Helvetien

Helvetien
Karte Galliens zur Zeit Cäsars (58 v. Chr.), mit der Lage Helvetiens im Osten von Gallia Celtica

Die Helvetier waren ein keltischer Volksstamm, der im 1. Jahrhundert v. Chr. im heutigen schweizerischen Mittelland siedelte. Die Helvetier sind vor allem wegen ihrer wichtigen Rolle in den Berichten von Julius Cäsar über den Gallischen Krieg bekannt. Von den Helvetiern leitet sich der seit dem Mittelalter verwendete neulateinische Name der Schweiz (Confoederatio Helvetica oder, als Kurzform, Helvetia) ab.

Nach Julius Caesar bestanden um 60 v. Chr. vier helvetische Teilstämme (pagi), von denen er die Verbigener und die Tiguriner nennt. Auch Poseidonios nennt vier Teilstämme, darunter die Tougener und Toutonen. Es ist umstritten, ob letzterer Teilstamm mit den von Livius als Germanen bezeichneten Teutonen identisch ist.[1]

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Überlieferungsgeschichte und Siedlungsgebiet

Die erste historische Erwähnung der Kelten stammt vom griechischen Historiker Hekataios von Milet aus der Zeit um 500 v. Chr. Er erwähnt, dass sie nördlich der griechischen Kolonie von Massilia lebten. Die Helvetier werden zum ersten Mal fassbar durch eine Inschrift auf einer Tonscherbe aus Mantua. Hier lesen wir in einem etruskischen Alphabet eluveitie, das ist die etruskische Form des keltischen Wortes Helvetios («der Helvetier»). Man geht davon aus, dass der Eluveitie einer von Helvetiern abstammenden etruskischen Familie angehörte. Durch Münzen aus dem 2. Jh. v. Chr. ist aus dem Oppidum Heidengraben ein Adliger (König?) namens Atullos bekannt. Die erste zuverlässige schriftliche Erwähnung der Helvetier findet sich beim griechischen Historiker Poseidonius, der sie als «goldreich aber friedlich» beschreibt, aber nicht erwähnt, wo sie genau lebten.

Dem griechischen Geographen Ptolemäus und dem römischen Historiker Tacitus zufolge lebten die Helvetier um 100 v. Chr. noch im Gebiet zwischen Donau, Rhein und Main. Aus diesem Gebiet seien sie aufgrund des Vordringens germanischer Stämme langsam in die Nordwestschweiz ausgewichen. Nach Ptolemaios habe es in Süddeutschland eine Helvetier-Einöde gegeben.[2] Der Auszug ist nach der Meinung der modernen Forschung Ende des 2. Jh. v. Chr. geschehen, im Rahmen der Raubzüge von Kimbern und Ambronen, denen sich wahrscheinlich die Teilstämme der Tiguriner und der Toutonen (Teutonen) anschlossen. Erstere liessen sich nach der Schlacht bei Vercellae nördlich des Genfersees nieder, während letztere entweder bei Aix-en-Provence vernichtet wurden oder in den anderen Teilstämmen aufgingen.

Die genaue Bestimmung der vorgeschichtlichen helvetischen Siedlungsgebiete wird noch problematischer durch eine Inschrift vom Magdalensberg in Österreich. Dort erscheinen die Elveti als einer von insgesamt acht ostalpinen Stämmen, die ein kaiserliches Monument gestiftet haben. Das Fehlen des anlautenden Spiranten spricht nicht gegen eine Namensgleichheit mit den Helvetiern, da in vielen Fällen das h- lateinischer Autoren keine phonologische Basis hatte und häufig scheinbar unmotiviert in der Schreibung "exotischer" Namen erscheint (vgl. etwa die Haedui-Aedui). Ob jedoch die Namensgleichheit auch für eine tatsächliche Identität mit den Helvetiern spricht und wie diese genau ausgesehen haben mag, bleibt vorerst unbekannt.[3]

Erste Auseinandersetzungen mit dem römischen Reich

«Die Helvetier zwingen die Römer unter dem Joch hindurch». Historiengemälde des 19. Jahrhunderts auf den Sieg der Helvetier unter Divico über die Römer bei Agen 107 v. Chr. von Charles Gleyre

Die helvetischen Stämme der Tiguriner und der Tougener traten mit dem Zug der Kimbern 107 v. Chr. in die Geschichte ein. Die erste Nennung der Helvetier bei Poseidonius, die über die Geographie des Strabon überliefert ist, steht in diesem Kontext. Nach der Naturgeschichte des älteren Plinius sei ein Helvetier mit dem Namen Helico in Rom als Handwerker tätig gewesen und mit einer getrockneten Feige, einer Traube, Öl und Wein in das Gebiet nördlich der Alpen zurückgekehrt und habe so die keltischen Züge über die Alpen ausgelöst. Diese Geschichte ist in das Reich der Legenden zu verweisen.

Um 115 v. Chr. zogen die germanischen Völker der Kimbern und Ambronen aus Norddeutschland und Dänemark nach Süden vor. Nach ihrem Sieg über die Römer bei Noreia kamen sie um 111 v. Chr. ins heutige Süddeutschland, wo sich ihnen keltische Stämme anschlossen, so die helvetischen Teilstämme der Tiguriner und Tougener. Inwiefern es sich bei den Tougenern und den Teutonen, die traditionell mit den Kimbern genannt werden, um das gleiche Volk gehandelt hat, ist umstritten. Eine mögliche Erklärung des ungedeuteten Namens wäre die Verschreibung von Τουτονοί zu Τουγενοί in einem frühen Stadion der Strabonüberlieferung, in welcher die Tougener allerdings in der Form Τωυγενοί erscheinen[4]. Die verbündeten keltischen und germanischen Stämme fielen gemeinsam nach Gallien ein, unternahmen dort allerdings getrennte Züge. Im Jahr 107 v. Chr. gelangten die Tiguriner in das Gebiet der Volker im heutigen Südfrankreich. Unter ihrem Feldherrn Divico besiegen die Tiguriner dort bei Agen an der Garonne ein römisches Heer. Nach Cäsars Überlieferung seien die gefangenen Römer nach der Schlacht zur Demütigung unter einem Joch hindurchgeschickt worden. Bei Livius wird diese Episode jedoch nicht erwähnt.[5] Bei Orange schlugen die Tiguriner wieder gemeinsam mit den anderen Stämmen 105 v. Chr. ein weiteres römisches Heer.

103 v. Chr. teilten sich die Stämme auf, um die Poebene zu erobern. Während die Teutonen und Ambronen westlich über die Provence vorstiessen, zogen die Kimbern und die Tiguriner östlich über den Brennerpass. Die Römer unter Marius konnten jedoch die Teutonen und Ambronen 102 v. Chr. bei Aix-en-Provence und 101 v. Chr. die Kimbern bei Vercellae abwehren und vernichten. Die Tiguriner konnten der Vernichtung entgehen und zogen mit ihrer Beute wieder nach Norden. Die Tiguriner bzw. die Helvetier blieben danach im kollektiven Gedächtnis Roms als starker und bedrohlicher keltischer Stamm erhalten.[6]

Caesar und die Helvetier

Julius Caesar und der helvetische Heerführer Divico treffen nach der Schlacht an der Saône zusammen. Historiengemälde des 19. Jahrhunderts von Karl Jauslin

Die Eroberung Galliens durch Caesar beendete auch die Unabhängigkeit der Helvetier, die Teil des Römischen Reichs wurden. Cicero erwähnt, dass sie – wohl als Folge der militärischen Niederlage gegen Caesar – ein foedus (Bündnis) mit Rom abgeschlossen hätten.

Über die Kämpfe Roms gegen die Helvetier zu Anfang der Gallischen Kriege berichtet Caesar ausführlich am Anfang seines «De Bello Gallico». Der helvetische Adlige Orgetorix soll eine Auswanderung ins Gebiet der Santonen (heutige Saintonge) geplant und vorbereitet haben. Als die Helvetier loszogen, war Orgetorix bereits unter mysteriösen Umständen gestorben, nachdem man ihn des Strebens zum Königtum angeklagt hatte, was in grossen Teilen Galliens damals als todeswürdiges Verbrechen galt. Danach hätten die Helvetier ihr Siedlungsgebiet komplett verlassen, ihre Siedlungen und Felder zerstört, und seien mit allen wehrfähigen Männern, Proviant und allen anderen Stammesangehörigen in westliche Richtung gewandert, um ein neues Siedlungsgebiet in Gallien zu suchen und andere gallische Stämme zu unterwerfen. Die Haeduer und Allobroger hätten Caesar und seine Legionen um Hilfe gebeten, da die Helvetier sie bedroht und ihr Land verwüstet hätten. Caesar sei es gemeinsam mit seinen gallischen Verbündeten gelungen, die Helvetier und deren Verbündete 58 v. Chr. zur Entscheidungsschlacht bei Bibracte zu stellen und ihr Heer vernichtend zu schlagen.

Caesar gibt an, man habe im Lager der Besiegten Tafeln in griechischer Schrift mit Ergebnissen einer Volkszählung gefunden.[7] Die Tafeln hätten eine namentliche Aufstellung und die Zahl derer enthalten, die aus der Heimat ausgezogen waren, und zwar getrennt nach Waffenfähigen und ebenso nach Kindern, Frauen und Alten. Daraus hätte sich eine Zahl von 263'000 Helvetiern ergeben, ausserdem 36'000 Tulingern, 14'000 Latobrigern, 23.000 Rauracern, 32'000 Boiern. Wehrfähig seien 92'000 Männer gewesen. Nach Annahme der Kapitulation seiner Feinde ließ Caesar ihnen Leben und Freiheit und ordnete an, die Helvetier, Tulinger und Latobriger sollten in ihr altes Siedlungsgebiet zurückkehren und ihre zerstörten Siedlungen wieder aufbauen, während die Allobroger sie am Anfang mit Getreide versorgen mussten. Nachdem auf Anordnung Caesars eine Volkszählung bei denen durchgeführt worden sei, die in die Heimat zurückkehrten, ergab sich eine Zahl von nur noch 110'000. Danach wären zwei Drittel des Stammes dem Krieg zum Opfer gefallen.

Die neuere Forschung und die Archäologie konnten die Angaben Caesars jedoch nie bestätigen. Es fanden sich ausser in einem Oppidum auf dem Mont Vully keine Brandspuren im Siedlungsgebiet der Helvetier, die auf die von Caesar erwähnte Vernichtung der helvetischen Siedlungen hinweisen würden. Im Gegenteil zeigen Siedlungen und Kultstätten der Helvetier im entsprechenden Zeitraum eine ungebrochene Kontinuität und Vitalität. Neuere (2007) Ausgrabungen am Kultplatz von Mormont haben dies bestätigt. Militärhistoriker haben zudem berechnet, dass der Tross der Helvetier mit 360.000 Männern und Frauen sowie 8500 von Ochsen gezogenen Wagen inklusive der mitgeführten Viehhabe – wenn man mit Caesars Angaben rechnet – 130 Kilometer lang gewesen wäre und sich niemals in einer Kolonne auf einer damaligen Strasse hätte fortbewegen können.

Die «Auswanderung» der Helvetier ist wohl eher als Kriegszug kleinerer Stammesgruppen zu sehen, über dessen Gründe wir nur spekulieren können. Ob tatsächlich jemals Pläne bestanden hatten, sich im Santonengebiet niederzulassen, wie Caesar behauptet (Bell.Gall. 1,10), wird wohl niemals geklärt werden. Neben der durchaus denkbaren Auswanderung bestimmter Bevölkerungsgruppen ist auch an einen blossen Beutezug durch Gallien oder − was in Anbetracht des gallischen Stammespartikularismus und der tatsächlich eingeschlagenen Route unwahrscheinlicher ist −, an einen Feldzug gegen die Germanen des Ariovist zu denken. Caesar ist natürlich darauf bedacht, die Bewegungen der Helvetier mit möglichst offensichtlichen Parallelen zu den verheerenden Kriegszügen von 107 v. Chr. zu deuten, und weist daher auf die angebliche Schmach des L. Cassius bei Agen hin, die es zu sühnen galt (Bell.Gall. 1,12). In diesem Sinne wirkt auch die Person des Divico, welcher bei Caesar ein halbes Jahrhundert nach seinem Sieg über die Römer einen Auftritt als greiser Feldherr macht, wie ein weiteres Versatzstück caesarischer Propaganda, mit welcher er den Angriff auf die Helvetier als späte Rache zu rechtfertigen sucht; ob der Sieger von Agen im Jahre 58 v. Chr. noch am Leben war oder, falls ja, überhaupt noch körperlich imstande, an einem solchen Zug teilzunehmen, scheint dabei äusserst fraglich.

Als Folge der Niederlage gegen Caesar liessen sich die militärisch geschwächten Helvetier wahrscheinlich in ein für sie gar nicht so ungünstiges Bündnis (foedus) mit den Römern ein, die im Land der Bundesgenossen darauf zur Absicherung des Landes vor einem möglichen Einfall der Germanen zwei Militärkolonien in Augst (Colonia Augusta Raurica) und Nyon (Colonia Julia Equestris) gründeten. Archäologische Funde zeigen, dass es nach der Zeit Caesars zu einer regelrechten Nachblüte der keltischen Kultur in der Schweiz kam. Beide Umstände, foedus und kulturelle Blüte, sind Hinweise darauf, dass weder das Stammesleben noch die Bevölkerungszahl so drastisch reduziert wurde, wie Caesars Bericht vermuten lässt.

Die Eingliederung Helvetiens ins Römische Reich

Nach den Kämpfen mit den Römern zur Zeit Cäsars bricht die literarische Überlieferung über die Helvetier für eine gewisse Zeit ab. Die Helvetier und Rauriker sollen bereits 52 v. Chr. sich wieder am Kampf gegen Cäsar unter der Leitung des Vercingetorix beteiligt haben. Ihre Hilfskontingente seien dabei um die 10.000 Mann stark gewesen, von einer militärischen Erschöpfung kann also damals noch nicht gesprochen werden. Die staatsrechtliche Stellung der Helvetier nach der Niederlage der Gallier um Vercingetorix ist unsicher, besonders ob das foedus weiter Bestand hatte.

Die Römer legten auf jeden Fall in der Zeit um 40 v. Chr. zwei Militärkolonien auf dem Gebiet der Helvetier und der Rauriker an. Die Colonia Raurica (Augst) und die Colonia Iulia Equestris (Nyon) waren wohl dazu da, das nun römisch beherrschte Gallien vor helvetischen Einfällen abzusichern. Die Lage der Kolonien sperrt nämlich die einfachsten Wege nach Gallien über das Rhonetal und den Sundgau. Beide Kolonien entwickelten sich aber erst richtig unter der Herrschaft des Augustus, die Colonia Raurica musste sogar unter dem Namen Colonia Augusta Raurica neu gegründet werden. Archäologische Funde zeigen, dass es nach der Zeit Caesars zu einer regelrechten Nachblüte der keltischen Kultur in der Schweiz kam – die Helvetier waren alles andere als romanisiert. Die keltischen Münzfunde mit den Namen von Fürsten lassen auf eine aristokratische Organisation der Stämme schliessen.

Nach dem Ende des römischen Bürgerkrieges liess Augustus schrittweise zwischen 25 und 16 v. Chr. die Alpenvölker und Stämme unterwerfen, so dass der Alpenraum stärker ins römische Reich eingebunden wurde. Im Zusammenhang mit diesen Kämpfen verlegten die Römer grössere Truppenverbände in das Gebiet der Helvetier, besonders in die heutige Ostschweiz. Die römische Besetzung verstärkte schlagartig den Einfluss der römischen Kultur auf die Helvetier. Wichtige befestigte Plätze wurden verlassen, andere in römische Militärstationen umgewandelt wie Vindonissa (Windisch) oder Basilea (Basel). Das Oppidum auf dem Bois de Châtel wurde vom Hügel in die Ebene verlegt, wo die gallorömische Stadt Aventicum (Avenches) entstand. Bis zum Ende der Regierungszeit des Augustus wurden die Helvetier als Teil der Provinz Gallia Belgica und später der Germania Superior völlig in den römischen Machtbereich integriert und die Romanisierung der Bevölkerung und der Aristokratie setzte ein.

Der Helvetieraufstand 68/69 n. Chr. als letzte Auseinandersetzung zwischen Römern und Helvetiern

Unter der römischen Herrschaft bestand die Selbstverwaltung der Helvetier weiter. Die Volksgemeinde (civitas) war weiter in vier Teilstämme (pagi) aufgeteilt. Die civitas regelte das Steuerwesen autonom und stellte eine Miliz, die für den Grenzschutz und Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit zuständig war.

Die letzte Regung der helvetischen Eigenständigkeit ergab sich nach dem Tod Neros 68 n. Chr. Die Helvetier unterstützten den neuen Kaiser Galba und kamen deshalb in Konflikt mit den römischen Truppen auf ihrem Gebiet, denn diese unterstützten den Feldherrn Vitellius, der ebenfalls nach dem Kaisertum strebte. Als Galba in Rom ermordet und an seiner Stelle Otho als Kaiser aufgestellt wurde, bereiteten sich die römischen Legionen in Germanien auf einen Zug nach Rom vor, um ihren Kandidaten auf den Thron zu bringen. In diesem Zusammenhang kam es zu einem bewaffneten Zusammenstoss zwischen helvetischen Gruppen und der 21. Legion aus Vindonissa. Als Reaktion liess der römische Feldherr Caecina, der gerade mit dem obergermanischen Heer nach Helvetien gelangt war, hart durchgreifen. Die helvetischen Siedlungen im Aargau wurden geplündert und zerstört. Da die Helvetier Widerstand leisteten, wurden Tausende von ihnen umgebracht oder unter Kriegsrecht als Sklaven verkauft. Schliesslich besetzten die römischen Truppen die Stadt Aventicum, die zum Hauptort der helvetischen civitas geworden war, womit der Aufstand endete. Aventicum wurde anschliessend ebenfalls in eine römische Kolonie umgewandelt unter dem Namen Colonia Pia Flavia Constans Emerita Helvetiorum Foederata.

Das «Ende» der Helvetier

Nach dem Aufstand der Jahre 68/69 n. Chr. kam es nicht mehr zu militärischen Konflikten zwischen Römern und Helvetiern. Die helvetische Selbstverwaltung bestand weiter und die Helvetier besaßen im Allgemeinen das römische Bürgerrecht nicht. Es wurde nur an Einzelpersonen als Auszeichnung vergeben. Erst im Jahr 212 n. Chr. wurden die Einheimischen den römischen Kolonisten rechtlich gleichgestellt. Die Helvetier waren zu diesem Zeitpunkt stark romanisiert, trotzdem hatten sich die keltische Umgangssprache, keltische Gottheiten und Bräuche erhalten. Von Westen nach Osten bestand dabei ein starkes Gefälle in der Stärke der Romanisierung.

Gegen Ende der römischen Herrschaft in der Schweiz kam es zu einer letzten keltischen Renaissance. Trotzdem gelang es den Helvetiern nicht, nach dem Abzug der römischen Truppen 401 n. Chr. ein eigenes Staatswesen zu errichten. Alte keltische Oppida wurden zwar wieder neu befestigt und besiedelt, die romanisierten Helvetier konnten aber die Einwanderung der Alamannen ins zentrale und östliche Mittelland nicht verhindern. Die alten Siedlungen konnten sich zwar eine Zeit lang als Sprachinseln behaupten, die Helvetier wurden aber längerfristig mindestens in den nicht stark romanisierten Gegenden von den Einwanderern assimiliert. In der Westschweiz und im Alpenraum konnte sich das romanische Element behaupten.

Dennoch verbleiben bis heute keltische Einflüsse in der Schweiz. Der grössere Teil der Flüsse und die älteren Städte der Schweiz tragen keltische Namen. Auch Flur- und Landbezeichnungen sowie der schweizerdeutsche Dialekt weisen keltische Einsprengsel auf. So kommt etwa der Name des Innerschweizer Kantons Uri vom keltischen ure (Stier). Ob auch heutige Schweizer Volksbräuche wie das Verbrennen des Böög in Zürich oder gar die 1. August-Feiern (Feiertag des keltischen Wassergott Lugh) keltischen Ursprungs sind, bleibt Spekulation.

Nachgewiesene und vermutete keltische Oppida in der Schweiz

Die Keltische und Rätische Besiedlung der heutigen Schweiz

Die Gräberfunde aus der La-Tène-Zeit weisen darauf hin, dass damals das schweizerische Mittelland zwischen Lausanne und Winterthur besiedelt war. Schwerpunkte lagen im Aaretal zwischen Thun und Bern, im Gebiet zwischen Limmat bzw. Zürichsee und Reuss. In den Alpen war das Wallis offenbar relativ stark besiedelt, im Tessin die Gegend um Bellinzona und Lugano.

Die keltischen Oppida auf dem Gebiet der heutigen Schweiz lagen fast alle an oder in der Nähe der damals schiffbaren Flüsse. Die Oppida bestanden nicht alle gleichzeitig. Die keltischen Namen der Orte sind nicht überliefert. Allenfalls kann aus den lateinischen Ortsnamen auf die keltischen zurückgeschlossen werden.[8]

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Staehelin, 1948, S. 59
  2. Geogr. II 11,6
  3. Siehe SPM IV "Eisenzeit", Basel 1999, S. 32.
  4. Strab. 4.1.8, 7.2.2.
  5. L. Cassius cos. a Tigurinis Gallis, pago Helvetiorum, qui a civitate secesserant, in finibus Nitiobrogum cum exercitu caesus est. Milites, qui ex ea caede superaverant, obsidibus datis et dimidia rerum omnium parte, ut incolumes dimitterentur, cum hostibus pacti sunt. Livius, Periochae 61-65, LXV
  6. Nach Furger-Gunti 1984, S. 75–77.
  7. De Bello Gallico, I, 29
  8. Nach Furger-Gunti 1984, S. 50–58.

Literatur

  • Andres Furger-Gunti: Die Helvetier: Kulturgeschichte eines Keltenvolkes. Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1984. ISBN 3-85823-071-5.
  • Alexander Held: Die Helvetier. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 1984.
  • Felix Müller / Geneviève Lüscher: Die Kelten in der Schweiz. Theiss, Stuttgart 2004. ISBN 3-8062-1759-9.
  • Felix Staehelin: Die Schweiz in Römischer Zeit. 3., neu bearb. und erw. Aufl. Schwabe, Basel 1948.
  • Gerold Walser: Bellum Helveticum: Studien zum Beginn der Caesarischen Eroberung von Gallien. (Historia. Einzelschriften 118). Steiner, Stuttgart 1998. ISBN 3-515-07248-9.
  • SPM (Die Schweiz vom Paläolithikum bis zum frühen Mittelalter) IV Eisenzeit, Verlag Schweizerische Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte, Basel, 1999. ISBN 3-908006-53-8.

Weblinks


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