Alois Schmaldienst

Alois Schmaldienst

Alois Brunner (* 8. April 1912 in Nádkút, Ungarn, dem nachmaligen Rohrbrunn, Burgenland) ist ein ehemaliger SS-Hauptsturmführer, wichtigster Mitarbeiter Eichmanns, verantwortlicher Organisator der Deportation von Juden zu Vernichtungs- und Konzentrationslagern aus Wien (1939–41), aus Griechenland (1943), aus Frankreich (1943–44) und aus der Slowakei (1944).

Inhaltsverzeichnis

Leben

Vor 1945

Alois Brunner wurde im deutschsprachigen Westungarn (ab 1921 Burgenland, Österreich) als Sohn eines Bauern geboren. Von 1918 bis 1927 besuchte er die Volks- und die Bürgerschule. Danach absolvierte er eine kaufmännische Lehre und arbeitete bis 1932 als Verkäufer und Dekorateur.

Mit 19 trat er in die NSDAP und in die SA ein. Seine Arbeit im Kaufhaus verlor er wegen Agitation für die verbotene NSDAP.

1938 kam Alois Brunner nach Wien und lernte dort Adolf Eichmann kennen. In Wien gab es zu der Zeit eine große jüdische Gemeinde. Zuerst als Mitarbeiter Eichmanns in der „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“, dann (ab 1941) als deren Leiter, organisierte Brunner die Deportation der Wiener Juden in Ghettos und Vernichtungslager im Osten. Am 9. Oktober 1942 meldete er Vollzug: Wien war „judenfrei“, was bedeutete, dass 180.000 Wiener in den sicheren Tod geschickt worden waren.

Von Oktober 1942 bis Januar 1943 unterstützte er Eichmann in Berlin und sorgte für die Deportation von 56.000 Berliner Juden.

Im Februar 1943 wurde er versetzt. Von Eichmann in das besetzte Griechenland geschickt, organisierte er den Transport von 50.000 Juden aus Saloniki in die Todeslager.

Neben seiner Menschenjagd fand er immer wieder Zeit, sich an dem Hab und Gut der Verfolgten zu bereichern. Der systematische Raub von Wohnungen, Möbeln und Kunstwerken begleitete sein Wirken von Anfang bis zum Ende. Schon 1938 zog er mit seiner Verlobten in eine beschlagnahmte Villa im Wiener Nobelbezirk Döbling.

Sein nächster Einsatz erfolgte in Paris: Im Juli 1943 wurde er als Leiter eines Sonderkommandos der Gestapo und in einem Vorort von Paris, im Durchgangs- und Sammellager Drancy tätig. 22 Transporte jüdischer Menschen gingen unter Brunners Kommando nach Auschwitz. Er verhörte die neu Angekommenen, so erfuhr er die Namen von weiteren Verwandten der Opfer. So sorgte er für die „Verhaftung der ganzen Familien“. Er war der Hauptverantwortliche der SS und organisierte den „Nachschub“ für die Vernichtungslager. Brunner leitete die Jagdkommandos, die versteckt lebende Jüdinnen und Juden aufspürten.

Mit Unterstützung des Vichy-Regimes setzte Brunner im Herbst 1943 seine systematische Verfolgung von Juden im unbesetzten Südfrankreich fort. Pro Jude waren 1.000 Franc Belohnung ausgesetzt. Aktiv war hier auch „Judensachbearbeiter“ und SS-Obersturmführer Heinz Röthke. Die Verhaftungen fanden meistens nachts statt, Folter und Gewalt dienten zur Erpressung weiterer Namen.

Obwohl die Wehrmacht bereits auf ihrem Rückzug aus Paris war, ließ Brunner in der Zeit vom 20. bis 24. Juli 1944 noch 1.327 jüdische Kinder in Paris verhaften und deportieren. Als Brunner Paris im August 1944 verließ, hatte er 23.500 Jüdinnen und Juden jeden Alters aus Frankreich in die Todeslager verschleppt.

Von September 1944 bis Februar 1945 sorgte er für die Zerschlagung der jüdischen Untergrundbewegung in der Slowakei, leitete ein Arbeitslager in Sered/Preßburg, von wo er 12.000 Menschen zur Vernichtung nach Auschwitz deportieren ließ.

Außerdem wird vermutet, dass Brunner eigenhändig Siegmund Bosel während eines Häftlingstransports nach Riga erschossen hat.

Nach 1945

Alois Brunner flüchtete von Linz nach München und arbeitete unter falschem Namen als LKW-Fahrer für die US-Army.

Ab 1947 arbeitete Brunner in der Grube „Karl Funke“ in Essen. Als er zum Betriebsrat gewählt werden sollte, drohte seine Identität aufzufliegen. Trotzdem lebte Alois Brunner als „Alois Schmaldienst“ bis 1954 in Essen und war sogar polizeilich gemeldet. Ein Verfahren „wegen falscher Namensführung“ wurde angestrengt.

Der prominenteste Fluchthelfer Brunners wurde Reinhard Gehlen, der ehemalige General und Chef der „Abteilung Fremde Heere Ost“ (Ostspionage), der im Auftrag des US-amerikanischen Nachrichtendienstes den westdeutschen Dienst aufbaute („Organisation Gehlen“). Gehlen wurde später Chef des BND und blieb dies bis 1968.

Alois Brunner hatte zwei weitere Fluchthelfer: Rudolf Vogel, ehemaliges Mitglied der Propagandastaffel in Saloniki und späterer Bundestagsabgeordneter der CDU sowie Georg Fischer, früherer SS-Kamerad aus Pariser Zeiten. Von ihm bekam Brunner im Frühling 1954 dessen Pass und gelangte als Dr. Georg Fischer nach Syrien. Brunner wurde dort im Auftrag von Reinhard Gehlen Geheimdienstexperte für diese Region des Nahen Ostens.

Alois Brunner arbeitete in Syrien kurze Zeit als Vertreter für die Dortmunder Aktienbrauerei DAB. 1960 kam es zu einem Verhör Brunners durch die syrische Geheimpolizei. Durch diesen Kontakt wurde er eine Art „Berater für Judenfragen“ beim syrischen Geheimdienst Muhabarat.[1]

Auf Alois Brunner wurden zwei Briefbombenanschläge verübt. Der erste Anschlag im Jahr 1961 kostete ihn ein Auge. Im Juli 1980 erhielt Alois Brunner/Georg Fischer in Damaskus Post vom „Verein Freunde der Heilkräuter“ aus Österreich: Die Briefbombe zerfetzte ihm vier Finger der linken Hand. Den Anschlägen folgten keine Bekennerschreiben, sie werden jedoch dem Mossad zugeschrieben, der vergeblich versuchte, seiner habhaft zu werden.

Vorgetragene Erkundigungen in den siebziger Jahren der österreichischen Regierung nach Brunner werden von den Behörden abgetan, der Gesuchte sei nicht in Syrien. In Wirklichkeit lebte „Dr. Georg Fischer“ unbehelligt in Damaskus. Er lebte so wenig geheim, dass es ohne weiteres möglich war, ihn telefonisch – auch aus dem Ausland – zu erreichen.

Am 10. Oktober 1985 gab Fischer alias Brunner der Zeitschrift Bunte ein Interview in dem er betonte: „Israel wird mich nie bekommen.“ Das Interview strotzte derart vor antisemitischen Ausfällen, dass die Bunte nur eine zensierte Fassung veröffentlichte. Der Journalist, der Brunner interviewte, berichtete einige Jahre später: Er sei immer noch stolz darauf, dass er, wie er sich wörtlich ausdrückte, geholfen habe‚ dieses „Dreckszeug“ wegzuschaffen. Damit meinte er die Juden, die er hatte deportieren lassen. Er sei mit seinem Leben zufrieden und würde, bestünde die Möglichkeit, alles noch einmal so machen. Nur eines ärgere ihn: dass noch immer Juden in Europa lebten.

1987 führte der Krone-Journalist Kurt Seinitz in Damaskus ein Interview mit Brunner, in dem dieser meinte: „Seien Sie froh, dass ich das schöne Wien für Sie judenfrei gemacht habe.“ Seinitz berichtete, Brunner sei der widerwärtigste Mensch, der ihm je untergekommen sei.[1]

1992 forderte das Bundeskriminalamt von dem Journalisten, der Alois Brunner 1985 interviewte, die Fotos und kam nach langer Zeit zu dem Ergebnis, dass es sich „vermutlich um Aufnahmen von Alois Brunner handelt“. Mehrere Auslieferanträge Deutschlands und anderer Staaten sowie ein Interpol-Haftbefehl und Aktivitäten des Simon Wiesenthal Centers blieben erfolglos.

1993 ist ein weiterer Kontakt zu Brunner überliefert. Er wurde von Touristen in einem Café erkannt, stellte sich mit seinem alten Namen vor und plauderte angeregt. Danach ging er mit seinem Schäferhund und fuhr in sein neues Domizil – ein Gästehaus Hafiz al-Assads in den Bergen nahe Damaskus. 1995 wurde von deutschen Staatsanwälten eine Belohnungssumme von 333.000 US-Dollar für Informationen zur Ergreifung Brunners ausgesetzt.

Im Dezember 1999 kamen Gerüchte auf, Brunner sei 1996 verstorben. Dagegen gaben deutsche Journalisten an, sie hätten Brunner lebend im Meridian-Hotel in Damaskus angetroffen, wo er nunmehr ansässig sei. Am 2. März 2001 wurde Brunner von einem französischen Gericht in Abwesenheit wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Die österreichische Justizministerin Maria Berger hat erstmals in Österreich eine Belohnung von 50.000 Euro für Hinweise ausgesetzt, die zur Ausforschung, Ergreifung und Verurteilung Brunners führen.[2][3] Gegen Brunner besteht ein Haftbefehl des Landesgerichts für Strafsachen in Wien.

Verweise

Literatur

  • Georg Hafner und Esther Schapira Die Akte Alois Brunner Campus Verlag, 2000, ISBN 3-593-36569-3
  • Claudia Brunner, Uwe von Seltmann Schweigen die Täter, reden die Enkel Edition Büchergilde, 2004 ISBN 3-936428-26-3 2.Aufl. Fischer TB 2006 ISBN 3-596-16760-4 (Autorin ist die Großnichte des AB.)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Gerhard Freihofner: Kopf(los)geld nach 62 Jahren, Wiener Zeitung, 20. Juli 2007.
  2. Belohnung auf Brunners Ergreifung ausgesetzt, Der Standard, 26. Juli 2007
  3. Auslobung, Bundesministerium für Justiz, Wien, Juli 2007 (Seite abgerufen am 20. August 2007)

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