Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger
Das Gebäude des Hauptverbands in der Kundmanngasse 21

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist die gesetzlich festgelegte Dachorganisation aller österreichischen Sozialversicherungen. Die 1948 gegründete Organisation ist eine juristische Person öffentlichen Rechts und übernimmt wichtige koordinierende Aufgaben für seine Mitglieder.

Inhaltsverzeichnis

Aufgaben

Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist der Dachverband aller gesetzlichen Kranken-, Pensions- und Unfallversicherungsträger. Derzeit sind im Hauptverband 22 Sozialversicherungsträger zusammengefasst, von denen einige Versicherungsträger mehrere Zweige durchführen:

Krankenversicherung: 9 Gebietskrankenkassen, 6 Betriebskrankenkassen, Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Sozialversicherungsanstalt der Bauern

Pensionsversicherung: Pensionsversicherungsanstalt, Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Versicherungsanstalt des österreichischen Notariats

Unfallversicherung: Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Sozialversicherungsanstalt der Bauern

Zu den Aufgaben des Hauptverbandes für die einzelnen Versicherungsträger gehören

  • das Führen einer gemeinsamen EDV-Anlage (seit 1972) und einer Verwaltung jener Datenbestände, die für die Sozialversicherungsträger gemeinsam wichtig sind (zentrale Partnerverwaltung ZPV)
  • Führung eines elektronischen signaturfähigen Verwaltungssystems, dessen Bestandteil die e-card ist
  • Weiterleitung von Melde- und Abrechnungsdaten („Datendrehscheibe Hauptverband“) für Sozialversicherungsträger, Krankenanstalten, Vertragspartner, Dienstgeber, Arbeitsmarktservice; Vergabe von Sozialversicherungsnummern; Auskünfte an Gerichte und Behörden aufgrund gesetzlicher Vorgaben wie z. B. die Mitwirkung an den Volkszählungen
  • der Abschluss der Gesamtverträge für die Sozialversicherungsträger mit den jeweiligen Standesvertretungen über ärztliche Behandlung, Mutter-Kind-Pass-Leistungen, Arbeitsmedizin, Vorsorgeuntersuchungen, Heilmittelversorgung, Psychotherapie usw.
  • das Aufstellen von Richtlinien für die einheitliche Durchführung der Gesetze durch die Sozialversicherungsträger, Formularwesen
  • Controlling, Kennzahlenvergleiche
  • Gesetzesbegutachtungen
  • Vertretung der Sozialversicherungsträger in grundsätzlichen Angelegenheiten und als zwischenstaatliche Verbindungsstelle gegenüber dem Ausland
  • Genehmigung von Bauvorhaben
  • Ausbildung von Fachpersonal für die Sozialversicherungsträger an der Akademie der österreichischen Sozialversicherung, Vorbereitung auf die Dienstprüfung
  • Verhandlung von Kollektivverträgen betreffend Angestellte und Arbeiter, Ärzte und Dentisten in Einrichtungen der Sozialversicherungsträger. Rund 27.000 Menschen arbeiten in Österreich auf Grundlage von drei Dienstordnungen und des Pensionskassen-Kollektivvertrages.

Organisation

Der Hauptverband hat zwei Verwaltungskörper, die Trägerkonferenz und den Verbandsvorstand:

  1. die Trägerkonferenz hat rechtsetzende und kontrollierende Funktion. Ihm gehören Obmann/Obfrau und ein weiterer Stellvertreter jedes Sozialversicherungsträger an, sowie ein Vertreter der größten Betriebskrankenkasse und drei Vertreter der drei mitgliederstärksten Organisationen des Bundesseniorenbeirates. Zu Aufgaben der Trägerkonferenz zählen Gebarungskontrolle des Hauptverbandes (Jahresvoranschlag, Rechnungsabschlüsse, …), der Beschluss über rechtsetzende Akte (Richtlinien, Mustersatzung, Musterkrankenordnung, …) und die Zustimmung zu Gesamtverträgen. Zur Bewältigung dieser Aufgabe können auch Ausschüsse eingesetzt werden.
  2. der Verbandsvorstand ist für die Geschäftsführung zuständig. Er besteht aus zwölf Mitgliedern - sechs Dienstnehmer-Vertreter und sechs Dienstgeber-Vertreter (Parität). Sie werden von der Trägerkonferenz auf Vorschlag der öffentlich-rechtlichen Interessenvertretungen, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftskammern Österreichs für eine Funktionsdauer von vier Jahren entsendet. Daneben müssen sie auch Mitglied der Sozialversicherungsträger sein. Der Verbandsvorstand vertritt den Hauptverband nach außen und besitzt die Generalkompetenz. Im Rahmen seiner operativen Aufgaben bereiter er auch die Beschlüsse der Trägerkonferenz vor. Seit Beginn der Funktionsperiode 2009–2012 ist Vorsitzender des Verbandsvorstandes (Verbandsvorsitzender) Hans Jörg Schelling.

Die Bürogeschäfte führt das Verbandsmanagement, das aus einem/einer leitenden Angestellten (Generaldirektor) und seinen/ihren drei Stellvertretern/Stellvertreterinnen besteht, das auf vier Jahre bestellt wird (derzeitige Funktionsperiode von April 2009 bis Ende März 2013). Generaldirektor ist seit 2002 Josef Kandlhofer (bis Ende März 2005 als Sprecher der damaligen Geschäftsführung), seine Stellvertreter sind Josef Probst, Christoph Klein und Volker Schörghofer.

Publikationsorgan des Hauptverbandes ist laut Gesetz die Fachzeitschrift Soziale Sicherheit. Die Jahrgänge dieser Zeitschrift ab ihrer Gründung 1948 sind im Angebot der Österreichischen Nationalbibliothek im Internet abrufbar.[1] Rechtsvorschriften, die vom Hauptverband erlassen werden, werden einschließlich ihrer Änderungen in ihrer verbindlichen Fassung im Internet kundgemacht, seit 2002 gibt es keine Kundmachungen in Papierform mehr. Frühere Kundmachungen sind aufgehoben.[2] Die Kundmachungen sind in der Rechtsdokumentation SozDok im Internet in ihrer jeweils geltenden Fassung (auch in früheren Fassungen) abrufbar.

Seit 2010 werden auch die Gesamtverträge, die der Hauptverband mit Interessenvertretungen (Kammern) der Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Hebammen, Psychologen, Optiker, Bandagisten, medizinischen Institute, Krankenanstalten und andern Berufsgruppen der Gesundheitsberufe abschließt, im Internet veröffentlicht.[3]

Der Hauptverband ist nicht im Firmenbuch eingetragen. Organisationsgrundlagen und Funktionsträger sind im Ergänzungsregister nach dem E-Government-Gesetz veröffentlicht (Eintragungsnummer 215).[4]

Weitere Gremien im Hauptverband ohne den Status eines Verwaltungskörper sind:

  • Controlling-Gruppe
  • Sozial- und Gesundheitsforum Österreich
  • Beirat.

Aufsichtsbehörde

Dem Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz sowie dem Bundesministerium für Gesundheit obliegt das Aufsichtsrecht. Stimmrecht in den Gremien besteht nicht, es können Beschlüsse jedoch beeinsprucht werden.

Da der Hauptverband eine sehr wichtige Rolle in der Umsetzung der österreichischen Sozialgesetzgebung spielt, sind Fragen der Hauptverbandsorganisation immer wieder Gegenstand von politischen Kämpfen und Neustrukturierungen in den letzten Jahren nicht selten.

Ehemalige Präsidenten und Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes

1949 - 1959 : Johann Böhm
1959 - 1968 : Friedrich Hillegeist
1968 - 1976 : Gerhard Weißenberg
1976 - 1984 : Franz Millendorfer
1984 - 1988 : Adolf Czettel
1989 - 1990 : Rudolf Sametz
1991 - 1997 : Richard Leutner
1997 - 2001 : Hans Sallmutter
2001 - 2005 : Herwig Frad und Martin Gleitsmann (jährlich alternierend)
2005 - 2009 : Erich Laminger

Ehemalige Generaldirektoren des Hauptverbandes

1948 - 1970 : Reinhold Melas
1971 - 1989 : Alois Dragaschnig
1989 - 1991 : Karl-Heinz Wolff
1991 - 2001 : Walter Geppert

Literatur

  • Herbert Hofmeister: Die Verbände in der österreichischen Sozialversicherung. Eine historische Übersicht von den Anfängen bis zum Tätigkeitsbeginn des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Wien 1989.
  • 50 Jahre Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Broschüre zur Jubiläumsausstellung. Wien 1988.
  • Guenther Steiner: Sechzig Jahre Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Geschichte des Hauptverbandes und der Sozialgesetzgebung der 2. Republik. Studie im Auftrag des Hauptverbandes. Wien 2009, Österreichische Verlagsgesellschaft C. & E. Dworak. ISBN 978-3-7067-0087-0.
  • Guenther Steiner: Johann Böhm in der österreichischen Sozialversicherung. Studie im Auftrag des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger. Verlag des ÖGB Wien 2011. ISBN 978-3-7035-1489-0.

Einzelnachweise

  1. ANNO (Zeitschrift für Sozialversicherung).
  2. Rechtsbereinigungskundmachungen 193/2005 und 46/2006 unter www.avsv.at, Außerkrafttreten früherer Kundmachungen nach § 593 Absatz 3 des österreichischen Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes ASVG.
  3. www.avsv.at, Übersicht, Gesamtverträge. Rechtsbasis sind die §§ 338 und 348 ASVG (jeweils Abs. 1 letzter Satz) in der Fassung des 3. Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2009 – 3. SRÄG 2009, österreichisches Bundesgesetzblatt I Nr. 84/2009, in Kraft ab 1. Juli 2010 (§ 645 Abs. 1 Z 3 ASVG).
  4. Ergänzungsregister für sonstige Betroffene.

Weblinks


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