Helmuth Philipp Theodor Bossert

Helmuth Philipp Theodor Bossert

Helmuth Philipp Theodor Bossert (* 11. September 1889 in Landau in der Pfalz; † 5. Februar 1961 in Istanbul) war ein deutscher Kunsthistoriker und Vorderasiatischer Archäologe.

Leben

Bossert studierte bis 1913 in Heidelberg, Straßburg, München und Freiburg im Breisgau Kunstgeschichte, Geschichte, Archäologie und Germanistik. Er promovierte zum Thema Der ehemalige Hochaltar in Unserer Lieben Frauen Pfarrkirche zu Sternzing in Tirol. Anschließend kämpfte Bossert als Offizier im Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst beim Verlag Wasmuth. Hier arbeitete er vor allem zur Volkskunde verschiedener Zeiten und Völker, publizierte mit Wehrlos hinter der Front und Kamerad im Westen auch kritische Schriften zu den Auswirkungen eines kommenden Krieges. Der Gewinn aus seiner verlegerischen Tätigkeit gestattete ihm die Konzentration auf neue Studien.

Ab 1930 beschäftigte sich Bossert mit hethitischen Hieroglyphen. Binnen kürzester Zeit arbeitete er sich in die Thematik ein und galt schnell neben Piero Meriggi als bedeutendster Entzifferer der kretischen und hethitischen Bilderschriften. 1933 wurde er von der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft mit einem Reisestipendium ausgestattet. Eines der Hauptziele wurde die Ausgrabung in Boghazköi. Hier offenbarte er nach Darstellung des Grabungsleiters Kurt Bittels eine geistige Nähe zum Nationalsozialismus und bestand Bittel zufolge auf dem „deutschen Gruß“ auf der Grabungsstätte und auf Beflaggung mit der Hakenkreuzflagge, als ein französischer Minister die Ausgrabung besuchte. Zudem sollen er und Eckhart Unger versucht haben, die Grabungsleitung in Hattuša zu übernehmen und Bittel und Hans Gustav Güterbock wegen angeblich fehlender deutscher Gesinnung anzuschwärzen.

Bossert wurde 1934 an die Universität Istanbul auf einen Lehrstuhl für Altkleinasiatische Sprachen und Kulturen berufen. Er nahm in dieser Zeit auch die türkische Staatsbürgerschaft an. Zu Bosserts Lehrauftrag gehörte nicht zuletzt auch die Publikation hethitischer Denkmäler, die Bossert jährlich in den Sommersemestern besorgte. Zwischen 1939 und 1946 kamen die Forschungen kriegsbedingt fast vollständig zum Erliegen. 1946 setzte er seine Arbeit fort und entdeckte zusammen mit Halet Çambel und Bahadýr Alkým die späthethitischen Ruinen in Karatepe oberhalb von Adana. Die dort gefundenen zweisprachigen Inschriften - der Bilingue von Karatepe - führten schließlich zur Entschlüsselung der zu dieser Zeit als hethitische Hieroglyphen (nach heutigem Verständnis Hieroglyphenluwisch) eingestuften Schrift. Eine 1954 begründete Zeitschrift Jahrbuch für Kleinasiatische Forschung erlebte nur drei Jahrgänge. Seit 1955 führte er mehrere Grabungskampagnen in Misis durch. 1959 emeritierte er in Istanbul und wurde zum Honorarprofessor in Freiburg ernannt, blieb aber in Istanbul.

Nach seiner Berufung an die Universität Istanbul heiratete er seine zweite Frau Hürmüz. Seine Tochter aus erster Ehe Eva-Maria Fischer-Bossert ist eine ebenfalls bekannte Archäologin.

Schriften

  • Der ehemalige Hochalter in Unserer Lieben Frauen Pfarrkirche zu Sternzing in Tirol, Innsbruck 1914
  • Das Ornamentwerk. Eine Sammlung angewandter farbigen Ornamente und Dekorationen. Unter besonderer Berücksichtigung der weniger bekannten Kulturen für den praktischen Gebrauch, Wasmuth, Berlin 1924
  • Volkskunst in Europa. Nahezu 2100 Beispiele unter besonderer Berücksichtigung der Ornamentik auf 132 Tafeln, darunter 100 in mehrfarbiger originalgetreuer Wiedergabe, Wasmuth, Berlin 1926
  • Geschichte des Kunstgewerbes aller Zeiten und Völker, 6 Bände, Wasmuth, Berlin 1928-1935
  • Kamerad im Westen, 1930
  • Wehrlos hinter der Front, 1931
  • Šantaš und Kupapa : neue Beitr. z. Entzifferung d. kret. u. hethit. Bilderhandschrift, 1932
  • Altanatolien, 1942
  • Die Ausgrabungen auf dem Karatepe (Erster Vorbericht) - Karatepe Kazilari : Birinci ön-rapor, 1950
  • Altsyrien, 1951

Weblinks


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