Hieronymus Bock

Hieronymus Bock
Hieronymus Bock.
Zeichnung aus Bocks Kräuterbuch von David Kandel

Hieronymus Bock, genannt Tragus (griechisch τράγος = (Ziegen-)Bock) (* 1498 (Ort unsicher); † 21. Februar 1554 in Hornbach (Pfalz)), war ein deutscher Botaniker, Arzt und lutherischer Prediger. Sein offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „H.Bock“.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Über die Jugend von Hieronymus Bock ist außer dem Studium in Heidelberg, wo er sich 1519 immatrikulierte, wenig bekannt. Als Geburtsort kommen mehrere Orte in der Pfalz oder Nordbaden in Frage,[1] seine Eltern lebten mindestens zwischen 1519 und 1530 in Schifferstadt.[2] In typisch humanistischer Manier gräzisierte er seinen Familiennamen: τράγος = griechisch (Ziegen-) Bock.

1522 erhielt er eine Anstellung als Lehrer und Botaniker in Zweibrücken, der Residenz Herzog Ludwigs II., des Vaters von Herzog Wolfgang. Der führende theologische Kopf in Zweibrücken war zu jener Zeit Johann Schwebel, der spätere Reformator von Zweibrücken. Diese Begegnung prägte Bocks weiteren Lebensweg. Im März 1532 wurde Bock Leibarzt Ludwigs, konnte aber für den Fürsten, der wahrscheinlich an den Folgen schweren Alkoholmissbrauches litt, nichts mehr tun, dieser starb noch im Laufe des Jahres.

Bock erhielt 1533 als verheirateter Laie (!) eine Pfründe im Hornbacher Fabiansstift. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde diese Konstruktion gewählt, um den renommierten Wissenschaftler mit einer angemessenen Lebensgrundlage auszustatten und ihn in Zweibrücken halten zu können. Dem Reformdruck des Zweibrücker Hofes wurde von Seiten des Hornbacher Abtes Johann Kintheuser, der selbst im Konkubinat lebte und wohl im Laufe der 1530er Jahre diese Frau auch heiratete, wohl kaum etwas entgegengesetzt.

Bock nahm es mit seinen Pflichten als Stiftsherr nicht sehr ernst, und so kam es zum Streit mit den anderen Stiftsherren, der 1536 in einem für Bock günstigen Vergleich beigelegt wurde: Er musste zwar einen Teil der Stiftungseinlage nachzahlen, wurde aber von den Lehrverpflichtungen an der Schule befreit und musste auch am Chorgebet (Stundengebet) und den Kapitelsitzungen nur teilnehmen, wenn es seine ärztlichen Pflichten oder botanischen Studien erlaubten. 1536, oder spätestens 1538, war der Übergang von Kloster und Stift zur Reformation auch öffentlich vollzogen.

Die Konventualen verließen das Kloster oder heirateten, und Bock übernahm das Pfarramt der Gemeinde Hornbach: Auf der ersten offiziellen Synode der neuen „Landeskirche“ im Jahre 1539, auf der Schwebels „12 Artikel“ (die erste Kirchenordnung der Grafschaft von 1533) erweitert und von den anwesenden Pfarrern unterschrieben wurden, zeichnet Bock als Pfarrer von Hornbach. In gleicher Funktion wird er im Visitationsprotokoll von 1544 erwähnt: „Iheronimuß Bock, Pfarrer zu Hornbach, ist seiner lere und sonst nach aller notturfft befragt, hat der lere halben wol geantwort, vergleicht sich wol.“

Dennoch ist unbestritten, dass seine botanischen, medizinischen und pharmakologischen Studien den Schwerpunkt seiner Arbeit und seines Lebenswerkes ausmachen. Auf ausgedehnten Reisen, die ihn von den Ardennen bis in die Schweizer Alpen führten, versuchte er sich als einer der ersten Wissenschaftler seiner Zeit an einer umfassenden Aufnahme und Beschreibung der mitteleuropäischen (Heil-)Pflanzen. Das Ergebnis dieser Studien ist sein Hauptwerk, ein Kräuterbuch, zu dessen Veröffentlichung ihn der berühmteste Botaniker seiner Zeit, Otto Brunfels, drängte: Das Kreütter Buch von 1539 (näheres siehe unten unter Werke).

1548 brachte das Augsburger Interim einen großen Rückschlag für die Reformation, die evangelischen Fürsten und Reichsstädte gerieten nach dem verlorenen Schmalkaldischen Krieg in schwere Bedrängnis. An vielen Orten wurden die evangelischen Prediger entlassen; nicht überall gelang es, wie z. B. in Württemberg, sie mithilfe von Lehrerstellen unter der Hand im Lande zu halten.

In Pfalz-Zweibrücken wurde den Interimsbestimmungen besonders lange und listenreich entgegengearbeitet, eine offizielle Durchführung des Interims wurde hier so lange hinausgezögert, dass es gar nicht landesweit durchgeführt werden konnte. Sicher ist allerdings, dass die vier Klöster des Landes eine Art letztes Aufbäumen erlebten; in Hornbach etwa musste Abt Kintheuser, der mit Bock befreundet war, resignieren und dem strengen Katholiken Johann Bonn von Wachenheim weichen. Dieser sperrte Bock und den anderen lutherischen Stiftsherren die Einkünfte und forderte sie am 26. Januar 1550 ultimativ auf, entweder der lutherischen Lehre oder ihres Kanonikates zu entsagen. Somit war die Stellung Bocks unhaltbar geworden, auch Herzog Wolfgang konnte ihm nicht helfen.

Ende Juli 1550 finden wir ihn jedenfalls als Leibarzt Graf Philipps II. in Saarbrücken. Bock weilte nicht lange am Saarbrücker Hof, als wichtigstes Unternehmen wird aber auch hier die Anlage eines Kräutergartens überliefert. Von hier schrieb er an seine alte Gemeinde Hornbach einen langen und drängenden Brief (siehe unten unter Werke).

Schon 1552, also vermutlich unmittelbar nach dem Passauer Vertrag, der den Interimsbestimmungen ein Ende setzte, kehrte Bock nach Hornbach zurück – Abt Johann Bonn war mittlerweile gestorben, so dass Bock seine Tätigkeit als Prediger ungehindert fortsetzen konnte. Er starb in Hornbach am 21. Februar 1554 und wurde in der Stiftskirche St. Fabian beigesetzt.

Sein Epitaph ging verloren; die Grabinschrift lautete: Anno domini M.DLIV. XXI. Februarii Hieronymus Tragos animae corporisque quondam medicus et canonicus huius aedis in domino Jesu obdormivit, cuius anima in consortio beatorum quiescat. Amen. (Am 21. Februar im Jahre des Herrn 1554 entschliefen Seele und Körper von Hieronymus Bock, der Arzt und Stiftsherr dieses Hauses war, im Herrn Jesus; dessen Seele ruhe in der Gemeinschaft der Seligen. Amen.)

Werke

Das Kreütter Buch, Darinn Underscheidt, Namen vnnd Würckung der Kreutter, Stauden, Hecken vnnd Beumen, sampt jhren Früchten, so inn Deutschen Landen wachsen Durch H. Hieronymum Bock auss langwiriger vnd gewisser erfarung beschrieben, erschienen in erster Auflage in Straßburg 1539. Schon 1546 erfolgte eine zweite Auflage, diesmal mit zahlreichen Bildern des Illustrators David Kandel versehen, 1552 wurde das Werk sogar ins Lateinische übersetzt und erlebte bis weit ins 17. Jahrhundert hinein zahllose Neuauflagen und Nachdrucke.

Der große Erfolg des Werkes beruht auf den sorgsamen Beobachtungen und Beschreibungen Bocks sowie seiner langjährigen Erfahrung als Arzt. Seine Pflanzenbeschreibungen sind dabei weitaus genauer und zutreffender als die aller bisherigen Werke ähnlicher Art. Seine Systematisierungen allerdings leiden unter dem Versuch, die eigenen Erfahrungen und Beobachtungen mit den überlieferten wissenschaftlichen Werken der Antike in Einklang zu bringen – ein aussichtsloses Unterfangen: Seine Taxonomie bezog sich noch auf die vegetativen Merkmale der Pflanzen und nicht auf die Blüten.

In der lateinischen Fassung des Kräuterbuches wird zum ersten Mal die moderne Fassung der Riesling-Rebe beschrieben.

Weitere volksmedizinische Werke, die ganz bewusst in deutscher Sprache erscheinen, sind die Bader-Ordnung von 1550, eine Art Handbuch für den Badegast; und die Teutsche Speißkammer oder was gesunden und kranken Menschen zur Leibesnahrung gegeben werden soll von 1540: kein Kochbuch, sondern gewissermaßen der erste neuzeitliche Ernährungsratgeber.

Sein einziges theologisches Werk ist der (nur handschriftlich erhaltene) Sendbrief an die Gemeinde in Hornbach, in dem Bock seine ehemaligen Gemeindeglieder aus dem Saarbrücker Exil mahnt, fest an der einmal erkannten Wahrheit der lutherischen Lehre zu bleiben trotz aller Rekatholisierungsbemühungen des Abtes. Der Brief ist, im typischen Kontroversstil der Zeit gehalten, ein lebendiges Beispiel für das seelsorgerliche Bemühen Bocks. In einer an Martin Luther erinnernden Sprache, am paulinischen Briefstil geschult (und auch mit zahllosen in den Text eingeflossenen biblischen Wendungen) legt Bock vor allem die beiden reformatorischen Grundeinsichten des „solus Christus“ und des „sola fide“ aus gegen die von der lutherischen Theologie des 16. Jahrhunderts angeprangerten Missstände des vortridentinischen Katholizismus: Werkgerechtigkeit, Heiligen- und Messwesen. Der dritte Grundpfeiler der lutherischen Lehre, das „sola scriptura“, wird von Bock zwar ebenfalls kurz angeführt, aber nicht im vergleichbaren Maße erörtert.

Ehrentaxa

Charles Plumier benannte ihm zu Ehren die Gattung Tragia[3] der Pflanzenfamilie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae). Carl von Linné übernahm später diesen Namen.[4][5]

Auch die Gattung Tragus Haller aus der Pflanzenfamilie der Süßgräser (Poaceae) ist nach ihm benannt.

Schriften

Literatur

  • Adolf Engler: Bock, Hieronymus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 2, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 766.
  • Hermann Ziegenspeck: Bock (Tragus), Hieronymus. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 2, Duncker & Humblot, Berlin 1955, S. 343.
  • Thomas Bergholz: BOCK, Hieronymus. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 25, Nordhausen 2005, ISBN 3-88309-332-7, Sp. 81–86.
  • Thomas Bergholz: „Daß ich nichts als allein die heilige göttliche Schrift hab vorgetragen“ – Der Sendbrief des Hieronymus Bock an die Gemeinde in Hornbach und die Stellung der Saarbrücker Grafen zur Reformation. In: Monatshefte für evgl. Kirchengeschichte des Rheinlandes. Band 54, 2005.
  • Stefan Flesch: Die monastische Schriftkultur der Saargegend im Mittelalter. VKSLV 20, Saarbrücken 1991.
  • Fritz Krafft (Hrsg.): Vorstoß ins Unerkannte. Lexikon großer Naturwissenschaftler. Weinheim, New York 1999, S. 57 f.
  • Johann Mayerhofer: Beiträge zur Lebensgeschichte des Hieronymus Bock genannt Tragus. In: Historisches Jahrbuch. Band 17, 1896.
  • F. W. E. Roth: Hieronymus Bock, genannt Tragus. Prediger, Arzt und Botaniker 1498 bis 1554, nach seinem Leben und Wirken dargestellt. In: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz, Band 23, 1899, S. 25–74.
  • Gerhard Staat: Der berühmteste badisch-pfälzische Botaniker, Hieronymus Bock. In: Jahrbuch des Landkreises Kaiserslautern. Band 6, 1968, S. 155–119.

Einzelnachweise

  1. Laut der ältesten Biographie Bocks (im Vorwort des Nachdruckes seines Kräuterbuches von 1580) „Heidesbach“ – einen solchen Ort gibt es nicht. Vermutet werden deshalb in der Forschung u.a. Heidersbach (heute Ortsteil von Limbach/Odenwald) lt. Encyclopedia Britannica, Queidersbach von G. Staat und Heidelsheim (bei Bruchsal) vom Rest der Forschung.
  2. Denn der Immatrikulationseintrag 1519 lautet (übersetzt): „H. Bock aus Schifferstadt“.
  3. Charles Plumier: Nova Plantarum Americanarum Genera. Leiden 1703, S. 14
  4. Carl von Linné: Critica Botanica. Leiden 1737, S. 94
  5. Carl von Linné: Genera Plantarum. Leiden 1742, S. 448

Weblinks

 Commons: Hieronymus Bock – Album mit Bildern und/oder Videos und Audiodateien

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