Henning Piper

Henning Piper

Henning Piper (* 27. Juni 1931 in Schöningen) ist ein deutscher Richter.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Abitur 1950 studierte Piper Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel und Göttingen. Während seiner Studienzeit wurde er bei den Corps Palaiomarchia-Masovia und Hannovera aktiv.[1] Ab 1953 absolvierte er seine Referendarzeit im Bezirk des Oberlandesgerichts Braunschweig. Als Assessor wurde 1959 an der Universität Göttingen zum Dr. jur. promoviert und trat in Braunschweig in die Richterlaufbahn ein. 1970 wurde er Richter am Oberlandesgericht Braunschweig und 1979 Bundesrichter in Karlsruhe. 1990 übernahm er den Vorsitz des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs und hatte diesen bis zur Pensionierung 1996 inne. Er setzte sich nach Erreichen der Altersgrenze jedoch nicht zur Ruhe, sondern übernahm aufgrund von übergangsrechtlichen Sondervorschriften im Bereich der Justiz aus Anlass der deutschen Wiedervereinigung eine Stelle als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden bis 1999 wahr. Piper wurde 1998 zum Honorarprofessor der Technischen Universität Dresden ernannt.

Der „Fall Erna Wazinski“

Hauptartikel: Erna Wazinski

Am 1. Oktober 1963 wurde Piper Richter am Landgericht Braunschweig.[2] Als Richter war er dort u. A. 1965 als Beisitzer in der 3. Strafkammer in einem Verfahren damit befasst, die Rechtmäßigkeit eines NS-Todesurteils zu prüfen, das am 21. Oktober 1944 vom Sondergericht Braunschweig auf Grundlage von § 1 der Verordnung gegen Volksschädlinge gegen die 19-jährige Erna Wazinski wegen Plünderung verhängt worden war. Die Verurteilte wurde am 23. November 1944 enthauptet.

Nach Kriegsende hatte Wilhelmine Wazinski, die Mutter der zum Tode Verurteilten, mehrfach die Aufhebung des Urteils zu erwirken versucht. Darüber hinaus verlangte sie die Bewilligung einer Rente wegen der Rechtswidrigkeit des Urteils. Das Landgericht wies den Antrag jedoch ab. Piper wirkte dabei als Berichterstatter der Strafkammer und vermochte in seinem über 50-seitigen Bericht keine Rechtswidrigkeit des vom Sondergericht gefällten Todesurteils zu erkennen. Im Gegenteil: In seiner Begründung, in der Piper inhaltlich die 1944 verwendete NS-Terminologie gebrauchte[3], führte er u. A. aus:

„… Die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5.9.1939, die in ihrem § 1 denjenigen mit dem Tode bedrohte, der „im freigemachten Gebiet oder in freiwillig geräumten Gebäuden oder Räumen plünderte“, war geltendes Gesetz. Während der Geltungsdauer der Volksschädlingsverordnung mussten die Strafgerichte nach ihr erkennen, wenn und soweit ihre Tatbestände erfüllt waren. […] Inhaltlich konnte die Volksschädlingsverordnung nicht als schlechthin unverbindliches, weil unsittliches, die Richter des Jahres 1944 nicht bindendes Gesetzesrecht angesehen werden. [...] Die Verordnung war darauf gerichtet dem durch Kriegswirren besonders gefährdeten Eigentum Schutz zu verleihen. [...] Ausgehend vom Sinn und Zweck der Volksschädlingsverordnung hält jedenfalls die Kammer dafür, dass durch die Verordnung als solche nicht jener gewisse Kernbereich des Rechts angetastet worden ist, der nach allgemeiner Rechtsüberzeugung von keinem Gesetz und keiner sonstigen obrigkeitlichen Maßnahme verletzt werden darf. [...] Das [Sonder-] Gericht hat die Frage der Volksschädlingseigenschaft nicht übersehen. Es hat sie geprüft und bejaht. Stichhaltiger Anhalt für die Annahme, dass es den damals gültigen Begriff der Volksschädlingseigenschaft verkannt oder rechtsfehlerhaft auf den festgestellten Sachverhalt angewendet hat, ist nicht ersichtlich. Insbesondere sind Umstände, die dem Sondergericht bei sachgemäßer Prüfung zwangsläufig die Überzeugung hätten vermitteln müssen, dass die Angeklagte bei Zugrundelegung der vom Reichsgericht gesetzten Maßstäbe nicht von der Wesensart eines Volksschädlings sei, nicht gegeben ...“

Auszug aus dem Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 7. Oktober 1965, Aktenzeichen 12 AR 99/65 (1 Sond. KLs 231/44)

Literatur

Einzelnachweise

  1. Kösener Corpslisten 1996 114, 41; 59, 1117. Er erhielt nach 1990 als Alter Herr das Band des Corps Palaiomarchia in Halle.
  2. Helmut Kramer: Richter vor Gericht: Die juristische Aufarbeitung der Sondergerichtsbarkeit, S. 135, FN 28
  3. Hans-Ulrich Ludewig, Dietrich Kuessner: „Es sei also jeder gewarnt“ – Das Sondergericht Braunschweig 1933–1945, In: Quellen und Forschungen zur Braunschweigischen Landesgeschichte, Band 36, Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins, Langenhagen 2000, ISBN 3-928009-17-6, S. 241.

Weblinks


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