer Funktion g über der reellen Frequenz f entspricht dann der Faltungsoperation mit der Übertragungsfunktion h(f):

g'(f) = g(f) \ast h(f) = g(f) \ast \frac{1}{\pi f}

Die Faltungsoperation im Frequenzbereich entspricht die Multiplikation im Zeitbereich mit der Fourier-Transformierten der Übertragungsfunktion:

\mathcal{F}^{-1}\left\{ \frac{1}{\pi f} \right\} = \mathrm{j} \cdot \mathrm{sgn}(t)

bzw. analog die inverse Transformation:

\mathcal{F}\left\{ \frac{1}{\pi t} \right\} = - \mathrm{j} \cdot \mathrm{sgn}(\omega) = 
       e^{-\mathrm{j} \frac{\pi}{2} \mathrm{sgn}(\omega)}

jeweils mit sgn als Abkürzung für die Signum-Funktion. Die Hilbert-Transformation kann in diesem Zusammenhang als eine Phasenverschiebung um π/2 (+90°) für negative Frequenzen und um −π/2 (−90°) für positive Frequenzen innerhalb einer Bandbreite aufgefasst werden. Technisch realisiert wird dies als Näherung in Form von speziellen Allpassfilter welche auch als Hilbert-Transformatoren bezeichnet werden. Nachrichtentechnische Anwendungen liegen im Bereich von Modulationsverfahren wie der Einseitenbandmodulation. Da die Impulsantwort des idealen Hilbert-Transformators nicht kausal ist, lassen sich Hilbert-Transformatoren nur näherungsweise realisieren indem die Impulsantwort zeitlich begrenzt und verzögert wird.

Diskrete Hilbert-Transformation

Ein bandbegrenztes Signal g(t) limitiert auch die Hilbert Transformierte von g(t) auf die gleiche Bandbreite. Beträgt die Bandbegrenzung maximal die halbe Abtastfrequenz kann zufolge des Nyquist-Shannon-Abtasttheorems ohne Informationsverlust eine zeitdiskrete Folge g[k], mit k positiv und ganzzahlig, gebildet werden. Die diskrete Hilbert-Transformation ist dann gegeben als:

\mathcal{H} \left\{ g[k] \right\} = h[k] \ast g[k]

mit der Impulsantwort h[k] der zeitdiskreten Hilbert-Transformation:

h[k]= \frac{1 - \mathrm{cos}(\pi k)}{\pi k} =
\begin{cases}
0, & k \mbox{ gerade},\\
\frac2{\pi k} & k \mbox{ ungerade}
\end{cases}

Die zeitdiskrete Hilbert-Transformation ist nicht kausal – für praktische Implementierungen im Rahmen der digitalen Signalverarbeitung wo diese Form eine Rolle spielt, wird h[k] näherungsweise mittels einer endlichen Länge implementiert. Zu beachten ist, dass die zeitdiskrete Impulsantwort h[k] nicht der abgetasteten, kontinuierlichen Impulsantwort h(t) entspricht.

Kausalitätsbedingung

Für die Übertragungsfunktion G(jω) eines linearen zeitinvarianten Systems ist die Hilbert-Transformation notwendig und hinreichend um die Kausalität des Übertragungsystems zu gewährleisten:

\Re{(G(\mathrm{j}\omega))} =   \mathcal{H} \left\{ \Im{(G(\mathrm{j}\omega)} \right\}, \qquad
       \Im{(G(\mathrm{j}\omega))} = - \mathcal{H} \left\{ \Re{(G(\mathrm{j}\omega)} \right\}

Korrespondenzen

Einige wichtige Korrespondenzen der Hilbert-Transformation sind: (Hinweis: Die Voraussetzungen wie gültiger Wertebereich oder Definitionsbereich wurden der Übersicht wegen weggelassen)

Signal
x(t)\,
Hilbert Transformierte
\mathcal{H}\{x(t)\}
\sin(t)\, -\cos(t)\,
\cos(t)\, \sin(t)\,
1 \over t^2 + 1 t \over t^2 + 1
\sin(t) \over t
Sinc-Funktion
1 - \cos(t) \over t
\sqcap(t)
Rechteck-Funktion
{1 \over \pi} \ln \left | {t+{1 \over 2} \over t-{1 \over 2}} \right |
δ(t)
Dirac-Delta-Funktion
 {1 \over \pi t}
e^{-t^2}  - e^{-t^2} \mathrm{j} \cdot \mathrm{erf}( \mathrm{j} t)
Fehlerfunktion erf

Funktionalanalysis

Die Hilbert-Transformation hat als Operator zwischen Funktionenräumen einige Bedeutung. Es ist eine nicht triviale Tatsache, dass die Hilbert-Transformation einen beschränkten Operator \mathcal{H}: L^p(\mathbb{R}) \stackrel{\mathcal H}{\to} L^p(\mathbb{R}), für 1 < p < \infty definiert.

Die Hilbert-Transformation ist unitär und erfüllt die Gleichung \mathcal{H}^2 = - \mathbb{I}, wobei \mathbb{I} die identische Abbildung ist.

Die Hilbert-Transformation ist für \mathcal{H}: L^p(\mathbb{R}) \stackrel{\mathcal H}{\to} L^p(\mathbb{R}) für p\in (1,\infty ] nicht, allerdings für p\equiv 1\,, schwach beschränkt.

Beziehung zu den Kramers-Kronig-Relationen

Die Kramers-Kronig-Relationen der Physik erhält man mit der formalen Identität (siehe Distribution (Mathematik))

\frac{1}{x}=\lim\limits_{\epsilon \to 0}\frac{1}{x+i\epsilon}=\lim\limits_{\epsilon \to 0}\frac{x}{x^2+\epsilon^2}-i\lim\limits_{\epsilon \to 0}\,\frac{\epsilon}{x^2+\epsilon^2}\,,

wobei der erste Teil bei der Integration über x den Cauchy-Hauptwert CH von (1/x) und der zweite Teil das π-fache der δ-Funktion δ(x) ergibt.

Die Hilbert-Transformation findet dann Anwendung, wenn eine reelle Funktion von der reellen Achse \mathbb R zu einer im darüber liegenden Halbraum holomorphen komplexen Funktion fortgesetzt werden soll.

Literatur

  • Karl Dirk Kammeyer: MATLAB in der Nachrichtentechnik. J. Schlembach Fachverlag, 2001, ISBN 3-935340-05-2. 

Weblinks


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