Herz-Lungen-Maschine

Herz-Lungen-Maschine
Herz-Lungen-Maschine im OP

Die Herz-Lungen-Maschine (HLM) ist ein medizintechnisches Gerät, das die Pumpfunktion des Herzens sowie die Lungenfunktion für einen beschränkten Zeitraum ersetzen kann. Das Blut verlässt dabei den Körper über ein Schlauchsystem, wird mit Sauerstoff angereichert, und wieder zurückgeführt (extrakorporale Zirkulation). Die HLM ist nicht mit der eisernen Lunge zu verwechseln, die lediglich die Atemfunktion unterstützt.

Die häufigste Anwendung findet die Herz-Lungen-Maschine in der Herzchirurgie. In der Notfall- und Intensivmedizin kommen kleinere, spezialisierte Systeme als so genannte Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zum Einsatz.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ärzte an der Herz-Lungen-Maschine während einer Operation in der Herzklinik Bad Berka 1986

Zentrale Bedeutung für die extrakorporale Zirkulation durch die Herz-Lungen-Maschine hat die Entdeckung des Heparins durch Jay McLean im Jahre 1916. Heparin verhindert die Blutgerinnung, was eine elementare Voraussetzung zum Betrieb einer Herz-Lungen-Maschine darstellt.

Noch immer sind heutige Herz-Lungen-Maschinen mit Rollenpumpen für den Bluttransport ausgestattet, deren Erfindung bis ins Jahr 1934 zurückreicht.

Auch die Entdeckung der Sauerstoffanreicherung des Blutes geht auf eine Beobachtung aus dem Jahr 1944 zurück, als bei der Durchführung einer Hämodialyse beobachtet wurde, dass das zum Patienten zurückfließende Blut die Farbe änderte.

Im Experiment gelang dem Amerikaner John Gibbon 1937 die erste erfolgreiche extrakorporale Zirkulation. Aber erst nach langer Vorarbeit wandte er sie am 6. Mai 1953 praktisch an. Er operierte eine 18-jährige Frau mit Vorhofseptumdefekt, wobei die Patientin 45 Minuten lang an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen war. Die Herz-Lungen Maschine wurde dann unter anderem von Viking Olof Bjork in Schweden und anderen weiter entwickelt. In den USA betrieb insbesondere John Webster Kirklin an der Mayo Clinic die Weiterentwicklung und setzte sie 1955 für Operationen am offenen Herzen ein.

Da die damals verwendeten Oxygenatoren bei weitem nicht die Leistung heutiger Produkte erreichten, war die 1954 eingeführte Blutstromkühlung (Hypothermie) mit der damit einhergehenden Verminderung des Sauerstoffverbrauchs von großer Bedeutung, um Patienten auch längere Zeit mit einer Herz-Lungen-Maschine am Leben erhalten zu können.

Um 1955 gelang dann die Konstruktion eines Oxygenators, der Blut mit Hilfe von Gasblasen mit Sauerstoff anreicherte, ohne dass die befürchtete Gefahr von Luftembolien zum Tragen kam. 1956 kam erstmals der noch heute verwendete Typ eines Membranoxygenators zum Einsatz. Es sollte aber noch 13 Jahre dauern, bis er die Marktreife erlangte.

Die erste Herzoperation unter Anwendung der Herz-Lungen-Maschine in Deutschland fand am 18. Februar 1958 am Marburger Universitätsklinikum statt und wurde von dem bedeutenden Herzchirurgen Rudolf Zenker durchgeführt. Operiert wurde eine 29-jährige Patientin mit Ventrikelseptumdefekt.

Funktionen

Pumpfunktion

Das Herz pumpt das Blut in pulsierender Bewegung durch die Blutgefäße. Um den oft stark wechselnden Belastungen des Organismus gerecht zu werden, wird das gepumpte Volumen (Herzzeitvolumen) ständig angepasst. Die Regulationsbreite eines Erwachsenen geht dabei von ca. 5 l/min in Ruhe bis ca. 25 l/min unter stärkster Belastung.

Für den extrakorporalen Kreislauf werden noch heute vorzugsweise Rollenpumpen verwendet. Hierbei wird ein in einem halbkreisförmigen Käfig liegender Kunststoffschlauch von zwei gegenüberliegenden Andruckrollen des mittig rotierenden Pumpenkopfes ausgedrückt. Die alternative Verwendung von Zentrifugalpumpen ist technisch schwieriger und aufwändiger. Finger- oder Axialpumpen im okkludierenden Betrieb zeigen eine deutlich höhere Hämolyse als Rollenpumpen. Die technischen Ansprüche ergeben sich aus den oben beschriebenen Regulationsmöglichkeiten, den Anschlussmöglichkeiten an den Blutkreislauf und den Sicherheitsanforderungen. Die Pumpen sind sowohl für den kontinuierlichen als auch den pulsatilen Betrieb ausgelegt. Die regelbaren Förderraten liegen zwischen 0,01 l/min bis 10 l/min. Eine hohe Präzision des Pumpenkopfes sorgt für möglichst geringe Blutschädigung (bei Rollenpumpen ist die Hämolyserate abhängig vom Anpressdruck der Pumpe). Eine elektronische Steuerung verhindert die unkontrollierte Drehzahländerung des Pumpenkopfes zuverlässig.

Lungenfunktion

Zentrale Aufgabe der Lunge ist der Gasaustausch von Sauerstoff und Kohlendioxid. In der Lunge finden sich hierfür optimale Bedingungen. Die Diffusion von Sauerstoff und Kohlendioxid erfolgt über eine sehr große Fläche von bis zu 200 m2, bei geringer Blutfilmdicke und ausreichend langer Kontaktzeit.

Die heute zur Verfügung stehenden Geräte zur Sauerstoffsättigung des Blutes (Oxygenatoren) kann man in zwei Klassen einteilen:

  • Blasenoxygenator – Gas in direktem Kontakt zum Blut
  • Membranoxygenator – Gas und Blut getrennt

Der Blasenoxygenator kommt heute in Deutschland kaum mehr zur Anwendung. Aber auch dem heute gebräuchlichen Membranoxygenator gelingt die Nachahmung der menschlichen Lunge nur unvollkommen. Die Blutschicht ist erheblich dicker und es steht eine nur ca. 2 bis 10 m2 große Diffusionsfläche zur Verfügung. Neben dem Gasaustausch übernehmen heutige Produkte oft noch die Funktion des Wärmeübertragers, so dass sich das Blut kühlen oder erwärmen lässt.

Filterfunktion

Seit Anwendung der Herz-Lungen-Maschine sind Mikroembolien als Problem bekannt. Dem versucht man durch die Verwendung von Blutfiltern entgegenzuwirken. Die Ursachen der Mikroembolien können Fibringerinnsel sein, auch Plastikpartikel die von Schlauchoberflächen abgerieben werden oder z. B. aus dem Oxygenator stammen. Eine weitere bedeutsame Funktion des Blutfilters ist das bauartbedingte Sammeln und Zurückhalten von Gasbläschen.

Außerdem kann eine Hämofiltration oder eine modifizierte Ultrafiltration durchgeführt werden, um Wasser oder harnpflichtige Substanzen bei Niereninsuffizienz oder Nierenversagen zu entziehen.

Durch Wasserentzug steigen Hämatokrit und Hämoglobinwert an. Zusätzlich steigt der kolloidosmotische Druck. Dadurch kommt es zu einer Verschiebung von Wasser aus dem extrazellulären Raum nach intravasal, wodurch Ödeme (insbesondere Lungenödeme) vermindert werden.

Blutvolumendepot

Als Blutvolumendepot verwendet man ein so genanntes Kardiotomiereservoir. Im einfachsten Fall besteht es aus einem Kunststoffbeutel, oft aber aus einem hartwandigen, geschlossenen Kunststofftopf, mit einem Fassungsvolumen von über zwei Litern. Dadurch ist es möglich, dem Patientenkreislauf nicht benötigtes Volumen zu entziehen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückzugeben. Neben dem Sammeln von Blut bestehen die Aufgaben des Kardiotomiereservoirs auch aus dem Filtern und Entschäumen von Blut aus dem OP-Gebiet. Da durch das Absaugen von Blut aus dem OP-Gebiet immer auch ein Blut-Luft-Gemisch angesaugt werden kann, ist neben einem Filter für Gewebebestandteile immer auch ein Entschäumer nötig.

Überwachung/Dokumentation

Je nach Klinik wird eine unterschiedliche Anzahl an Parametern erfasst.

Patientendaten:

Herz-Lungen-Maschine:

  • Oxygenator
  • Hauptpumpe = arterielle Flussrate
  • Sauger
  • Kardioplegiesystem
  • Kardiotomiereservoir
  • Blutfilter
  • Arterielle/venöse Sauerstoffsättigung
  • Hämoglobin, Hämatokrit, pH-Wert, Temperatur
  • Low-Level-Detektor überwacht den Blutspiegel im Kardiotomiereservoir
  • Air-Bubble-Detektor verhindert das Eindringen von Luft in den Kreislauf
  • Diverse System-Drücke
  • Arterielle/venöse Bluttemperatur
  • Schlauchsystem mit Konnektionsstellen

Dabei ist es heute üblich, die anfallenden Daten elektronisch zu sichern, was auch eine spätere Auswertung erleichtert.

Steuerungsgeräte

Mit Steuerungsgeräten können verschiedene Vitalparameter des Patienten beeinflusst werden.

  • Mit Gasmischer und Flussmesser kann der Sauerstoff- und Kohlendioxydtransfer im Oxygenator gesteuert werden.
  • Die Hauptpumpe ersetzt das Herz des Patienten und steuert das Herzzeitvolumen.
  • Hypo-/Hyperthermiegeräte können über den Wärmeübertrager (häufig im Oxygenator) die Bluttemperatur und damit auch die Körpertemperatur des Patienten regeln.

Miniaturisierte extrakorporale Zirkulation (MECC)

Durch eine Reduzierung auf wesentliche Komponenten (lediglich Pumpe und Oxygenator) können bestimmte Nachteile konventioneller Herz-Lungen-Maschinen vermindert werden und somit neue Therapieoptionen erschlossen werden. Durch die geringere mit dem Blut in Kontakt tretende Fremdoberfläche reduziert sich die physiologische Entzündungs- und Gerinnungsreaktion. Des Weiteren ist die Komplexität der Maschine deutlich geringer, so dass eine permanente Betreuung durch Kardiotechniker entfallen kann.

MECCs werden teilweise bei Routine-Operationen eingesetzt, vor allem bieten sie jedoch die Möglichkeit einer zeitweiligen Unterstützung der Herz- und Lungenfunktion bei Intensivpatienten. Das System gleicht auch in Hinsicht der verwendeten Pumpen und Oxygenatoren einer ECMO, die Kanülierung erfolgt jedoch veno-arteriell. Somit wird Blut aus einer Vene entnommen, oxygeniert und mittels einer in die Aorta eingeführten Kanüle hinter dem Herzen in den Kreislauf eingebracht.

Bei Anwendung in der Intensivmedizin sind die im OP bedeutsamen Nachteile des fehlenden Reservoirs (somit kann im OP-Situs abgesaugtes Blut nicht mehr reperfundiert werden) und der fehlenden zusätzlichen Absaugpumpen (Vent) nicht von Bedeutung.

Prinzipiell lässt sich das System bei jeder Art von Kreislaufversagen implantieren, sinnvoll und ethisch vertretbar ist dies selbstverständlich nur bei potentiell reversibler Grunderkrankung. Hauptindikation ist der kardiogene Schock, postoperatives Pumpversagen, Myokarditis sowie als Überbrückung zu weiterer Therapie (Kunstherz/Transplantation) "bridge-to-decision bzw. -transplantation".

Die Größe der Geräte ist mittlerweile soweit geschrumpft, dass ein Transport mit herkömmlichen luft- und bodengebundenen Intensivtransportmitteln möglich ist. Inwieweit die Verbreitung dieser Technik über spezialisierte Zentren hinausgehen wird, ist jedoch aufgrund der komplexen Grunderkrankungen und damit notwendigen Intensivtherapie zumindest fraglich, zumal die periphere Kanülierung als technisch anspruchsvoll und häufigste Komplikationsquelle gilt.

Daher bieten einige Zentren ECMO- und MECC-Unterstützung für periphere Krankenhäuser an, wobei hierfür ein Team aus Kardiotechnik/Herzchirurgie und Anästhesie in das periphere Krankenhaus verbracht (meist geflogen) wird. Vor Ort kann der Patient an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden und in ein Zentrum verlegt werden. Oft ist der Transport von Patienten mit instabiler Kreislauffunktion nur so möglich.

Anwender

In den Anfangszeiten war es Aufgabe eines Arztes, die Herz-Lungen-Maschine zu bedienen. Heute geschieht dies durch den Kardiotechniker. Zunächst erlernte man den Beruf berufsbegleitend. Es wurden z. B. OP-Schwestern/-Pfleger oder auch Medizintechniker angelernt.

Mit zunehmendem Aufgabengebiet und steigender Komplexität der Aufgaben erkannte man aber die Notwendigkeit einer gezielten Ausbildung. Diese wird seit 1988 schwerpunktmäßig von der Akademie für Kardiotechnik in Berlin übernommen, die seit 2008 einen praxisorientierten Bachelor-Studiengang anbietet und als einziges Institut in Deutschland über eine staatliche Anerkennung verfügt.

1994 wurde an der Fachhochschule Aachen (Abteilung Jülich) der erste Studienschwerpunkt Kardiotechnik eingerichtet, dem später der Studiengang „Medical Engineering“ an der Hochschule Furtwangen folgte.

Als Berufsverband hat in Deutschland die Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik die Interessenvertretung übernommen, für Europa das EBCP (European Board of Cardiovascular Perfusion).

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