Heinrich Lahmann

Heinrich Lahmann
Heinrich Lahmann (1860–1905)
Bildnis in Dresden-Weißer Hirsch am Stechgrund

Johann Heinrich Lahmann (* 30. März 1860 in Bremen; † 1. Juni 1905 in Friedrichstal bei Radeberg) war ein deutscher Arzt und Naturheiler. Er stand den Gedanken der Lebensreform nahe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Grab Lahmanns im Familienmausoleum auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch

Heinrich Lahmann wurde 1860 als Sohn des Reepschlägers Albert Lahmann und dessen Frau Elisabeth Erichs in Bremen geboren. Nach dem Abitur studierte er erst zwei Jahre lang Technik in Hannover, dann Medizin in Greifswald, München, Leipzig und Heidelberg, wo er promoviert wurde. Zunächst ließ er sich in Stuttgart als praktischer Arzt nieder, wo er seine erste Schrift publizierte mit dem Titel Kritik der Prof. Dr. Jägerschen Wollbekleidungslehre, Seelenlehre und Heiltheorie. Darin kritisierte er die Ansichten des Mediziners Gustav Jäger, der eine Reformkleidung aus Wolle als einzig gesunde Kleidung propagierte und auch herstellen ließ. Lahmann plädierte dagegen für Baumwolle vor allem als Unterwäsche und ließ später auch solche unter seinem Namen produzieren.

1886 bot ihm Johann von Zimmermann die Leitung seiner Naturheilanstalt in Chemnitz an. Doch zerstritten sie sich offenbar innerhalb kurzer Zeit, denn schon 1887 wechselte der Mediziner nach Dresden und eröffnete am 1. Januar 1888 im Dresdner Vorort (heute Stadtteil) Weißer Hirsch ein eigenes Sanatorium unter dem Namen „Physiatrisches Sanatorium“ im „Frida-Bad“, einer 1883 geschlossenen Kuranstalt. Zunächst arbeiteten dort nur zehn Mitarbeiter, doch behandelte er schon im ersten Jahr 385 Kurgäste. Im selben Jahr heiratete Lahmann Pauline Haase (1867-1910); aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Lahmann starb 1905 im Alter von 45 Jahren an einer Herzmuskelentzündung als Folge einer Grippe. Er wurde auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch beigesetzt.

Leistungen

Lahmann hatte sich bereits während seines Studiums mit Naturheilkunde beschäftigt, unter anderem mit den Methoden von Vincenz Prießnitz und Johann Schroth. Er wandte sich ganz von der klassischen Medizin ab und strebte die Schaffung eines einheitlichen alternativen Heilsystems an, das vor allem die Hydrotherapie, die Schwedische Heilgymnastik, Luftbäder und gesunde Ernährung umfassen sollte. Medikamente lehnte er grundsätzlich ab. 1891 veröffentlichte er sein Buch mit dem Titel Die Diätetische Blutentmischung als Grundursache aller Krankheiten. Darin entwickelte er die Theorie, alle Krankheiten seien letztlich durch falsche Ernährung verursacht und folglich auch durch richtige Ernährung zu verhüten.

Er ging davon aus, dass die übliche Kost zu säurereich sei und zu wenig basische Mineralstoffe enthalte, die er „Nährsalze“ nannte. Damit war er wohl der erste, der die Bedeutung von Mineralstoffen erkannte; die Vitamine waren zu dieser Zeit noch nicht entdeckt. 1895 richtete er ein Labor ein, in dem Untersuchungen zum menschlichen Stoffwechsel durchgeführt wurden, die seine Theorien bestätigen sollten. Seine Ernährungstheorie zur „Blutentmischung“ und die Empfehlung einer „basenreichen Ernährung“ ist heute bei Ernährungswissenschaftlern und Medizinern umstritten, wird aber in der Alternativmedizin nach wie vor als richtig angesehen.

Lahmann empfahl eine überwiegend vegetarische Ernährung, die vor allem aus Salat, Gemüse, Obst und Nüssen bestehen sollte, ergänzt durch Milch und Milchprodukte sowie Vollkornbrot. Fleisch und Genussmittel sollten auf den Sonntag beschränkt bleiben. Im Laufe der Zeit entwickelte er fünf verschiedene Kostformen für seine Patienten: „Normalkost“, rein vegetarische Kost, Kost für Übergewichtige, Schonkost und Kost für Diabetiker. Maximilian Bircher-Benner weilte zu einem Informationsaufenthalt bei Lahmann ehe er sein eigenes Sanatorium in Zürich eröffnete.

Lahmanns Kurkonzept basierte neben der Ernährung auf Wasseranwendungen, so genannten Luftbädern und Bewegung in der freien Natur, also Prinzipien der Abhärtung. Einige Patienten waren in „Lufthütten“ untergebracht, auch verordnete er Liegekuren im Freien. Jeden Morgen trafen sich die Patienten leicht bekleidet zur Gymnastik im Park, die Frauen im „Luftbadehemd“, die Männer in kurzen Hosen, und zwar auch im Winter. Zur Abwechslung wurde in dieser Kleidung auch gekegelt, Männer wurden auch zum Holzsägen und Sandschippen angehalten.

Das Sanatorium entwickelte sich zu einer namhaften, international frequentierten Einrichtung. 1893 hatte es erstmals in einem Jahr über 1000 Patienten, im Todesjahr Lahmanns 1905 waren es knapp 4000. Bekannte Kurgäste waren in späteren Jahren unter anderem Heinrich George, Heinz Rühmann und Johannes Heesters.

Nach Lahmanns Tod wurde das Haus von der Familie weitergeführt. Von 1920 bis 1924 war Johannes Heinrich Schultz, der das Autogene Training entwickelte, Chefarzt und wissenschaftlicher Leiter des Sanatoriums. Im Zweiten Weltkrieg diente es als Lazarett.

Von 1945 bis 1990 wurde das Lahmann-Sanatorium von der Roten Armee genutzt und dabei die Bausubstanz extrem vernachlässigt. Seit dem Abzug der Roten Armee steht das Lahmann-Sanatorium leer. Anfang 2011 wurde es an die Firma Baywobau verkauft, die die denkmalgeschützten Gebäude sanieren und vor allem altersgerechte Wohnungen schaffen will.[1] Ein erster städtebaulicher Wettbewerb wurde noch 2011 abgeschlossen und die Vermarktung begonnen, 2013 sollen die ersten Bewohner einziehen können.[2]

Werke

  • Die Reform der Kleidung. A. Zimmer's Verlag, 1898
  • Das Luftbad als Heil- und Abhärtungsmittel. Otto Reichl Verlag, 1986 (Neuauflage der Ausgabe Stuttgart 1898) ISBN 3876671086
  • Die Diätetische Blutentmischung als Grundursache der Krankheiten. Ein Beitrag zur Lehre von der Krankheitsanlage und Krankheitsverhütung. Otto Reichl Verlag, 1987 (Neudruck der 15. Auflage, Leipzig 1905) ISBN 3876670861
  • Die Kohlensäurestauung in unserem Körper - die wichtigste allgemeine Krankheitsursache. Ein Beitrag zum Verständnis des Wesens innerer Krankheiten. Otto Reichl Verlag, 1986 (Neudruck der 3. Aúflage, Stuttgart 1905) ISBN 3876671094

Literatur

  • Alfred Brauchle: Der erste wissenschaftliche Naturarzt. Dr. med. Heinrich Lahmann. In: derselbe: Geschichte der Naturheilkunde in Lebensbildern. 2. erw. Aufl. von Große Naturärzte. Reclam Verlag, Stuttgart 1951, S.228-239
  • Jürgen Helfricht: Biografie des berühmten Dresdner Naturheilers Dr. med. Heinrich Lahmann (1860 - 1905). In: Lahmanns Dresdner Kochbuch. Dresden (Edition Krickau) 2001, S. 273 - 313 ISBN 3-00-006709-4
  • Marina Lienert: Naturheilkundiges Dresden. Dresden (Elbhang-Kurier-Verlag) 2002 ISBN 3936240043
  • Horst Milde: Der Weiße Hirsch. Aufstieg und Fall eines Erholungsortes. Dresden (Elbhang-Kurier-Verlag) 2005 ISBN 393624006X

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Juliane Richter: Baywobau saniert das Lahmann-Sanatorium. In: Sächsische Zeitung, Ausgabe Dresden, vom 26. Januar 2011.
  2. Kay Haufe: Das Lahmann-Areal bekommt Zwillings-Türme In: Sächsische Zeitung, Ausgabe Dresden, vom 26. April 2011.

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