Hedonistische Internationale

Hedonistische Internationale
Wagen der Hedonistischen Internationale auf der Demonstration „Freiheit statt Angst“, 2007 in Berlin

Die Hedonistische Internationale (auch Hedonist International) ist ein loses internationales Netzwerk aktionsorientierter linker Gruppen und Einzelpersonen. Es besteht seit 2006 und hat mehr als 30 Sektionen in Deutschland, Österreich, Italien, USA und der Schweiz. In den Aktionen des Netzwerkes wird Freude am Protest betont.

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Ihrem Manifest zufolge versteht sich die Hedonistische Internationale nicht als Organisation, sondern als Idee, unter der Menschen auf der ganzen Welt unabhängig voneinander und dezentral unter dem Motto „Do what you want“ in Aktion treten können. Die Hedonistische Internationale lehnt zentrale Organisationsstrukturen ab.

Ein Manifest, das bisher in 18 Sprachen übersetzt ist, definiert dabei den Handlungsrahmen der Sektionen. Die Hedonistische Internationale sieht Hedonismus darin „nicht als Motor einer dumpfen, materialistischen Spaßgesellschaft, sondern als Chance zur Überwindung des Bestehenden“ und „will Freude, Lust, Genuss und ein selbst bestimmtes Leben in Freiheit für alle Menschen!“ sowie „fröhliches Miteinander, Anarchie, die Ideen Epikurs, bunte Freude, Sinnlichkeit, Ausschweifung, Freundschaft, Gerechtigkeit, Toleranz, Freiheit, sexuelle Freizügigkeit, Nachhaltigkeit, Friede, freien Zugang zu Information, Kunst, kosmopolitisches Dasein, eine Welt ohne Grenzen und Diskriminierung“.[1] Auf dem Ersten Weltkongress der Hedonistischen Internationale im Juni 2010 trafen sich erstmals ein Großteil der verschiedenen Sektionen.[2] Der Zweite Weltkongress fand im Juni 2011 in Riebau statt.[3]

Aktionen

Aktionsfelder der Hedonistischen Internationale sind die Forderung nach subkulturellen Freiräumen wie Clubs und besetzten Häusern, die Aneignung von öffentlichem Raum, Antifaschismus sowie Kritik an Kapitalismus, prekären Arbeitsverhältnissen und der Einschränkung von Freiheitsrechten. Dabei bedient sich die Hedonistische Internationale neben dem Mittel der Demonstration, der Methoden der Kommunikationsguerilla und des zivilen Ungehorsams. Dazu gehören unangemeldete Versammlungen, (temporäre) Besetzungen und Blockaden von öffentlichem und privatem Raum.

Zu den spektakulärsten Aktionen aus dem Umfeld der Hedonistischen Internationale zählte die Besetzung des Fernsehturms in Berlin im Dezember 2006, eine Seeblockade des deutschen Verteidigungsministeriums im Mai 2007, die Teilnahme an den G8-Protesten in Heiligendamm und die Störung sowohl einer Elektronikmarkt- als auch einer Veranstaltungshalleneröffnung.

Monty Cantsin von der Hedonistischen Internationalen auf der Demonstration Freiheit statt Angst 2009

Am 10. April 2008 gelang es der Hedonistischen Internationale, gefälschte Inhalte in einem Beitrag der Sendung Polylux des RBB zu platzieren. In der Reportage wurde ein vermeintlicher Speed-Konsument vorgestellt, der angeblich eine Drogen-Diät mache. In einer Pressemeldung des Kommando Tito von Hardenberg heißt es zur Begründung: „Polylux war zwar Ziel der Aktion, steht aber stellvertretend für weite Teile der Medienlandschaft, für die Recherche in erster Linie einen Kostenfaktor darstellt. Zentrale Bereiche des Journalismus werden an unterbezahlte Praktikanten ausgelagert, denen es aufgrund prekärer Arbeitsverhältnisse und des daraus resultierenden Drucks schwer möglich ist, ausreichend Zeit und Ressourcen in ihre Arbeit zu investieren.[4]

Bei Protesten gegen die Veranstaltungshalle O₂ World gelang es mehreren Aktivisten der Hedonistischen Internationalen bei der Eröffnungsfeier am 10. September 2008 ohne Einladung mit Abendgarderobe in die Halle vorzudringen und die Veranstaltung zu stören.[5][6]

Unterstützung von der Hedonistischen Internationalen finden unter anderem die Bürgerinitiative Mediaspree versenken, die Wasserschlacht und die Demonstrationen Freiheit statt Angst. Im Jahr 2010 erregte die Hedonistische Internationale Aufsehen bei Mietprotesten. Aktivisten zogen sich bei Wohnungsbesichtigungen in Berlin nackt aus, um gegen zu hohe Mieten zu demonstrieren.[7]

Am 5. März 2011 veranstaltete die Monarchohedonistische Front mit der Initiative Pro Guttenberg, anlässlich der Plagiatsaffäre Guttenberg eine ironische Pro-Guttenberg-Demonstration vor dem Brandenburger Tor.[8][9]

Während der Nuklearunfälle von Fukushima legten Aktivisten der Hedonistischen Nukleare einen Satire-Account für den Lobbyverband Deutsches Atomforum an, der mit zynischen Tweets innerhalb von einem Tag viermal soviele Follower gewinnen konnte wie das Original. Das Deutsche Atomforum drohte rechtliche Schritte an und ließ den Account am 29. März 2011 sperren.[10][11][12]

Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2011 unterwanderte die Hedonistische Internationale zusammen mit der Partei Die PARTEI die Wahlparty der Berliner FDP. Um 18 Uhr jubeln dutzende Aktivisten verkleidet als falsche FDPler als die Liberalen mit nur 1,8 Prozent aus dem Abgeordnetenhaus fliegen.[13]

Öffentliche Rezeption

Kritiker werfen der Hedonistischen Internationale mangelnde theoretische Reflexion vor. Die politischen Aktionen dienten einzig der Sinngebung eines ausschweifenden Lebensstils. Medienvertreter betrachten die Aktionsformen der Hedonistischen Internationalen dagegen als modernen Protest.[14]

Weblinks

 Commons: Hedonistische Internationale – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Quellen

  1. Manifest der Hedonistischen Internationalen
  2. Weltkongress: Feuerwehr des Straßenkampfs
  3. Hightech am Lagerfeuer
  4. Betrüger legt „Polylux“ herein Spiegel Online vom 11. April 2008
  5. 1000 Demonstranten zur Eröffnung der O2-World Tagesspiegel vom 10. September 2008
  6. O₂ World unter Polizeischutz eröffnet Berliner Morgenpost vom 10. September 2008
  7. Mietprotest in Berlin Spiegel Online vom 18. Oktober 2010
  8. Hedonistische Internationale meldete Berliner Pro-Guttenberg-Demonstration an
  9. Guttenberg-Gegner verhöhnen Guttenberg-Fans
  10. Atomlobby-Satire im Netz
  11. Satirischer Twitter-Account gesperrt
  12. Kernkraftlobby vs. Spaßguerilla
  13. [1]
  14. Netzguerillas – Protest modern

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