Heiligenverehrung

Heiligenverehrung
Heiligenverehrung in Noto (San Corrado)

Die Heiligenverehrung ist die Verehrung einzelner Menschen, von denen man glaubt, dass sie zur Heiligkeit berufen waren und die ein heiligmäßiges Leben geführt bzw. die Kriterien für die Heiligsprechung durch eine Glaubensgemeinschaft erfüllt haben.

Formen von Heiligenverehrung gibt es innerhalb des Christentums in der katholischen Kirche, den Ostkirchen, in der anglikanischen Kirche und in einigen protestantischen Denominationen; darüber hinaus auch im Hinduismus und im Buddhismus, im Islam und im Judentum.

Inhaltsverzeichnis

Christentum

Bibel

Direkte Belege für Heiligenverehrung im heutigen kirchlichen Verständnis gibt es nicht. Im Neuen Testament wird von Menschen als "Heiligen" fast immer in der Mehrzahl gesprochen (einzige Ausnahme: Johannes der Täufer als ein "heiliger Mann", Markus 6,20). Die Christen werden pauschal als solche bezeichnet, z.B. "an die Heiligen in Rom" (Römer 1,7), es wird also nicht ein einzelner Mensch als Heiliger besonders herausgehoben. Einige Schriftstellen werden als Hinweise auf Heiligenverehrung herangezogen, z. B. 1 Kor 12,26 ("wenn ein Glied leidet, so leiden alle mit"), Hebr 13,7 ("gedenkt eurer Führer!"), Offb 6,9 (die als Zeugen getöteten Seelen). An allen diesen Stellen wird aber der Begriff "Heilige" nicht verwendet.

Katholische und orthodoxe Kirche

In der der christlichen Ikonographie werden die Heiligen meist mit einem Heiligenschein als Symbol ihrer Heiligkeit dargestellt. Auf dieser ikonograpischen Darstellung des letzten Abendmahls ist Judas daran erkennbar, dass er keinen Heiligenschein trägt.

Die Heiligenverehrung (lat. veneratio, griech. δουλεία, douleia) ist in der katholischen und der orthodoxen Kirche die feierliche Ehrung einer Person und dadurch die Verherrlichung Gottes selbst, der die „heilige“ Person (nach seinem Ebenbild) erschaffen, in Gnade angenommen, mit Charismen reich beschenkt und nach Ablauf ihres irdischen Lebens bei sich vollendet hat.[1] Die Verehrung der Gnade Gottes, die in den Heiligen verwirklicht gesehen wird, wird häufig äußerlich in einer Form der respektvollen Verneigung vor einem Heiligenbild (Ikone) oder einer Reliquie zum Ausdruck gebracht, normalerweise verbunden mit dem Kreuzzeichen; auch ein Kuss der Ikone oder Reliquie, ein gegenseitiger „Friedenskuss“ oder eine andere kulturell angemessene Weise des Zeigens von Ehre und Respekt kann erfolgen. Eine Art der Verehrung ist auch die Reliquienprozession. Eine Pflicht zur Heiligenverehrung gibt es in der katholischen Kirche nicht. Die Heiligenverehrung hängt eng mit dem Begriff der Gemeinschaft der Heiligen zusammen, die alle Christen im apostolischen Glaubensbekenntnis bezeugen.

Heilige haben einen Gedenktag im allgemeinen oder regionalen liturgischen Kalender. In der Regel ist es ihr Todestag („Geburtstag im Himmel“). An diesem Tag wird des oder der Heiligen in den liturgischen Texten der Heiligen Messe und des Stundengebets gedacht. Der vielen unbekannten bzw. unerkannten Heiligen gedenkt die Kirche am Hochfest Allerheiligen.

Auch Orte (Kirchen, Berge, Quellen), Devotionalien und Zeiten (Feiertage, Fasttage) können als „heilig“ betrachtet werden, insofern an ihnen bzw. durch sie Gott Ehre erwiesen wird. Alle christlichen Kirchen, ob sie Heiligenverehrung praktizieren oder nicht, halten daran fest, dass Anbetung nur Gott allein gebührt.

Lutherische Kirchen

Der Begriff der "Heiligenverehrung" kann sehr weit gefasst werden, daher sind die Unterschiede zu beachten. Das ehrenvolle Andenken an das Wirken außergewöhnlicher Menschen stößt kaum auf Einwände. Die Lutherische Kirche bekennt sich in der Augsburgischen Konfession dazu, der Heiligen zu gedenken. Im 21. Artikel heißt es, dass der Glaube gestärkt wird, wenn die Kirche sieht, wie Gott den Heiligen Gnade erwiesen hat. An den guten Werken der Heiligen soll die heutige Kirche sich ein Beispiel nehmen. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche begeht solches Gedenken auch gottesdienstlich.

Evangelische Kritik

Kritik an der Heiligenverehrung gibt es vor allem im evangelischen Bereich. Dort wird betont, dass Heilige so wie Menschen im Allgemeinen niemals in einer Weise verehrt werden sollen, dass Ähnlichkeiten zur Anbetung Gottes bestehen. Solche Ähnlichkeiten können äußere Formen (Niederknien vor Bildern) oder Inhalte (Formulierungen in Gebeten) betreffen. Die katholische Theologie unterscheidet korrekt, dass Heilige keineswegs angebetet werden sollen, sondern ledigich um ihre Fürsprache bei Gott angerufen werden. Die tatsächliche Praxis stößt im evangelischen Bereich aber oft auf Kritik.[2] Kritiker wie Wiclif, Martin Luther oder Johannes Calvin sahen durch die Anrufung von Heiligen als Mittler zu Gott das Vertrauen auf Jesus Christus als alleinigen Vermittler beeinträchtigt. Wer sich primär an einen bestimmten Heiligen wendet (etwa deshalb, weil er Jesus für göttlich und daher zu erhaben empfindet), der entwickele dann vor allem zu diesem Heiligen eine persönliche Beziehung (anstatt zu Jesus). Die manchmal für das Anrufen von Heiligen vorgebrachte Begründung, dass ein durch einen solchen Heiligen an Gott weitergeleitetes Anliegen bei Gott offener aufgenommen werde, zeige ein problematisches Gottesbild. Das Verbot, Kontakt zu Verstorbenen zu suchen, beziehen Evangelische auf alle Menschen, auch auf Heilige. Diese sind - im Unterschied zu Gott - nicht allgegenwärtig, daher sei es gar nicht möglich, sie weltweit überall anzurufen.

Siehe auch

Weblinks

Einzelbelege

  1. Verlautbarungen des apostolischen Stuhls Nr. 160 (vom 17. Dezember 2001), Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie, Nr. 211, 212.
  2. Franz Stuhlhofer: Zu Heiligen beten? Aßlar 1988.

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