Hermannsburger Mission

Hermannsburger Mission
Wohngebäude auf dem Gelände des Missionswerkes in Hermannsburg

Die evangelisch-lutherische Hermannsburger Mission wurde 1849 als „Missionsanstalt Hermannsburg“ als „Stiftung privaten Rechts“ im Südheide-Dorf Hermannsburg bei Celle gegründet. Aus der freien Missionsgesellschaft wurde 1977 das Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM) gebildet. Damit wurde sie zu einem landeskirchlich anerkannten Werk.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Modell des Missionsschiffes Candace

Ludwig Harms (1808–1865) gründete am 12. Oktober 1849 das Missionsseminar Hermannsburg. Dieses Datum gilt als Gründungsdatum der Hermannsburger Mission. Harms war seit 1844 zunächst als Hilfsgeistlicher, später als lutherischer Pfarrer der St. Peter-Paul Kirche in Hermannsburg in der Lüneburger Heide tätig. Er war ein guter Seelsorger und hatte eine große Begabung, lebendig zu erzählen. Sonntagabends versammelten sich die Dorfbewohner in der Diele des Pfarrhauses, um ihm zuzuhören. Seine Geschichten unterhielten, belehrten und erbauten zugleich. Lebendigen Stoff bot ihm die Heimatgeschichte. Seine Erzählungen sind in den Sammelbänden „Honnig“ (plattdeutsch) und „Goldene Äpfel in silbernen Schalen“ veröffentlicht.

Mit seinen Predigten löste Harms eine Erweckung (Erweckungsbewegung) aus, die bis ins Patriziat des nahen Hamburg hinein wirkte. Am 12. Oktober 1849 zogen die ersten Studenten in das von Harms neu gegründete Hermannsburger Missionsseminar ein. Zum ersten Leiter berief er seinen Bruder Theodor. Harms warb unverdrossen um Spenden. Der beredte und energische Evangelist schaffte es, zahlreiche perspektivarme Heidjer für einen Dienst in der Mission zu interessieren, durchaus dem Effekt vergleichbar, den David Livingstone im armen Schottland hatte.

Harms hatte die Vision, unter dem Volk der Oromo (damals Galla genannt) in Ostafrika seine Missionsarbeit zu beginnen. Die notwendigen finanziellen Mittel wurden von der Hermannsburger Kirchengemeinde und später von einem großen Freundeskreis aufgebracht. Es gelang ihm, sogar die Candace als eigenes Missionsschiff zu bauen, das nach der in Apostelgeschichte 8,27 erwähnten äthiopischen Königin „Candace“ benannt wurde. Der Versuch, nach Äthiopien zu gelangen, scheiterte jedoch. Deshalb gingen die Hermannsburger Missionare in Port Natal (dem heutigen Durban) 1854 in Südafrika an Land. Dort begannen sie eine Arbeit unter den Zulu, und waren seit 1857 auch in der Transvaal tätig. 1864 startete August Mylius seine Tätigkeit bei den Telugu im südlichen Indien.

Ausweitung der Arbeit

Nach dem Tod von Ludwig Harms wurde sein Bruder Theodor Harms (1818–1885) dessen Nachfolger. Unter seiner Leitung wurde die Seminar- und Missionstätigkeit weiter ausgebaut. Schon 1879 wurde das zweite Missionshaus errichtet, zu dessen ersten Leiter Carl Mützelfeldt (1842–1927) als Missionsinspektor berufen wurde. Unter der Leitung von Theodor Harms Nachfolger Egmont Harms (1885–1916) und Georg Haccius (1916–1926) festigte sich die Missionsarbeit. Neue Tätigkeitsbereiche wurden erschlossen: Australien (1866), Nordamerika (1866), Neuseeland (1875), Persien (1880), Brasilien (1898), Äthiopien (1927). Auf Dauer konnten jedoch nicht alle Gebiete gehalten werden.

Die Entstehung der Hermannsburger Freikirche und die Folgen für die Mission

Nach dem Anschluss des Königreichs Hannover an Preußen regte sich vor allem in Hermannsburg Widerstand gegen die 1876 eingeführte obligatorischen Zivilehe und den Erlass einer neuen Trauliturgie in der Hannoverschen Landeskirche durch den preußischen König.

Vor allem Theodor Harms beharrte in seinem Widerstand. Deshalb wurden Harms und eine Reihe weiterer Pastoren der Ämter enthoben. Er verließ die Landeskirche. Ihm folgte ein Großteil der Hermannsburger Gemeindeglieder. Am 13. Februar 1878 gründeten die Ausgetretenen die von der Landeskirche unabhängige lutherische Kreuzkirchengemeinde. Auf der Synode in Hermannsburg am 30. April 1878, unter dem Vorsitz von Theodor Harms gründeten Pastoren und Vertreter der von der Landeskirche unabhängigen Gemeinden die „Hannoversche evangelisch-lutherische Freikirche“. 1886 spaltete sich auch diese noch einmal. Dreizehn Gemeinden bildeten die „Hermannsburger Freikirche“.

Die Trennung von der Landeskirche hatte für die Hermannsburger Mission schwerwiegende Folgen. Die Kollekten der Landeskirche blieben aus und der Charakter der öffentlichen Körperschaft ging verloren. 1890 kam es aber zu einer Verständigung zwischen der Hannoverschen Landeskirche und der „Hermannsburger Freikirche“. Damit Landes- und Freikirche im Leitungsamt der Mission vertreten waren, wurde das Amt eines Kondirektors geschaffen, das bis 1972 existierte (vgl. Hans Walter Krumwiede: Kirchengeschichte Niedersachsens, Band 2, 19. Jahrhundert – 1948, S. 376).

Missionsdirektoren

Der verantwortliche hauptamtliche Leiter der Missionsgesellschaft ist der Direktor.

  • 1849 bis 1865 Ludwig Harms (* 5. Mai 1808 † 14. November 1865)
  • 1865 bis 1885 Theodor Harms (* 19. März 1819 † 16. Februar 1885)
  • 1885 bis 1916 Egmont Harms (* 15. April 1859 † 4. Dezember 1916)
    (1890 bis 1916 gemeinsam mit Georg Haccius)
  • 1890 bis 1926 Georg Haccius (* 22. Juli 1847 † 4. Juni 1926)
  • 1926 bis 1943 Christoph Schomerus (* 23. November 1871 † 8. August 1944)
  • 1943 bis 1959 August Elfers (* 18. Juli 1897 † 6. Juli 1959)
  • 1959 bis 1974 Hans-Robert Wesenick (*18. Dezember 1904 † 15. November 1988)
  • 1975 bis 1988 Reinhart Müller (* 1925 † 3. April 2006)
  • 1989 bis 2003 Ernst-August Lüdemann
  • seit 2003 Martina Helmer-Pham Xuan

Die Hermannsburger Mission heute

1977 vollzog sich formal die Integration der Hermannsburger Mission in die Landeskirchen. Durch die Beibehaltung der Rechtsform der Stiftung blieb aber die Möglichkeit der besonderen Prägung der geistlichen Arbeit weiterhin gewährleistet. Als Evangelisch-lutherisches Missionswerk in Niedersachsen (ELM) hat sie bis heute ihren Sitz in Hermannsburg. Leiterin des Missionswerks ist seit 2003 Pfarrerin Martina Helmer-Pham Xuan.

Wichtigste Träger der Arbeit sind die evangelisch-lutherischen Landeskirchen Hannovers, Braunschweigs und Schaumburg-Lippes. Zusätzlich fördern zahlreiche Gemeinden und Freundeskreise die Arbeit. Das ELM wird außerdem durch viele private Spenden aus der Region unterstützt. Zur Zeit arbeiten vom ELM ausgesandte Missionarinnen und Missionare in Afrika, Lateinamerika, Indien und Sibirien.

Das Missionswerk unterhält bis heute in Hermannsburg ein Missionsseminar, in dem junge Theologinnen und Theologen für einen Dienst innerhalb einer der Partnerkirchen des ELM vorbereitet werden. Das Ludwig-Harms-Haus in Hermannsburg, in dessen Gebäude ursprünglich das Missionseminar gegründet wurde, ist heute ein modernes Tagungshaus mit Cafe, Buchhandlung und Eine-Welt-Laden. In der dort untergebrachten Ausstellung „Candace – Mission possible“ können sich Interessierte über die weltweit vernetzte Arbeit des ELM informieren.

Literatur und Quellen

  • Ernst Bauerochse: Ihr Ziel war das Oromoland, Die Anfänge der Hermannsburger Mission in Äthiopien, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 14, LIT-Verlag 2006.
  • Georg Gremels (Hrsg.): Die Hermannsburger Mission und das „Dritte Reich“. Zwischen faschistischer Verführung und lutherischer Beharrlichkeit. Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 13, LIT-Verlag 2005.
  • Georg Gremels (Hrsg.): Eschatologie und Gemeindeaufbau. Hermannsburger Missionsgeschichte im Umfeld lutherischer Erweckung, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 11, Hermannsburg 2004.
  • Hartwig Harms: Träume und Tränen, Hermannsburger Missionare und die Wirkungen ihrer Arbeit in Australien und Neuseeland, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 10, Hermannsburg 2003.
  • Ludwig Harms: Grüße alle meine Kinder, die weißen und die schwarzen … (Briefe eines Missionsdirektors 1861–1865), Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 6, Hermannsburg 1998.
  • Ludwig Harms: In treuer Liebe und Fürbitte, Gesammelte Briefe 1830–1865, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 12, LIT-Verlag 2004.
  • Geschichte der Hannoverschen evangelisch-lutherischen Freikirche. Herausgegeben von dem Pastorenkonvent, Celle 1924
  • Fritz Hasselhorn: Bauernmission in Südafrika. Die Hermannsburger Mission im Spannungsfeld der Kolonialpolitik 1880–1939, Erlangen 1988.
  • Ludwig Harms Symposium (Hrsg.) Georg Haccius – Leben und Werk, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 5, Hermannsburg 1993.
  • Ernst-August Lüdemann (Hrsg.), Vision Gemeinde weltweit – 150 Jahre Hermannsburger Mission und Ev.-luth. Missionswerk in Niedersachsen (ELM), Hermannsburg 2000.
  • Ernst-August Lüdemann (Hrsg.): Ludwig Harms Grüße alle meine Kinder, die weißen und die schwarzen, Briefe eines Missionsdirektors nach Südafrika 1861–1865, Hermannsburg 1998.
  • Joachim Lüdemann, August Mylius (1819–1887), Lutherische Missionarsexistenz in Tamilnadu und Andhra Pradesh, Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte 15, Hamburg 2003.
  • Reinhart Müller, (Hrsg.): Aus der Heide in die Welt, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 4, Hermannsburg 1988.
  • Reinhart Müller: Die vergessenen Söhne Hermannsburgs in Nordamerika, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 7, Hermannsburg 1998.
  • Reinhart Müller: Hermannsburger in Lateinamerika, Quellen und Beiträge zur Geschichte der Hermannsburger Mission Bd. 8, Hermannsburg 2001.
  • Wolfgang Proske: Botswana und die Anfänge der Hermannsburger Mission; Voraussetzungen, Verlauf und Scheitern eines lutherischen Missionierungsversuches im Spannungsfeld divergierender politischer Interessen, Frankfurt a. M. 1989.
  • Gunther Schendel: Die Missionsanstalt Hermannsburg und der Nationalsozialismus. LIT-Verlag, Münster 2009, ISBN 978-3-8258-0627-9.

Weblinks


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