Heidelberger Jesuitenkirche

Heidelberger Jesuitenkirche
Fassade der Jesuitenkirche
Heidelberger Jesuitenkirche
Innenansicht der Jesuitenkirche
Die neue Kuhn-Orgel (2009)
Heidelberger Jesuitenkirche vom Heiligenberg aus (Aussichtsturm beim ehemaligen Stephanskloster)

Die Jesuitenkirche von Heidelberg gilt als Wahrzeichen der Gegenreformation und bildet den architektonischen Schwerpunkt des ehemaligen Jesuitenviertels in der Altstadt in unmittelbarer Nähe des Universitätsplatzes. Sie ist heute die Hauptkirche der römisch-katholischen Heilig-Geist-Gemeinde in Heidelberg (Altstadt).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte (Überblick)

Der Jesuitenorden war, nach einem kurzen Intermezzo während des Dreißigjährigen Krieges, von 1698 bis zur Auflösung des Ordens im Jahre 1773 in Heidelberg ansässig.

Der Bau der Jesuitenkirche wurde in den Jahren 1712 bis 1723 unter der Leitung von Johann Adam Breunig begonnen. Die Fertigstellung erfolgte jedoch erst 1759 unter dem Architekten des kurpfälzischen Hofes, Franz Wilhelm Rabaliatti.

1793–1797 wurde die Jesuitenkirche als Lazarett für Verwundete des ersten Koalitionskrieges genutzt. Auch noch während der ersten Hälfte der Napoleonischen Kriege, insgesamt bis 1808, diente die Kirche als Lazarett.

Am 1. November 1809 wurde die Jesuitenkirche zur einzigen katholischen Pfarrkirche Heidelbergs erhoben.

1868–1872 wurde der Turm der Kirche gebaut. Während der Renovierung von 1872–74 wurde die Kirche entbarockisiert. (Seitdem befindet sich der Marienaltar in der kath. Kirche auf dem Dilsberg). Die vorletzte Kirchenrenovierung war in den Jahren 1953/54, dabei wurde die Kirche innen hell anstatt dunkel gehalten. Die Kirche wurde zum letzten Mal von 2001–2004 renoviert. Dabei wurde der Altarbezirk neugestaltet. Auch erhielt die Kirche ein neues Gestühl und eine neue Verglasung. Aufgegeben wurde die Steinmeyer-Orgel von 1953/55, die z. Zt. in einem privaten Orgelmuseum eingelagert ist. Eine neue, durch die Fa. Kuhn in Männedorf/Schweiz zu erbauende Orgel soll 2009 eingeweiht werden.

Baugeschichte der Jesuitenkirche

Nachdem das 1703 begonnene Kollegiengebäude schon teilweise fertiggestellt war, wurde 1712 der Grundstein für die Kirche gelegt. Vorbild für diesen Bau war die damals noch neue Jesuitenkirche St. Martin in Bamberg. Die erste Bauphase unter der Ägide Adam Breunigs dauerte bis 1723. Bis zu diesem Zeitpunkt war nur der Chorbereich vollendet. Das Kirchenschiff bestand nur in Ansätzen. Die Bautätigkeiten wurden dann für eine längere Zeit unterbrochen. Hauptgrund dafür war, dass Kurfürst Johann Wilhelms Nachfolger Carl Philipp in seiner neuen Residenz Mannheim den Bau der dortigen Jesuitenkirche favorisierte und die Heidelberger Ordensleute nicht mehr genug unterstützte.

Erst 1749, als schon Carl Theodor Kurfürst war, wurden die Bauarbeiten fortgesetzt. Nach zehnjähriger Bautätigkeit war 1759 unter der Leitung Franz Wilhelm Rabaliattis das Kirchenschiff und die nördliche Giebelfassade vollendet. Der heute wie selbstverständlich zur Stadtsilhouette dazugehörende 78 Meter hohe Turm der Kirche wurde allerdings erst in den Jahren 1868–1872 gebaut.

Architektur

Die im Barockstil erbaute Jesuitenkirche ist eine dreischiffige Hallenkirche. Das Langhaus besteht aus fünf Jochen, der Hallenchor aus zwei Jochen. Das Baumaterial ist im wesentlichen heimischer Buntsandstein. Das Innere des inzwischen schon sieben mal, zuletzt von 2001–2004 restaurierten Sakralbaus ist ganz in Weiß gehalten. Nur die Kapitelle der Säulen sind grün gefasst und teilvergoldet.

Besonders eindrucksvoll ist die Hauptfassade an der Nordseite, die prächtige Giebelfassade am Richard-Hauser-Platz. Sie vertritt mit der Superposition zweier Ordnungen den in Deutschland seltenen Typ der Römischen Fassade und erinnert an die Mutterkirche des Jesuitenordens, Il Gesù in Rom. Die Fassade ist in drei Vertikalachsen aufgeteilt. Der Mittelteil ragt auffallend hoch auf, mit einem Dreiecksgiebel als Abschluss. In der mittleren Nische im oberen Teil steht die Figur des Erlösers Jesus Christus. Seitlich darunter, in den Nischen über den Seitenportalen, stehen die Skulpturen des Ordensgründers Ignatius von Loyola und des Jesuitenmissionars Franz Xaver. An den Seiten des geschwungen aufragenden Mittelteils finden wir die Allegorisierungen der christlichen Kardinaltugenden Liebe und Hoffnung. Auf der Giebelspitze, über den Dächern der Stadt weithin sichtbar, steht mittig in triumphierender Haltung die Kardinaltugend des Glaubens mit dem Zeichen des Kreuzes.

Sehenswert im Inneren sind die Fresken der drei Altäre. Am Hauptaltar wird das Pfingstwunder dargestellt, an den Nebenaltären die Aufnahme Marias in den Himmel und Joseph als Patron der katholischen Kirche. Die Altarbilder stammen aus dem Jahre 1871. Sie wurden von Andreas Müller und Ferdinand Keller geschaffen. Sehenswert sind auch die ebenfalls erst im 19. Jahrhundert geschaffene Kanzel aus Marmor, der gleichfalls aus dieser Zeit stammende kunstvolle Osterleuchter und die erst 1905 entstandene Pieta im rechten Seitenschiff. In jüngster Zeit wurde die Krypta mit den Gräbern der Vorsteher des Jesuitenkollegs und einer Gedenktafel für den langjährigen Pfarrer der Heilig-Geist-Gemeinde und Dekan Heidelbergs, Prälat und Domkapitular Richard Hauser, zugänglich gemacht. In der Krypta werden hin und wieder auch Andachten abgehalten.

Museum für sakrale Kunst in der Kirche

Besondere Sehenswürdigkeiten beherbergt das an die Kirche angeschlossene Museum für sakrale Kunst und Liturgie mit Schatzkammer, das im Sommerhalbjahr von dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 13 bis 17 Uhr und im Winterhalbjahr nur an Sams- und Sonntagen geöffnet hat. Dort sind u. a. kunstvolle Heiligenfiguren, Kelche und Monstranzen sowie prächtige Messgewänder aus vergangenen Jahrhunderten ausgestellt.

Jesuitenorden in Heidelberg

Die Jesuiten waren schon während des Dreißigjährigen Krieges (1622) kurz nach dem Sieg Tillys über die Protestanten nach Heidelberg gekommen. Allerdings war dieses Intermezzo schon bald zu Ende. Erst 1698 rief Kurfürst Johann Wilhelm von der katholischen Pfalz-Neuburger Linie – nach einem kurzen Zwischenspiel in den 80-er Jahren – den Jesuitenorden wieder nach Heidelberg. Dieser sollte eine wichtige Rolle bei den Rekatholisierungsbemühungen des Kurfürsten in der bislang protestantischen Kurpfalz spielen. Ganz am Anfang kamen nur 2 Patres und 1 Frater in Heidelberg an. In der Blütezeit des Ordens hier am Neckar stieg die Zahl bis auf knapp 100 Jesuiten an. Diese waren vor allem an der Universität, im Schuldienst und in der Seelsorge tätig. Zeitweise hatte der Orden sieben Professuren an der Universität inne. Der Grundstein für das Kollegiengebäude wurde 1703 gelegt. Die Bauarbeiten an dem großangelegten, vierseitigen Gebäude mit Innenhof waren 1712, als man mit dem Bau der Kirche begann, erst teilweise zum Abschluss gebracht. Der Südflügel, den man im 19. Jahrhundert wieder abgerissen hat, wurde erst 1732 vollendet. Das Heidelberger Jesuitenkolleg wurde mit der Aufhebung des Jesuitenordens im Jahre 1773 aufgelöst. Von da an wurde das großzügig angelegte Gebäude, von dem heute nur noch zwei Flügel stehen, für verschiedene Zwecke genutzt: Bis 1793 hatte hier der von Vincenz von Paul gegründete Lazaristenorden sein Domizil. Danach diente das Gebäude zweckentfremdet eine Zeit lang als Kaserne. Später wurde es versteigert und privat genutzt. Danach wiederum beherbergte es zuerst eine Höhere Bürgerschule, dann ein Gymnasium. Gegenwärtig befinden sich in dem Gebäude das Anglistische Institut der Universität und das Pfarrhaus der Heilig-Geist–Gemeinde. Ein Teil des Gebäudes dient als privater Wohnraum.

Pfarrgemeinde Heilig Geist

Die Jesuitenkirche wurde nach Auflösung des Jesuitenordens im Jahre 1773 und nach dem Weggang der Lazaristen 1793 vorübergehend zweckentfremdet und während der Revolutionswirren und in Napoleonischer Zeit als Lazarett für Soldaten genutzt. 1809, also noch während der Napoleonischen Kriege, fand dies ein Ende. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Sakralbau zur regulären Pfarrkirche der katholischen Pfarrgemeinde Heidelbergs gemacht, die heute den Namen Heilig-Geist trägt (Nicht zu verwechseln mit der benachbarten Heiliggeistkirche, der evangelischen Hauptkirche der Stadt. Die protestantische Heilig-Geistkirche beherbergte bis 1936–durch eine Mauer getrennt – sowohl Reformierte als auch Katholiken. Von der Heiliggeistkirche hat die heutige katholische Heiliggeist-Gemeinde der Jesuitenkirche ihren Namen). Die frühere Jesuitenkirche wurde damit zur katholischen Hauptkirche Heidelbergs. Sie ist dies auch heute noch und stellt für gewöhnlich den Dekan über alle katholischen Pfarreien Heidelbergs. Im Augenblick soll dem Dekanat Heidelberg auch noch das Dekanat Weinheim an der Bergstraße angeschlossen werden. Sonntagsgottesdienste finden regulär um 10 Uhr und um 11:30 Uhr statt. Zur Besichtigung ist die Kirche von Oktober bis April von 9:30 bis 17 Uhr und von Mai bis September von 9:30 bis 18 Uhr geöffnet.

Die Amtszeit der Pfarrer:

  • Richard Hauser (1943–1980), zeitweise auch bis 1957 Hochschulpfarrer und danach Dekan
  • Fridolin Keck (1980–1999)
  • Klaus von Zedtwitz (1999–2006), auch Dekan 2001–2006
  • Joachim Dauer (2006–)

Alle genannten Pfarrer der Gemeinde waren bzw. sind mit ihrem Amt auch gleichzeitig Lehrbeauftragte für Katholische Theologie an der evangelischen Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg. Eugen Biser war Kaplan in der Gemeinde. Fridolin Keck ist heute Generalvikar der Erzdiözese Freiburg.

Gemeindeaktiviäten

Unter Dekan Klaus Zedtwitz haben sich einige innovative Gemeindeaktivitäten entwickelt so z.B. der Treff für neuzugezogene junge Erwachsene, der Wiener Heurigen-Treff, Gesprächskreis mit theologischen und seelsorgischen Themen, Nachbarschaftshilfe für Ältere und Bedürftige. Die Ökumene zwischen den katholischen und evangelischen Gemeinden beschreitet unter Zedtwitz und seinen evangelischen Kollegen neue Wege (gemeinsame Beginn der Osternacht am Osterfeuer, Schweigemediation, Ökumenisches Friedensgebet, Frauenfrühstück, CityCult für Kinder und Jugendliche (in Zusammenarbeit mit der Stadt Heidelberg), Manna ein Treffpunkt für sozial Bedürftige etc.). Ferner finden in dem Gotteshaus Kirchenmusik-Konzerte sowohl eingebunden in die Gottesdienste oder auch als Einzelveranstaltungen statt, die überregional Menschen anziehen. Zur Gemeinde gehört die kleine Barockkirche St. Anna, der Kindergarten Christophorus sowie das Krankenhaus St-Vincentius (ab 2005 fusioniert mit der Inneren Mission), alle drei Gebäude liegen in der Altstadt. Gegenüber der Jesuitenkirche befindet sich das Haus der Begegnung in dem auch das Dekanat untergebracht ist. Die Jesuitenkirche ist auch die katholische Universitätskirche, auf dem Gemeindegebiet liegt auch die in der Altstadt angesiedelte katholische Studentengemeinde. Seit dem Jahr 2004 bilden die katholischen Nachbargemeinden Schlierbach und Ziegelhausen, beide St. Laurentius, zusammen mit der katholischen Heilig-Geist-Gemeinde Heidelberg-Altstadt eine Seelsorgeeinheit, betreut durch 3 Pfarrer.

Literatur

  • Jörg Gamer: Jesuitenkirche Heidelberg. Schnell und Steiner, Regensburg, 3., neu bearbeitete Auflage, 2006, ISBN 3-7954-4787-9.
  • Das Heidelberger Jesuitenkolleg. Kunsthistorisches Institut der Universität Heidelberg, Heidelberg, 1970.
  • Peter Anselm Riedl: Die Heidelberger Jesuitenkirche und die Hallenkirchen des 17. und 18. Jahrhunderts in Süddeutschland. Heidelberger kunstgeschichtliche Abhandlungen, Winter, Heidelberg, 1956.
  • Klaus Lankheit und Emil Joseph Vierneisel: Aus Kunst und Geschichte des katholischen Heidelberg. Festschrift zum Jubiläum der Heidelberger Jesuitenkirche 1959. Kerle, Heidelberg, 1959.

Weblinks

49.4111111111118.70777777777787Koordinaten: 49° 24′ 40″ N, 8° 42′ 28″ O


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