Heinrich Lausberg

Heinrich Lausberg

Heinrich Lausberg (* 12. Oktober 1912 in Aachen; † 11. April 1992 in Münster) war ein deutscher Romanist und Rhetoriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Lausberg studierte klassische und romanische Philologie in Bonn und Tübingen. Anschließend unternahm er eine Forschungsreise nach Italien zur Dialektforschung „Mundarten Süd-Lukaniens“ und schrieb seine Dissertation. Mit 22 Jahren war er Doktor sowie in Fachkreisen anerkannter Romanist und Linguist. Als kundiger Romanist und Altphilologe wurde er im Zweiten Weltkrieg als Dolmetscher in Russland und Italien eingesetzt.

Nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft habilitierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Kurze Zeit später lehrte Lausberg an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn wo er auf seinen zukünftigen Mentor Ernst Robert Curtius traf. 1949 wurde er an die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster als Leiter des Romanischen Seminars berufen. Dort beschäftigte er sich mit der europäischen Literatur und ihrer neuen Interpretation. Als Interpretationshilfsmittel verfasst Lausberg 1949 die Elemente der literarischen Rhetorik. Seine rhetorische Arbeit war nur Mittel zum Zweck. Anschließend führte er diese Überlegungen 1960 mit dem Handbuch der literarischen Rhetorik fort.

1972 ging Lausberg an die Gesamthochschule in Paderborn um ein neues romanisches Seminar aufzubauen. Gegen Ende seiner Karriere widmete er sich der reinen Textinterpretation, so deutet er viele christliche Texte aus dem Mittelalter und interpretiert das Johannes Evangelium. Lausberg machte sich in drei Wissenschaftsbereichen verdient: Sprachwissenschaften, Rhetorik und Literaturwissenschaften. Er verband dieses Wissen in seinen Arbeiten miteinander. Die Altphilologin Marion Lausberg ist seine Tochter.

Rhetorische Werke

Die Elemente und das Handbuch der literarischen Rhetorik sind zu Lausbergs Zeit an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster entstanden. Die Motivation zu diesen Arbeiten entstand an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn im Kontakt mit Curtius. Curtius beschäftigte sich nach dem Krieg besonders mit der europäischen Literatur und ihrer Interpretation. Trotz der gegebenen Vielfalt der Literatur formulierte Curtius eine Gemeinsamkeit: die europäische Literatur basiert auf Latein. Diesen Bezug zu Latein und der Antike sah Lausberg ebenfalls. Deswegen bezog sich Lausberg auf die klassische (antike) Rhetorik.

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat die europäische Literatur erstmalig aus den Nationalstaatsgrenzen in gegenseitigen Wettbewerb. Es galt die Literatur miteinander zu vergleichen. Besonders westliche und sozialistische Literatur traten in Konkurrenz. Lausberg entwickelte ein Interpretationshilfsmittel, welches denselben Hintergrund besitzt (Latein als Basis): D. h., die europäische Literatur konnte mit gleichen Maßstäben allgemein interpretiert werden. Lausberg besaß eine große Leidenschaft für Latein, d. h. für die Antike und das Mittelalter und versucht, generell das Alte mit dem Neuen in Verbindung zu setzen. Deswegen bezog er sich in seinen Arbeiten zur Literaturinterpretation auf die Antike Rhetorik. Lausberg war praktizierender Katholik. In seinen rhetorischen Schriften und Textinterpretationen konnte er sich diesem Interesse widmen (christliche Texte auf Latein / das antike christliche Rom).

Obwohl Heinrich Lausberg traditionell in der Literaturwissenschaft und Linguistik seine Schwerpunkte fand, hat er sich in seinen beiden Werken Handbuch der literarischen Rhetorik und Elemente der literarischen Rhetorik intensiv mit der Rhetorik auseinandergesetzt. Wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben entstanden seine Werke aus mehrjähriger Praxis.

Allerdings reißt er in seinem Werken das gesamte System der Rhetorik nur kurz an, sein Hauptaugenmerk legte Lausberg auf zwei Stadien rhetorischer Produktion; dispositio und elocutio und hier im Besonderen die elocutio, also sprachliche Gestaltung eines Textes.

Dieses Vorgehen begründete Lausberg damit, dass er mit seinen Werken „ein pädagogischen Ziel verfolgt: es will dem Anfänger den Weg (…) zu einem (…) sinnvollen Studium der Literaturwissenschaft ebnen und darüber hinaus auch den in Praxis der Textinterpretation stehenden Philologen ein orientiertes Hilfsmittel sein“.

Lausberg sieht in der Rhetorik ein „System gedanklicher und sprachlicher Formen (..) Und wie auch grammatische Formen sollte der Literaturwissenschaftler auch diese rhetorischen Formen kennen und nach Möglichkeit beherrschen. Obwohl bei einem Zuhörenden oder Lesenden ein grammatisches Bewusstsein vorhanden sein muss, um zum Beispiel die Form eines Imperatives, die der Redende oder Orator verwendet, auch als einen Imperativ und die daraus resultierende erwartete Konsequenz zu erkennen, ist dies wiederum bei rhetorischen Formen nicht der Fall. Eine „empirische Beherrschung (..) der verwendeten rhetorischen Formen ist beim Zuhörer nicht notwendig(!)“. Ein Zuhörer wird also beispielsweise von einer rhetorischen Frage emotional erregt auch ohne dass er die rhetorische Frage als solche wissenschaftlich erkennt oder beherrscht.

Bei der Textinterpretation jedoch, lässt ein Philologe das Werk eines Verfassers nicht nur so auf sich wirken, wie es auf die Zuhörenden wirkt, sondern muss vielmehr analytisch erkennen, durch welche Formen, grammatischer aber auch rhetorischer Art, der Verfasser diese Wirkung erreicht.

Lausberg beschränkte sich jedoch in seinen Werken nicht nur auf die hauptsächliche Auseinandersetzung mit dispositio und elocutio, sondern betrachtete auch die Epoche. So beschäftigte er sich also nicht mit rhetorischen Formen der Antike, des Mittelalters und der Neuzeit, sondern konzentrierte sich auf die Antike als Ausgangspunkt. Hier würden sich laut Lausberg die meisten Formen finden, die auch auf Mittelalter und Neuzeit angewendet werden können, da sich auch viele Parallelen zur Antike finden lassen. Lausberg erklärte sich das mit der Phänomen-Breite in der Antike, in der die Rhetorik verglichen mit anderen Epochen eine wesentlich stärkere Wissenschaftliche Bedeutung hatte.

Literatur

  • Lausberg, Heinrich: Elemente der Literarischen Rhetorik, Max Hueber: München 1949, 3. Auflage 1967, ISBN 319006508X
  • Lausberg, Heinrich: Handbuch der Literarischen Rhetorik, Max Hueber: München 1960, ISBN 3515055037, 4. Auflage Franz Steiner: Stuttgart 2008, ISBN 978-3-515-09156-5
  • Lausberg, Heinrich: Romanische Sprachwissenschaft I. Einleitung und Vokalismus, Walter de Gruyter & Co: Berlin 1956 (Sammlung Göschen Band 128)
  • Lausberg, Heinrich: Romanische Sprachwissenschaft II. Konsonantismus, Walter de Gruyter & Co: Berlin 1956 (Sammlung Göschen Band 250)
  • Lausberg, Heinrich: Romanische Sprachwissenschaft III. Formenlehre, Walter de Gruyter & Co: Berlin 1962 (Sammlung Göschen Band 1199, 1200/1200a).
  • Weinrich, Harald / Richard, Hans Albert / Feldbusch, Elisabeth u.a.: in memoriam Heinrich Lausberg: Paderborner Universitätsreden, Paderborn 1993.
  • Babilas, Wolfgang (Hrsg.): Heinrich Lausberg zum Gedenken: Akten eines wissenschaftlichen Kolloquiums, Nodus Publikationen, Münster 1994.

Weblinks


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