Herzogtum

Herzogtum

Herzogtum, lat. ducatus, ist der stammesbezogene bzw. territoriale Amts- und Herrschaftsbereich eines Herzogs.

Inhaltsverzeichnis

Herzogtümer in fränkischer Zeit

Stammesherzogtümer

Im Frühmittelalter bildeten die Merowinger das fränkische Reich und vergrößerten es durch Eroberungen gallischer und germanischer Gebiete. Diese Eroberungen wurden dem fränkischen Stammesgebiet teils direkt einverleibt, teils aber auch unter der Führung von Herzögen dem fränkischen Königreich in mehr oder weniger loser Abhängigkeit angegliedert. Welche Form der Herrschaftsausübung gewählt wurde und wie unabhängig die Herzöge agieren konnten, hing von der Stärke des unterworfenen Volkes, von seiner Entfernung vom Zentrum fränkischer Königsmacht und von der Stärke und Einheit der merowingischen Zentralgewalt ab. Man kann sagen, dass immer dann, wenn die fränkischen Könige den Eindruck hatten, ihre Macht reiche nicht aus, um ein Gebiet direkt beherrschen zu können, sie auf die Einsetzung von ihnen verpflichteten Herzögen zurückgriffen, die bessere Herrschaftsmöglichkeiten aufwiesen, da sie näher am Ort der Herrschaft tätig waren. Spätestens als in den Zeiten der Schwächung der Zentralgewalt durch die merowingischen Erbteilungen und Bruderkriege die Teilreiche Neustrien, Austrasien, Aquitanien und Burgund entstanden, gewannen die im germanischen Siedlungsraum entstandenen Stammesherzogtümer der Alemannen, Baiern und Ostfranken-Thüringer ein immer höheres Maß an Unabhängigkeit (siehe dazu auch Deutsche Stämme). Anfangs wurden wohl eher enge fränkische Gefolgsleute der Merowinger zu Herzögen ernannt, um sowohl die neu unterworfene Bevölkerung direkter beherrschen zu können als auch die Loyalität der Herzöge zu sichern. Oft vermählten sich diese dann aber zur besseren Legitimierung ihrer Herrschaft mit Töchtern einheimischer Adliger, deren Heiratsgut auch ihre Verwurzelung im Stammesgebiet vergrößerte. Andererseits konnte die Herkunft des vom König eingesetzten Herzogs auch wirklich aus dem Stamm sein, wenn der König den Eindruck hatte, dies diene der Festigung seiner Herrschaft. Spätestens nach einigen Generationen wurden die Stammesherzöge als Angehörige ihrer Stämme angesehen, selbst wenn ihre Väter ursprünglich fränkischer Herkunft gewesen sein mochten.

Dabei erreichten diese Herzöge anfangs noch nicht unbedingt eine Beherrschung des gesamten von einem Stamm bewohnte Gebiet. So ist bis heute eher unwahrscheinlich, dass die Herzöge der Alemannen zur Merowingerzeit das gesamte Siedlungsgebiet dieses Stammes beherrschten. In den Quellen wird z.B. ein alemannischer Herzog gleichzeitig mit einem Herzog des Elsass genannt. Ebenso unklar ist der Herrschaftsbereich des ostfränkisch-thüringischen Herzogs, und ob einer den Gesamtbereich beherrscht oder ob es mehrere Herzöge für Teilgebiete gegeben hat.

Eine ähnliche Entwicklung ist für die Randgebiete im gallischen Raum, in denen der königliche Einfluss geringer war, festzustellen, in denen sich ebenfalls Herzogtümer wie Aquitanien, Bretagne und Burgund bilden.

Eine andere Erklärung für die Bildung der Herzogtümer ist, dass einflussreiche Adlige im jeweiligen Stammesgebiet versuchten, zu Vertretern der Frankenkönige aufzusteigen. Inwiefern dies gelang, war davon abhängig, ob sich der Adel der Stammesgebiete den Herzögen anschloss.

Unter den Karolingern wurden diese Stammesherzogtümer aufgelöst, sie entstanden aber in den Zeiten der Auflösung der karolingischen Macht ab Ende des 9. Jahrhunderts wieder neu.

Amtsherzogtümer

Unter den Karolingern wurden die Stammesherzogtümer im Frankenreich für historisch kurze Zeit aufgehoben. In der Endzeit der Karolinger wurden sie durch vom König relativ unabhängige Amtsherzogtümer ersetzt. Kaiser Otto der Große unternahm im 10. Jahrhundert den Versuch, die deutschen Stammesherzogtümer in abhängige Verwaltungsbereiche seines Reiches umzuwandeln. In harten Kämpfen war er dabei kurzfristig erfolgreich. Letztendlich erwarben die Herzogtümer ihre Unabhängigkeit jedoch wieder zurück.

Herzogtümer im Heiligen Römischen Reich

Stammesherzogtümer

In der letzten Zeit der Karolingerherrschaft (s. oben) bildeten sich im Ostfränkischen Reich die alten Stammesherzogtümer neu. Anfangs gelang es zuerst einheimischen Adligen in umkämpften Grenzgebieten, wieder den Herzogstitel zu tragen, ohne dass hiermit schon eine fest regulierte Herrschaft über ein genau umgrenztes Gebiet gemeint war. So titulierte man in Sachsen zuerst Ekbert, ab den 860er Jahren Liudolf als Herzog, ohne dass hiermit eine Herrschaft über das gesamte Stammesgebiet der Sachsen ausgedrückt worden wäre. In der Endzeit der Karolinger gelang es diesem bzw. seinen Nachkommen, den Liudolfingern (später meist "Ottonen" genannt), als Herzog für das gesamte Stammesgebiet der Sachsen anerkannt zu werden. Ähnlich früh gewannen die Luitpoldinger in Bayern die herzogliche Macht. 907 gelang es den Konradinern in Franken gegen den Widerstand der älteren Babenberger die herzogliche Gewalt zu erlangen. In Schwaben war die Situation noch nicht entschieden. 911 war die Macht der Stammesherzöge schon so groß, dass sie einen eigenen König für das Ostfrankenreich unter Verletzung des Geblütsrechts des westfränkischen Karolingers wählten. Auch die 919 durch Wahl ins Königamt gelangte sächsische Herzogsdynastie der Liudolfinger musste diese Herzöge anerkennen. Immerhin gelang es ihr in harten Kämpfen, die Bestätigung der Herzogswürde als vom König verliehenes Amt durchzusetzen. Der Vorteil für die Stammesherzöge war die doppelte Absicherung, durch die adlige Gefolgschaft von "unten" und durch das vom König verliehene Amt von "oben". Inwiefern sie sich aber in den Territorien insbesondere den Grafen gegenüber durchsetzen konnten, war immer davon abhängig, wie sehr sie selbst mit eigenen Grafschaften und anderen Besitztümern im jeweiligen Herzogtum präsent waren. Auch darf man sich diese Herzogtümer nicht als fest umgrenzte Gebiete vorstellen, in denen die Herzöge genau umschriebene Rechte über den einheimischen Adel und die übrige Bevölkerung ausübten. Die Intensität der Herrschaft war stattdessen abhängig von den Besitztümern, Lehen und Rechten, die der jeweilige Herzog in seinem Herzogtum besaß, aber auch von seinem Ansehen, dem Ansehen des jeweiligen Königs und der Macht seiner gräflichen Vasallen. Bis ins 11. Jahrhundert wurden die Stammesherzogtümer mehr oder weniger abhängig von der königlichen Zentralgewalt geführt, indem oft stammesfremde Herren als Herzöge eingesetzt worden waren, und dienten den konkurrierenden Fürsten als Machtbasis im Kampf um das Königtum. Danach bildeten sich in einem Prozess der Herrschaftsintensivierung aus den alten Stammesherzogtümern meist erbliche Territorialherzogtümer auf Grundlage der jeweiligen Besitztümer der Herzogsdynastien unter Verzicht auf die Besitztümer, welche die Herzöge nicht mehr unter ihre Gewalt bringen konnten.

Stammesherzogtümer im Ostfrankenreich um das Jahr 919

Diese alten Stammesherzogtümer erloschen in den nächsten Jahrhunderten nach und nach, zerfielen oder wurden aufgeteilt. Das Stammesherzogtum in Franken erlosch bereits 936. Das Lothringische Stammesherzogtum wurde 959 in ein oberlothringisches und ein niederlothringisches Gebiet geteilt. Nur für Oberlothringen erhielt sich danach der Name Herzogtum Lothringen. Aus Niederlothringen wurde im Rahmen konkurrierender Verleihungen des Titels zu Beginn des 12. Jahrhunderts die Herzogtümer Löwen bzw. Brabant und Limburg.

Vom bairischen Herzogtum wurde schon 976 in Rahmen der Aufstände gegen Kaiser Otto II. das Herzogtum Kärnten abgetrennt.

Während des Investiturstreits wurde auch das Herzogtum Schwaben zwischen den kaisertreuen Staufern und den papsttreuen Zähringern, die in der einheimischen Vassallenschicht den größeren Rückhalt aufweisen konnten, zwischen 1079 und 1098 aufgeteilt. Die Staufer behielten den Titel eines Herzogs von Schwaben (weshalb auf heutigen historischen Karten meist das ganze ehemalige schwäbische Stammesgebiet als ihr Herzogtum dargestellt wird), während das Gebiet der Zähringer und der ihnen anhängenden Adelsgeschlechter Herzogtum Zähringen genannt wurde. Beide hielten Landtage ab, die auch teilweise von demselben gräflichen und edelherrlichen Geschlechtern besucht wurden, wodurch deutlich wird, dass 1098 keineswegs die Grenzen zwischen den beiden Herzogtümern eindeutig festgelegt worden war.

Im Zuge des Konfliktes zwischen den Staufern und den Welfen im 12. Jahrhundert wurde zuerst das Herzogtum Baiern 1156 weiter aufgeteilt, indem die bisherige Markgrafschaft Österreich als eigenes Herzogtum abgetrennt wurde. Das Herrschaftsgebiet der Bischöfe von Würzburg wurde 1168 als Herzogtum Franken eingerichtet, damit auch für dieses Gebiet eine herzogliche Zwischengewalt bestand.

Durch den Konflikt zwischen Heinrich dem Löwen mit dem staufischen Kaiser Friedrich Barbarossa wurden 1180 ersterem die Herzogtümer Sachsen und Bayern entzogen und zerschlagen. Bayern verlor die Oberhoheit über die Steiermark, deren bisherige Markgrafen nach dem Vorbild der Babenberger aus dem Jahr 1156 1180 eigenständige Herzöge wurden. Das restliche Gebiet wurde den Wittelsbachern als Herzogtum Baiern verliehen, denen es danach gelang, die meisten Grafen ihrer herzoglichen Gewalt zu unterwerfen. Ausgenommen hiervon war anfangs v. a. das Gebiet der Andechser, die 1180 zu Herzögen von Meranien erhoben wurden, wozu neben Territorien im heutigen Kroatien und Istrien v. a. ihre Lehen und Allode innerhalb des baierischen Herzogtums gehörten. Nach ihrem Aussterben gelang es den Wittelsbachern jedoch, zumindest ihre Besitztümer innerhalb des alten baierischen Herzogtums auch ihrer Gewalt zu unterwerfen.

Sachsen wurde bei der Entmachtung Heinrich des Löwen 1180 im Wesentlichen in drei Teile geteilt. Der westliche Teil wurde als Herzogtum Westfalen den Kölner Erzbischöfen unterstellt, der östliche mit der Herzogswürde von Sachsen an die Askanier vergeben. Das große mittlere Gebiet um Braunschweig und Lüneburg verblieb als allodialer Besitz den Welfen. Nachdem es in der Folgezeit den Askaniern nicht gelang, diesen Raum ihrer herzoglichen Gewalt zu unterwerfen, und auch um einen Ausgleich mit den Welfen herbeizuführen, erwarb Kaiser Friedrich II. 1235 diese Territorien durch Kauf, um sie danach als Reichslehen den Welfen als eigenständiges Herzogtum Braunschweig-Lüneburg übertragen zu können.

Nachdem die herzogliche Linie der Zähringer 1218 ausgestorben war, konnten die Staufer viele von deren Reichslehen einziehen und waren bis ca. 1245 im schwäbischen Raum de facto konkurrenzlos in der Ausübung herzoglicher Rechte. Allerdings war seit 1198 durch die häufige Personalunion des Herzogs von Schwaben mit dem deutschen König schon in staufischer Zeit eine gemeinsame Verwaltung durch königliche Ministeriale entstanden, auf die sich die späteren deutschen Könige Alfons von Kastilien und Richard von Cornwall beriefen, indem sie erklärten, dass das Herzogtum Schwaben dem Reich inkorporiert und damit aufgelöst sei. Mit Unterstützung seines Großvaters Otto II., des Herzogs von Baiern, wurde zwar versucht, für Konradin, den letzten Staufer, ein eigenständiges Herzogtum Schwaben zu etablieren. Aber schon damals rebellierten viele der schwäbischen Großen gegen diesen letzten Versuch, sie einer herzoglichen Zwischengewalt zu unterwerfen. Nach Konradins gescheitertem Italienzug zerfiel Schwaben als Letztes der alten Stammesherzogtümer in viele kleinere Gebiete. König Rudolf von Habsburg unternahm einen letzten Versuch, Schwaben als Herzogtum einem seiner Söhne zu verleihen. Durch den Widerstand u. a. der Grafen von Württemberg scheiterte dieser Versuch, und aus dem alten Herzogtum Schwaben entstanden die Reichslandvogteien Schwaben, in denen u. a. der frühere welfische Besitz in Oberschwaben verwaltungsmäßig zusammengefasst wurde.

Territorialherzogtümer

Im 12. Jahrhundert begann unter Friedrich Barbarossa die Errichtung neuer, teils räumlich zerrissener Territorialherzogtümer. Dieser Prozess fand sowohl mit seiner Unterstützung, aber auch teilweise unabhängig von ihm statt. Dabei wurde auch auf Einfluss- und Hoheitsgebiete alter Stammesherzogtümer zurückgegriffen und der Erosionsprozess der Stammesbezogenheit beschleunigt. So entstanden im 12. Jahrhundert die Territorial- bzw. Titularherzogtümer Ravensburg, Rothenburg, Teck, Steiermark, Meranien, Franken/Würzburg, Limburg, Brabant. Dieser Prozess führte im 13. Jahrhundert unter Kaiser Friedrich II. zur völligen Territorialisierung des Heiligen Römischen Reichs. An die Stelle der Stammesherzogtümer waren mehr oder weniger bedeutende Territorialherzogtümer und Titularherzogtümer getreten, die in der Folge auch noch teilbar waren.

Territorial- und Titular-Herzogtümer des Heiligen Römischen Reichs

  • Anhaltische Herzogtümer:
als Nachfolger des Stammesherzogtums Sachsen:
Albertinische Herzogtümer
Ernestinische Herzogtümer

Herzogtümer im Deutschen Bund und im Deutschen Reich

Nach dem Wiener Kongress bildete sich der neue Deutsche Bund als Zusammenschluss souveräner Staaten. Einige davon wurden als Herzogtümer regiert. 1866 löste sich der Bund auf, 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet, das bis zum Ende des Ersten Weltkrieges Bestand hatte.

Literatur

  • Matthias Becher: Rex, Dux und Gens: Untersuchungen zur Entstehung des sächsischen Herzogtums im 9. und 10. Jahrhundert, Husum 1996, ISBN 3-7868-1444-9.
  • Hans-Werner Goetz: "Dux" und "Ducatus". Begriffs- und verfassungsgeschichtliche Untersuchungen zur Entstehung des sogenannten "jüngeren" Stammesherzogtums, Bochum 1977, ISBN 3-921543-66-5.
  • Hans-Werner Goetz: Herzog, Herzogtum. In: Lexikon des Mittelalters, Bd. 5 (1989) Sp. 2189–2193.
  • Herfried Stingl: Die Entstehung der deutschen Stammesherzogtümer am Anfang des 10. Jahrhunderts, Aaalen 1974, ISBN 3-511-02839-6.

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