Heimwehren

Heimwehren
Dieser Artikel behandelt die österreichischen Heimwehrgruppen. Für die regulären militärischen Streitkräfte des Unabhängigen Staates Kroatien während des Zweiten Weltkriegs („Kroatische Heimwehr“, „Domobrani“) siehe Hrvatsko domobranstvo; für die aktuelle dänische Heimwehr siehe Hjemmeværnet
Der Bundesführer der österreichischen Heimwehr bis September 1930: Bundesrat Dr. Richard Steidle (mitte) mit dem Kommandanten Baron Pranckh (rechts) und dem zweiten Bundesführer Baron von Bachofen-Esch (links), 1930
Aufmarsch von Angehörigen der Heimwehr, Wiener Neustadt 1931
Abzeichen der Heimwehr zur Erinnerung an die Februarkämpfe 1934

Eine Heimwehr ist im allgemeinen eine bewaffnete paramilitärische Einheit. In Österreich werden mit diesem Ausdruck – im engeren Sinne – die dem nationalen Lager bzw. der politischen Rechten zuzurechnenden paramilitärischen „Selbstschutzverbände“ der Zwischenkriegszeit bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

In Österreich bildeten sich nach Ende des Ersten Weltkriegs Heimwehren in einzelnen Gebieten aus verschiedenen Selbstschutzverbänden, die sich später, zuerst in Tirol, auch bundesländerweise zusammenschlossen. Zunächst waren die österreichischen Heimwehrgruppen an Grenzstreitigkeiten mit ungarischen und Truppen des SHS-Staats (späteres Jugoslawien) beteiligt. In den deutschsprachigen Gebieten der böhmischen Länder, dem Sudetenland, hieß die Heimwehr Volkswehr. Sie lieferte sich dort im November und Dezember 1918 punktuell Kämpfe mit der neuen tschechoslowakischen Armee, der so genannten Übergangsarmee. Nachdem Österreichs Staatsgrenzen endgültig geregelt waren, blieb hier als Gegner nur mehr der – aus Sicht der Heimwehrmitglieder – „militante Marxismus“, vor dem es das Bürgertum zu „schützen“ galt. Das führte auch dazu, dass in Österreich von Seite des sozialdemokratischen Lagers 1923 der Republikanische Schutzbund als „defensives Gegengewicht“ zu den Heimwehren gebildet wurde.

Die Lage zwischen Heimwehren und Republikanischem Schutzbund radikalisierte sich zunehmend und die Heimwehren gewannen dadurch politisch an Stärke. Nach dem Justizpalastbrand im Jahr 1927, der zum so genannten Julimassaker unter Arbeitern führte, die gegen den Justizirrtum des Schattendorfer Urteils protestierten, erlebte die Heimwehrbewegung in Österreich einen gewaltigen Aufschwung.

Im austrofaschistischen Ständestaat (1933–1938) hatten die Heimwehren unter anderem im Rahmen des Schutzkorps polizeiliche und sicherheitstechnische Aufgaben. Später gingen sie in der Vaterländischen Front und in der Frontmiliz auf.

Politische Zuordnung

Zwar standen die Heimwehren der Christlichsozialen Partei und auch dem Deutschnationalen Lager nahe, wurden von Ignaz Seipel und anderen christlichsozialen Politikern unterstützt, begnügten sich jedoch auf Dauer nicht mit der Rolle als paramilitärischer Arm dieser Parteien. 1930 bekannten sie sich im Korneuburger Eid zu antidemokratischen Zielen, die bereits auf den Austrofaschismus verweisen. Das Korneuburger Programm nahm eine Gegenposition zum Linzer Programm der Sozialdemokraten ein, welches auf demokratische Machtübernahme ausgerichtet war, dem aber propagandistisch unterstellt wurde, eine Diktatur des Proletariats anzustreben.

Versuche, die Heimwehren bundesweit unter einheitlicher Führung zusammenzuschließen, wurden zwar mehrmals unternommen, scheiterten langfristig allerdings an den differierenden Zielsetzungen der einzelnen Heimwehrverbände und -gruppen und den Rivalitäten ihrer Führer (unter anderem Walter Pfrimer, Ernst Rüdiger Starhemberg, Richard Steidle). Die Heimwehr wurde daher nie die starke, geeinte und überparteilich agierende „Volksbewegung“, als die sie sich gerne ausgab.

Die Heimwehrgruppen wurden von Industriellen und Großgrundbesitzern, vor allem aus der Steiermark, sowie durch die italienischen Faschisten, das ungarische Regime und Gruppierungen der bayerischen Rechten finanziell, logistisch und mit Waffenlieferungen (Hirtenberger Waffenaffäre) unterstützt. Als militärische „Berater“ und Funktionäre fungierten zahlreiche Frontoffiziere des Ersten Weltkriegs (unter anderem Ellison, Gallian, Hülgerth, Lustig-Prean, Polten).

Uniformierung

Angehörige der Heimwehr, Wiener Neustadt 1931

Aufgrund ihrer Kopfbedeckung, einem Hut oder einer Kappe mit einem „Spielhahnstoß“ (waidmännischer Ausdruck für die Schwanzfedern des Birkhahns), welcher von den Tiroler Landesschützen übernommen wurde, nannte man sie auch „Hahnenschwanzler“. Unter ihren Gegnern kursierte der Spottvers:

Hahnenschwänzler, Hahnenschwänzler bist ein armer Tropf. Was der Hahn am Hintern hat, trägst du stolz am Kopf.[1]

Grundsätzlich war eine einheitliche Uniformierung der Heimwehrmitglieder beabsichtigt, zu beobachten war eine solche jedoch nur selten, da die Mitglieder im Allgemeinen selbst für ihre Bekleidung aufkommen mussten. Daher waren die Heimwehrmänner sowohl mit militärischen als auch zivilen Kleidungsstücken aller Art versehen.

Einzelnachweise

  1. Zitat aus: Gertrud Rama: Die Unvollendete. Books on Demand GmbH, 2000, S. 9. Online hier.

Literatur

  • Chraska, Wilhelm: Die Heimwehr und die Erste Republik Österreich. Überlegungen zur österreichischen Staatswerdung nach dem Zusammenbruch der Monarchie 1918. Kiel 1981.
  • Kerekes, Lajos: Abenddämmerung einer Demokratie. Mussolini, Gömbös und die Heimwehr. Europa Verlag, Wien-Frankfurt-Zürich 1966.
  • Wiltschegg, Walter: Die Heimwehr. Eine unwiderstehliche Volksbewegung? (= Studien und Quellen zur österreichischen Zeitgeschichte, Band 7), Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1985, ISBN 3-7028-0221-5.

Weblinks


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