Henning Scherf

Henning Scherf
Henning Scherf (Datum unbekannt)

Henning Scherf (* 31. Oktober 1938 in Bremen) ist ein deutscher Politiker (SPD). Von 1995 bis 2005 war er Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen. Von 1971 bis 1978 war Scherf Mitglied der Bremischen Bürgerschaft, von 1978 bis 2005 Mitglied der Landesregierung. Seit 2005 ist Scherf Präsident des Deutschen Chorverbandes.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Scherf wuchs mit seinen sechs Geschwistern in der Bremer Neustadt auf, wo der Vater eine Drogerie betrieb. Aus der ersten Ehe des Vaters stammten drei Geschwister, unter ihnen der Wirtschaftswissenschaftler Harald Scherf. Der Vater heiratete ein zweites Mal; in der Ehe wurden drei Söhne geboren, darunter Henning Scherf. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Familie zweimal ausgebombt und zog zu den Großeltern nach Osterholz-Scharmbeck in die Teichstraße. Erst 1948 konnte die Familie in die Osterstraße in der Bremer Neustadt zurückkehren.[1]

Ausbildung und Beruf

Scherf studierte nach dem Abitur ab 1958 Rechtswissenschaften und Soziologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Universität Berlin. Während seines Studiums wurde er vom Evangelischen Studienwerk Villigst gefördert. 1968 promovierte Scherf zum Dr. jur. mit einem Thema zur Präzisierung des § 73 BSHG. Er war anschließend bis 1971 als Rechtsanwalt in Bremen tätig.

Politik

Seit 1963 ist Scherf Mitglied der SPD, von 1972 bis 1978 war er deren Landesvorsitzender in Bremen. Von 1984 bis 1999 gehörte er dem Bundesvorstand der SPD an.

Von 1971 bis 1978 wurde Scherf in die Bremische Bürgerschaft gewählt. Am 27. September 1978 erfolgte von Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) seine Berufung in den Bremer Senat zum Senator für Finanzen als Nachfolger von Senator Karl-Heinz Jantzen (SPD). Im Senat Koschnick IV war er als Nachfolger von Walter Franke (SPD) seit November 1979 Senator für Jugend, Soziales und Sport und im Senat Koschnick V vom November 1983 bis zum September 1985 Senator für Jugend und Soziales.

Von 1985 bis 1991 war Scherf als Bürgermeister der Stellvertreter des Präsidenten des Bremer Senats, Klaus Wedemeier (SPD) und zugleich weiterhin bis zum Februar 1990 Senator für Jugend und Soziales; Nachfolgerin in diesem Amt wurde Sabine Uhl (SPD). 1987/88 fungierte er kurzzeitig auch als kommissarischer Senator für Gesundheit. Im Februar 1990 wurde er als Nachfolger von Horst Werner Franke (SPD) Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst (ab 1991: Bildung und Wissenschaft), zusätzlich übernahm er 1991 das Ressort für Justiz und Verfassung.

1980, damals war er Senator für Jugend und Soziales, wandte er sich gegen ein Rekrutengelöbnis der Bundeswehr im Weserstadion. Am Rande der Feier kam es zu schweren Straßenschlachten. Scherf wurde vorgeworfen, er habe mitdemonstriert. Er selber sagt, er habe sich lediglich „zwischen den Linien“ aufgestellt, um zwischen Demonstranten und Polizei vermitteln zu wollen.[1]

Bürgermeister

Nachdem Klaus Wedemeier infolge des enttäuschenden Abschneidens der SPD bei der Bürgerschaftswahl 1995 als Präsident des Senats von seinem Amt zurückgetreten war, lag die Entscheidung über die Nachfolge bei den Mitgliedern der Bremer SPD. In einer Urabstimmung kandidierte Scherf als Spitzenkandidat der SPD gegen den früheren Chef der Bremer Senatskanzlei, Hans-Helmut Euler. Scherf konnte sich gegen Euler durchsetzen. Interessant daran ist, dass Scherf sich im Gegensatz zu Euler für eine rot-grüne Koalition in Bremen ausgesprochen hatte, die SPD-Mitglieder sich bei einer parallelen Befragung aber für eine Koalition mit der CDU aussprachen. Scherf bildete daraufhin die bis 2007 regierende Große Koalition aus SPD und CDU und erwarb sich bald den Ruf, eine vehementer Befürworter der Zusammenarbeit mit der CDU zu sein.

Als Präsident des Senats war Scherf in Personalunion auch Senator für Kirchenangelegenheiten (Kirchensenator) und Senatskommissar für den Datenschutz. Ein Amt mit bundespolitischer Relevanz übte er als Vorsitzender des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat aus.

Als Bürgermeister bemühte sich Scherf um einen konsensorientierten und bürgernahen Politikstil. Seine persönlichen Popularitätswerte waren hoch und lagen, Umfragen zufolge, deutlich über denen seiner Partei und seiner Regierung. Im Ergebnis trugen sie dazu bei, dass sich die SPD bei der Bürgerschaftswahl 1999 entgegen dem Bundestrend von 33,4 auf 42,6 % der Stimmen verbessern konnte.

Wohl auch aus diesem Grund verknüpfte Scherf im Bürgerschaftswahlkampf 2003 das Abschneiden der SPD eng mit seinem eigenen politischen Schicksal: Er kündigte an, nur im Fall eines Wahlsieges der SPD weiter politisch tätig sein zu wollen. Dies führte auch bei dieser Wahl zu einem Ergebnis in Höhe von 42,3 Prozent der Stimmen, so dass dieses Ergebnis den einzigen SPD-Wahlsieg des Jahres 2003 inmitten einer Reihe von Landtagswahlniederlagen darstellte.

Zur Wahlkampftaktik von Scherf gehörte unter anderem eine bewusste Abgrenzung vom damaligen Bundeskanzler und SPD-Vorsitzenden Gerhard Schröder, der sich zu dieser Zeit in einem Popularitätstief befand: Scherf verzichtete auf gemeinsame Wahlkampfauftritte mit Schröder, und in den politischen Kommentaren nach der Bremer Wahl hieß es mehrfach, die SPD habe hier „trotz“ Schröder gesiegt.

In Scherfs Amtszeit fiel die Errichtung des heute noch als Investitionsruine existierenden, mit einem dreistelligen Millionenbetrag subventionierten Bau des Space Park Bremen, der als prominentestes Beispiel für den Fehleinsatz der vom Bund überwiesenen Milliarden dient, die eigentlich für Abbau der exorbitanten Verschuldung des Landes Bremens gedacht waren. Die Verschuldung stieg in Scherfs Amtszeit weiter an.

Im November 2005 trat Scherf als Regierungschef zurück. Scherf machte für sein Ausscheiden persönliche Gründe geltend. Zu seinem Nachfolger wurde am 8. November 2005 Jens Böhrnsen (SPD) gewählt.

Ämter

Im Senat
  • Senator für Finanzen (1978–1979)
  • Senator für Jugend und Soziales (1979–1990)
  • Bürgermeister und Stellvertretender Präsident des Senats (1985–1991)
  • Senator für Bildung und Wissenschaft (1990–1995)
  • Bürgermeister und Präsident des Senats und zugleich Senator für Justiz und Verfassung und Kirchensenator (1995–2005)
Weitere Ämter

Autor und Werke

Ein Jahr nach seinem Abschied aus dem Regierungsamt veröffentlichte Scherf ein – bereits vor seinem Erscheinen – viel beachtetes Buch, in dem er für einen veränderten Umgang der deutschen Gesellschaft mit alten Menschen wirbt: „Grau ist bunt – was im Alter möglich ist“. Scherf widerspricht darin dezidiert den – wie er sagt - populistischen Thesen des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher, die dieser in seinem Bestseller Das Methusalem-Komplott aufstellt. In der Generation der Älteren sieht Scherf die „klassische ehrenamtliche Basis“ unserer Gesellschaft, denn wer heute 60 werde, habe im Schnitt noch 30 Jahre Leben vor sich:

„30 Jahre in wunderbaren Bedingungen, weil wir nämlich eine Rente haben, die uns ernährt, weil wir plötzlich Zeit haben, weil wir noch fit sind, weil wir uns noch interessieren können, einmischen können, weil wir uns noch beteiligen können, ohne immer zu fragen: Kriege ich da auch das richtige Gehalt dafür?“

Werke

  • Als Herausgeber: Sozialstaat 2000. (Auf dem Weg zu neuen Grundlagen der sozialen Sicherung) Ein Diskussionsband. Forschungsinstitut der Friedrich-Ebert-Stiftung, Reihe: Arbeit. Band 20. Verlag Neue Gesellschaft, 1988, ISBN 3-87831-453-1.
  • Grau ist bunt: Was im Alter möglich ist. Herder, Freiburg 2007; ISBN 3-451-28593-2.
  • Gast bei fremden Freunden - Eine Weltreise a la Scherf. Radius-Verlag, 2008, ISBN 3-87173-102-1.
  • Im Flug über Bremen, Bremerhaven und Umgebung\In Flight over Bremen, Bremerhaven. Hinstorff, 2008, ISBN 3-356-01228-2.
  • Gemeinsam statt einsam. Meine Erfahrungen für die Zukunft. Herder-Verlag: Freiburg 2009, ISBN 3451302551
  • Das Alter kommt auf meine Weise - Lebenskonzepte heute für morgen. (zusammen mit Ilse Biberti) Südwest-Verlag, 2009, ISBN 3-517-08527-8.

Sonstiges

Henning Scherf überragt mit einer Körpergröße von mehr als zwei Metern[2] seine Umgebung meist um Haupteslänge.

Scherf lebt mit seiner Frau Luise in einer Hausgemeinschaft in der Bremer Innenstadt, die er selber als Wohngemeinschaft bezeichnet [3].

Scherf zeigte eine große Bürgernähe. Er pflegte einen sehr direkten Umgang mit den Bürgern und war oft auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Innenstadt unterwegs (stets ohne Polizeischutz), und es war durchaus möglich, ihn direkt anzusprechen oder von ihm mit den Worten „Tach auch, ich bin Ihr Bürgermeister!“ angesprochen zu werden. Seine Popularität wurde durch diese Nähe und die persönliche Bescheidenheit ungemein gefördert.

Doch er galt nicht nur als „Oma-Knutscher“, sondern neigte auch dazu, Andersdenkende anzugreifen und „manchmal unzutreffende Behauptungen in die Welt“ zu setzen – „teils, um Kritik abzuwehren, teils, weil er den genauen Sachverhalt nicht kennt“; als seinen Fehler bezeichnete er es selber, „dass ich ungerecht und ungeduldig sein kann“. [4]

Vor und bei der Bekanntgabe seines Rücktritts gab Scherf an, er wolle „nicht mit den Füßen voran aus dem Rathaus getragen werden“ und trete nicht zuletzt deswegen zurück.

Im Jahre 2004 war Scherf kurzzeitig als SPD-Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten im Gespräch. 2004 erhielt er den Orden wider den tierischen Ernst des Aachener Karnevalvereins.

Siehe auch

Weblinks

Wikinews Wikinews: Henning Scherf – in den Nachrichten

Einzelnachweise

  1. a b Volker Mauersberger: Henning Scherf, Zwischen Macht und Moral – eine politische Biografie, Edition Temmen, 2007, ISBN 3861083698
  2. Der Privatier, Tagesspiegel, 30. Januar 2006
  3. „In der Mitte“ von Henning Scherf aus der Reihe „Menschen von Nebenan“ vom 26. Oktober 2008 auf dradio.de (mp3)
  4. Eckhard Stengel: Lichtgestalt mit Schattenseiten. In: Das Parlament vom 29. Dezember 2003

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