Hiberno-Englisch

Hiberno-Englisch

Als Hiberno-Englisch oder irisches Englisch (seltener, und fälschlicherweise, „anglo-irisch“) werden zusammenfassend die regionalen Varianten der englischen Sprache bezeichnet, die auf der irischen Insel gesprochen werden.

Man muss diesen Begriff jedoch vom Begriff „Anglo-Irisch“ unterscheiden, der im Bereich der Literaturwissenschaft verwendet wird.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Geschichte

Das Englische wurde in Irland in zwei Hauptphasen eingeführt. Zum ersten Mal wurde es ab dem späten 12. Jahrhundert von denjenigen Soldaten und später auch Siedlern mitgebracht, die sich der englischen (und nicht der normannischen oder walisischen Sprache) bedienten. Die daraus entstandenen Dialekte basieren aus zeitlichen Gründen auf dem Mittelenglischen, vor allem weil der Kontakt nach England auf Dauer recht spärlich blieb. Da sich die Kulturpolitik der Anglo-Normannen bzw. Engländer zu dieser Zeit jedoch von geringen Erfolgen gekrönt sah – die meisten neuen Siedler übernahmen nicht nur die einheimischen Sitten, sondern auch die irische Sprache – blieb diese Variante des Englischen auf einige Gebiete entlang der Ostküste Irlands beschränkt. Bis ins 18. bzw. sogar 19. Jahrhundert überlebten zwei dieser altertümlichen Dialekte: in einem kleinen Gebiet nördlich von Dublin sowie in der Region Forth and Bargy in der Grafschaft Wexford.

Die aus heutiger Sicht weit bedeutendere Phase der Einführung des Englischen in Irland begann im 16. Jahrhundert mit den so genannten Plantations. Diese führten zu einer dauerhaften Ansiedlung englischsprechender Familien in einem Großteil des Landes. Da es sich um neue Siedler handelte, sprachen diese das zeitgenössische Frühneuenglisch und nicht, wie die früheren Siedler gleicher Herkunft, lokale Varianten des Mittelenglischen. Als Abgrenzung werden letztere daher in den Quellen wie in der Forschung häufig als Old(e) English bezeichnet. Auf dieses Frühneuenglische gehen letztlich alle heutigen Varianten des Hiberno-Englischen, mit Ausnahme des Ulster Scots, zurück. Regional unterschiedlich ist jedoch der spätere Einfluss anderer britischer Dialekte. Insbesondere im Nordosten waren durch die Ansiedlung nordenglischer und schottischer Familien die nordenglischen und schottischen Dialekte von großem Einfluss. Einige Forscher unterscheiden daher – neben dem Ulster Scots – sogar zwei grundsätzlich getrennte Dialekte des Hiberno-Englischen, die südliche Variante, die aus dem Südenglischen des 16. Jahrhunderts entstand, und die nördliche Variante, die aus dem Nordenglischen des 17. Jahrhunderts entstand. Die tatsächliche Entwicklung mag in der Mitte liegen, d. h., die nördlichen Dialekte speisen sich aus beiden Quellen.

Die zweite bedeutende Einflussquelle ist das Irische, das im Allgemeinen als Substrat des Hiberno-Englischen angesehen wird. Das konkrete Ausmaß des Einflusses ist jedoch umstritten, da es trotz der relativ guten Quellenlage für das Frühneuenglische häufig schwierig zu bestimmen ist, ob eine bestimmte grammatische Konstruktion oder Phrase aus dem älteren Englisch stammt oder aber eine entsprechende Bildung im Irischen nachahmt. Dennoch kann die Herkunft einiger Merkmale der Syntax, der Phonetik und des Wortschatzes aus dem Irischen zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Aussprache

Hiberno-Englisch behält viele phonemische Unterschiede, die in anderen englischen Dialekten verschwunden sind.

  • 'r' ähnelt sehr der Aussprache im amerikanischen Englisch und wird immer ausgesprochen, egal wo es im Wort vorkommt, was Hiberno-Englisch zu einem rhotischen Dialekt macht. Ein Ausnahme dieser Regel ist in Drogheda, aber auch in ein paar andere kleinere Städte an der Ostseite der Insel.
  • das 'th' ist immer stimmlos und wird häufig wie ein aspiriertes „T“ gesprochen. So klingt „this thing“ ungefähr wie „dis ting“
  • die Unterscheidung zwischen w [w] und wh [hw] wie bei wine und whine bleibt erhalten.
  • d/t am Silbenende wird vielerorts durch [ʃ] ersetzt: [iʃ] für it, [graʊnʃ] für ground.

Veränderte Personalpronomen im Nominativ und Akkusativ

  • Anstatt der zweiten Person Plural „you“ (als Subjekt) wird oft „yis“ verwendet (auch in der geschriebenen Sprache); also anstatt „Are you proud of it?“ „Are yis proud of it?“.
  • Anstatt der zweiten Person „you“ (als Objekt) wird oft „ye“ verwendet (auch in der geschriebenen Sprache); also anstatt „God bless you“ „God bless ye“.

Doppelte Apostrophierung

Auch typisch für sowohl die gesprochene als auch die geschriebene Sprache ist die doppelte Apostrophierung; anstatt „I would have done it“ hört man „I'd've done it“ oder anstatt „I will have done this by tomorrow“ „I'll've done this by tomorrow“.

Semantik

Oft ist die gesprochene Sprache eine Mischung aus Englisch mit gälischen Ausdrücken im Satz.
„Henno was looking down at the roll-book, writing real slowly. Kevin clicked his fingers.
- Sea?* said Henno.
He didn't look up.
Kevin spoke.“ [1]

  • "Sea" hier für das englische "yes". Im Irischen existiert kein Wort für "ja" (dt.). Stattdessen sagt man "it is" (engl.) ("is ea" (irish) → "sea") u.ä.

Auch werden andere Redewendungen und Formulierungen verwendet.

  • Die Gerundium-Formen des Verbs werden oft nicht benutzt. Anstatt „I go shopping“ heißt es also beispielsweise „I go to the shops“. Anstatt des Satzes „I go swimming“ ist eher die Formulierung „I go for a swim“ gebräuchlich.
  • Anstatt mit der Verneinung haven't got/hasn't got wird das Nicht-haben/Nicht-besitzen oft mit der Verneinung des simple present ausgedrückt, also „I don't have a car“ anstatt „I haven't got a car“ usw. Die haven't got/hasn't got-Formen sind sowohl in der gesprochenen als auch der geschriebenen Sprache eher unüblich.
  • Anstatt des Adjektivs "great" (in der Bedeutung von "wundervoll", "großartig") wird fast ausschließlich das Wort "grand" verwendet. „Es geht mir gut“ heißt in Irland „I'm grand“.
  • Anstatt des Substantivs "thing" ist im gesamten hiberno-englischen Sprachraum das Wort "yoke" gebräuchlich.

Literatur

  • Patrick Weston Joyce: English as We Speak It in Ireland. M. H. Gill & Son u. a., Dublin u. a. 1910.
  • Alan Bliss: Spoken English in Ireland, 1600–1740. Twenty-seven Representative Texts. Dolmen Press u. a. Dublin 1979, ISBN 0-391-01119-7 (Dolmen Texts 5).
  • T. W. Dolan, Diarmaid Ó Muirithe: The Dialect of Forth and Bargy, Co. Wexford, Ireland. Four Courts Press, Dublin 1996, ISBN 1-85182-200-3.
  • Hildegard L. C. Tristram (Hrsg.): The Celtic Englishes. 4 Bände. Universitätsverlag C. Winter u. a., Heidelberg u. a. 1997–2006.
  • Terence Patrick Dolan, Tom Paulin (Hrsg.): A Dictionary of Hiberno-English. The Irish Use of English. Gill & Macmillan, Dublin 1999, ISBN 0-7171-2942-X.
  • Markku Filppula: The Grammar of Irish English. Language in Hibernian Style. Routledge, London u. a. 1999, ISBN 0-415-14524-4 (Routledge Studies in Germanic Linguistics 5).

Quellen

  1. Roddy Doyle: Paddy Clarke, Ha, Ha, Ha. Secker & Warburg, London 1993, ISBN 0-436-20135-6, S. 180.

Weblinks


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