Hasswoche

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1984 ist ein Roman von George Orwell (eigentlich Eric Arthur Blair), erschienen im Juni 1949, in dem die negative Utopie (auch als Dystopie oder Anti-Utopie bezeichnet) eines totalitären Überwachungs- und Präventionsstaates im Jahre 1984 dargestellt wird. Orwell schrieb das Buch 1946/1947, wenige Jahre vor seinem Tod, während seines Aufenthaltes auf der Insel Jura vor der Küste Schottlands [1]. Der Titel enthält den Zahlendreher des Jahres 1948 zu 1984 als Anspielung auf eine gar nicht so ferne Zukunft. Die Erstausgabe kam in London am 8. Juni 1949 im Buchhandel zum Verkauf.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt

Der Roman beginnt mit einem Lebensbild des Alltages in einem dystopischen Überwachungsstaat. Protagonist der Handlung ist Winston Smith, ein einfaches Mitglied der („äußeren“) Partei, der sich den widrigen Umständen zum Trotz seine eigene Privatsphäre sichern will. Dadurch gerät er zwangsläufig in Konflikt mit dem System, was unweigerlich seinen Untergang herbeiführen muss.

Teil 1

Winston Smith arbeitet im Ministerium für Wahrheit (Propagandaministerium) in London. Sein Leben ist charakterisiert durch Versorgungsprobleme, ständige Überwachung, Angst und Mangel an persönlichen Beziehungen. Seine Arbeit besteht zum größten Teil aus Umschreibung und Verfälschung der Geschichte. So wie er leben alle ihm bekannten Mitglieder der Äußeren Partei in Ozeanien, einem der 3 'Superstaaten', deren Existenz allerdings nicht belegt ist und möglicherweise auch nur von der Partei vorgetäuscht wird, um einen andauernden Kriegszustand zu rechtfertigen, so überlegt auch Winston ob die häufig einschlagenden Raketen nicht von der Partei selbst verschossen werden.

Innerlich kann Winston sich schon lange nicht mehr mit der Parteidoktrin identifizieren. Er muss seine Meinung geheim halten, da in Ozeanien nicht nur alle Handlungen gegen die herrschende Partei als Verbrechen gelten, sondern schon der Wunsch zum Widerstand ein so genanntes Gedankenverbrechen ist. Es fällt Winston besonders schwer, sich angesichts der ständigen Überwachung durch Teleschirme (engl. telescreens, in älteren Versionen als Televisoren übersetzt), Polizeistreifen, Nachbarn und Arbeitskollegen zu verstellen. Die Mitglieder der äußeren Partei werden so streng überwacht, dass bereits ein nervöses Zucken eines Fingers oder ein falscher Blick zur Verhaftung und zum Tod führen kann. Winston beginnt schließlich, seine Gedanken und Meinungen heimlich in einem Tagebuch festzuhalten.

Als ihm eines Tages bei der Arbeit eine bei der Jugendliga gegen Sexualität engagierte junge Frau durch Blickkontakte auffällt, vermutet er, dass sie ein Mitglied der Gedankenpolizei (die Geheimpolizei des Systems) ist.

Winstons großes Interesse für die Vergangenheit treibt ihn immer wieder in die Elendsviertel der Proles (Proletarier). Der Inhaber eines Kramladens, Mr. Charrington, zeigt ihm eine Glaskugel, die eine Koralle umschließt. Winston ist sofort von der Kugel, einem Stück Vergangenheit, fasziniert und kauft sie. Mr. Charrington führt Winston in ein voll möbliertes Zimmer, welches keinen überwachenden Teleschirm zu besitzen scheint. Von diesem ist er so angetan, dass er sich überlegt, es zu mieten. Doch das ist bereits ein gefährlicher Gedanke – er verwirft ihn wieder, als er sich dessen bewusst wird.

Teil 2

Teil Zwei handelt vom Weg Winstons in den inneren Widerstand und endet mit seiner Verhaftung durch die Gedankenpolizei.

Auf dem Weg von Charringtons Kramladen nach Hause begegnet er wieder der jungen Frau. Für ihn besteht jetzt kein Zweifel mehr, dass sie ein Mitglied der Gedankenpolizei ist. Ein paar Tage später begegnet er ihr im Wahrheitsministerium ein drittes Mal. Gerade als sie an ihm vorbeigehen will, stürzt sie. Winston bleibt stehen, um ihr zu helfen. Er streckt seine Hand aus und hilft ihr auf. Dabei steckt sie ihm heimlich einen Zettel zu. Diesen kann Winston aber nicht sofort öffnen, weil er direkt vor einem Teleschirm steht. An seinem Arbeitsplatz angekommen, hat er nun endlich Gelegenheit, den Zettel zu lesen: „Ich liebe Dich“ lautet ihre Botschaft an ihn.

In den nächsten Tagen versucht er immer wieder, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Doch alle Versuche scheitern, weil die Gefahr, dass man sie überführt, sehr groß ist. Eines Tages aber sitzt sie allein an einem Tisch in der Kantine und Winston setzt sich dazu. Zuerst traut er sich nicht, sie anzusprechen, denn überall überwachen sie Teleschirme. Dabei können sie nicht viel miteinander sprechen. Er erfährt, dass sie eine heimliche persönliche Rebellion gegen die Partei und deren Werte führt. Nachdem sich die beiden einige Male unter großem Geheimhaltungsaufwand auf dem Land getroffen haben, stimmt Julia zu, das Zimmer über Mr. Charringtons Laden zu mieten, um ihre Zweisamkeit ausleben zu können. Auch das ist ein Schwerverbrechen, weil Sexualität nur der Fortpflanzung dienen darf und schrittweise durch künstliche Befruchtung ersetzt werden soll.

Dort sehen sie sich von nun an öfter. Winston erzählt Julia von O'Brien, einem Mitglied der inneren Partei, den er ebenfalls für einen Devianten hält, denn sein Verhalten weicht leicht von der Norm ab, was in Ozeanien bereits viel bedeutet. Mit Julia besucht er O'Brien in seiner Wohnung. Zwar hängt auch bei ihm ein Teleschirm, aber mit dem Unterschied, dass er ihn für kurze Zeit ausschalten kann. Unter dieser Voraussetzung können sie eine halbe Stunde unbeobachtet miteinander sprechen. O'Brien gibt sich als Mitglied der Untergrundbewegung Die Bruderschaft aus. Auf Vermittlung O'Briens erhält Winston ein Exemplar des sagenumwobenen Buches „Die Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus“ des Staatsverräters Emmanuel Goldstein. Vor seiner Verhaftung kommt er dazu, das erste und das dritte Kapitel des Buches zu lesen. Im Grunde findet er dort nur eine deutliche Beschreibung von Dingen, die ihm ohnehin schon klar waren – „Das Wie verstehe ich, aber nicht das Warum“ – sagt er dazu. Später stellt sich heraus, dass O'Brien selbst Mitverfasser des Buches ist.

Am selben Tag noch besprechen Winston und Julia ihre gemeinsame Zukunft. Während Julia von einem glücklichen Leben zusammen mit Winston im Untergrund träumt, möchte Winston um jeden Preis die Partei bekämpfen. Es ist ihm klar, dass sie dann bald geschnappt, gefoltert und erschossen werden. Und tatsächlich werden sie in diesem Augenblick in ihrem gemieteten Zimmer gestellt und gefangen genommen. Nun steht Winston das erste Mal wissentlich einem Mitglied der Gedankenpolizei gegenüber – Mr. Charrington, der Besitzer des Ladens, der ihn die ganze Zeit durch einen hinter einem Bild verborgenem Teleschirm hat beobachten lassen.

Teil 3

Dieser Teil beschreibt die Gefangenschaft Winstons, die Folter, die Umerziehung und das Geschehen nach seiner Freilassung.

Nach seiner Verhaftung wacht Winston in einem fensterlosen, aber ständig beleuchteten Raum auf. Er vermutet, dass er sich im Ministerium für Liebe aufhält. Alle Wände sind weiß gekachelt und an jeder befindet sich ein Teleschirm. Rund um den Raum zieht sich an der Wand entlang eine Sitzgelegenheit, die gerade breit genug zum Sitzen ist und einzig durch eine Toilette gegenüber der Tür unterbrochen ist. Ständig kommen neue Gefangene in Winstons Zelle und werden wieder geholt. Auch Winston wird von Zeit zu Zeit verlegt. Er erfährt von einem mysteriösen Zimmer 101, vor dem alle Angst haben. Winston verliert durch das ständige Licht und den fehlenden Tagesrhythmus bald das Zeitgefühl. Er bekommt kaum zu essen und magert zusehends ab.

Zu Beginn durchläuft Winston einige routinemäßige Verhöre; Verhöroffizier ist O'Brien, der bis dahin vorgab, Mitglied der Bruderschaft zu sein, ihn in Wahrheit aber betrog. Zunächst muss Winston die üblichen Geständnisse (u.a. Spionage, Sabotage, Unterschlagung und Mord) unter ständiger Folter ablegen. Bald wird daraus eine Gehirnwäsche. Stück für Stück zerlegt O'Brien das Weltbild des intellektuell unterlegenen Winston. Wenn er uneinsichtig ist, sich dumm stellt oder lügt, fügt ihm O'Brien Schmerzen durch eine Art Streckbank zu. Bisweilen lässt O'Brien Winston auch Medikamente gegen den Schmerz verabreichen. Um Winston zu demonstrieren, dass die willkürliche Steuerung des Erinnerungsvermögens bei genügender Anstrengung möglich ist, lässt er ihm einen Elektroschock durch den Kopf verabreichen, der Winstons Langzeitgedächtnis vorübergehend beeinflusst.

O'Brien erklärt dazu Winston den Ablauf der Umerziehung: lernen, verstehen und akzeptieren. Um Winstons Verachtung der Ideologie zu brechen, will O'Brien Winstons Willen manipulieren. Dazu zwingt O'Brien ihn, seinen von den Folterungen zerschundenen und ausgemergelten Körper im Spiegel zu betrachten. Da sich Winston als Streiter für die Menschheit begreift, versucht man ihm dadurch klar zu machen, dass Widerstand aussichtslos sei, da die Menschheit ebenso der Partei in Ozeanien und den verwandten Regimes in Ostasien und Eurasien ausgeliefert ist, wie er selbst. Nun ist Winston angewidert von sich selbst, empfindet seinen Anblick als kläglich und würdelos („verstehen“) – und nimmt die nährende Hand der Partei dankbar an („akzeptieren“).

Winston erhält von nun an wieder genug zu essen und wird gesund gepflegt. Er bekommt sogar ein neues Gebiss gefertigt. Während er sich körperlich erholt, übt er sich in den Prinzipien des Zwiedenkens (in neueren deutschen Ausgaben: Doppeldenk) und Verbrechenstop (in neueren Ausgaben mit Delstop übersetzt). Er trainiert, seinen eigenen Geist zu überlisten. Winston Smith scheint in seiner Umerziehung dem Ende zuzugehen. Doch als er eines Nachts im Traum laut nach Julia ruft erkennt O'Brien, dass Winston nach wie vor den großen Bruder verabscheut und seine Liebe zu Julia ungebrochen ist. Er wird in das berüchtigte Zimmer 101 gebracht.

In Zimmer 101 erwartet jeden Menschen seine persönliche Hölle. Da O'Brien von Winstons panischer Angst vor Ratten weiß, lässt er zwei ausgehungerte Exemplare in einer Art Käfig direkt vor Winstons Gesicht halten und droht damit, die Käfigtür zu öffnen. Um diesen Schrecken von sich abzuwenden, opfert Winston das letzte Gut, das ihm von seinem ursprünglichen Selbst noch geblieben ist: Seine Liebe zu Julia. Er verrät seine Liebe, indem er O'Brien anfleht, diese Folter Julia anzutun und nicht ihm. Damit ist sein innerer Widerstand endgültig gebrochen.

Nach der Entlassung verbringt Winston viel Zeit mit Schachspielen in einem heruntergekommenen Café. Er trifft Julia noch ein letztes Mal. Auch Julia zeigt Spuren der Folter, eine Narbe verunstaltet ihr einst hübsches Gesicht und ihr ehedem athletischer Körper ist unförmig geworden. Sie eröffnet Winston, ihn verraten zu haben und gesteht ihm, dass die Partei es geschafft habe, ihre Gefühle füreinander zu zerstören. Später ertappt sich Winston dabei, wie er, von der Propaganda angestachelt, gemeinsam mit der Masse beim Zusehen der Kriegsberichte mitfiebert. Er erkennt, dass er sich sein Leben lang vergeblich gegen die Gemeinschaft aufgelehnt hat. Das Buch endet mit Winstons Tod durch eine Kugel der Gedankenpolizei und seinem Bekenntnis zur Liebe des Großen Bruders − die Gehirnwäsche hat also funktioniert.

Figuren

Winston Smith

Winston Smith, die Hauptfigur des Romans, ist ein ausgemergelter, gebrechlicher und - obwohl intelligent und grüblerisch - auch in sein Schicksal ergebener 39 Jahre alter Mann. Er hat das Vertrauen und die Liebe zum Großen Bruder, dem totalitär herrschenden Führer von Ozeanien, verloren und beginnt an der Wahrheit der von der Partei ausgegeben Parolen zu zweifeln; um den tatsächlichen Verlauf der Dinge festhalten zu können (gegenüber der pausenlosen Geschichtsfälschung der Partei, die er aus seiner Arbeit im „Ministerium für Wahrheit” kennt), beginnt er Tagebuch zu schreiben. Er wünscht sich den Umsturz der Regierung und den Niedergang des großen Bruders und sucht daher nach Gleichgesinnten, die er in Julia und O'Brien zu finden glaubt. Winston ist in seinem Widerstand bemüht zu verstehen, wie die Partei eine solch absolute Macht ausüben kann. In seinen langen Überlegungen dazu erfährt der Leser viel über die Möglichkeit, Sprache zur Gedankenkontrolle zu benutzen (siehe unter „Neusprech”).

Julia

Während Winston ruhelos, fatalistisch und um die Gesellschaft als Ganzes besorgt ist, ist Julia gefühlsbetont, pragmatisch, darauf bedacht, den Augenblick zu genießen und das Beste aus ihrem Leben herauszuholen. Sie hasst die Partei, weil die Partei versucht, ihr persönliches Glück zu zerstören, um sie fest für die Gemeinschaft zu vereinnahmen. Julias Rebellion gegen die Partei ist daher viel persönlicher. Während Winston etwa versucht, der Bruderschaft beizutreten und sich mit dem abstrakten Manifest ihres Gründers, Emmanuel Goldstein, befasst, möchte Julia Sex haben, ihre Beziehung zu Winston ausleben und Pläne für eine gemeinsame Zukunft schmieden. Sie ist nicht, wie Winston, überzeugt, dass die Gedankenpolizei sie erwischen wird, und ist daher viel mehr darauf bedacht, ihre Kollegen, Nachbarn und die Gedankenpolizei zu täuschen. Daher engagiert sie sich bei der Jugendliga gegen Sexualität (in neueren deutschen Ausgaben: Junioren-Anti-Sex-Liga genannt), eifert am heftigsten bei der Zwei-Minuten-Hass-Sendung und besucht zusammen mit Winston erstaunlich viele Demonstrationen. „Es zahle sich aus, sagt sie, es diene zur Tarnung. Wenn man die Regeln im Kleinen einhalte, könne man sie im Großen übertreten.” (Teil 2, Kapitel 3) Julia behauptet, sie hätte zahlreiche Affären mit Parteimitgliedern gehabt. Obwohl der Leser nicht erfährt, ob sie dies nur auf Winstons Wunsch behauptet oder es wirklich den Tatsachen entspricht, zeigt es doch deutlich, dass sie nicht gewillt ist, sich von der Partei ihre Lust nehmen zu lassen.

O'Brien

O'Brien ist ein vom Ministerium für Liebe eingesetzter Spion, der Mitglieder der Äußeren Partei auf Gedankenverbrechen überwachen soll. Zu diesem Zweck verstellt er sich gegenüber Winston und Julia und gibt sich als Feind der Partei aus.

Winston lernt O'Brien bei seiner Arbeit im Ministerium für Wahrheit kennen. Während der obligatorischen zweiminütigen Hasssendung tauschen sie einander einen Blick aus, der für Winston Grund genug ist anzunehmen, O'Brien sei ein Feind der Partei. O'Brien wird von Winston für seine Eleganz und ausstrahlende Klugheit bewundert. Winston träumt oft von O'Brien und einer funktionierenden Widerstandsbewegung. O'Brien ist Mitglied der Inneren Partei und hat daher einige Privilegien mehr als die Mitglieder der Äußeren Partei. So kann er beispielsweise den Televisor in seiner Wohnung abstellen und besitzt sogar einige Luxusgüter wie etwa Wein. Daher vertraut sich Winston ihm an, bekommt von ihm sogar das revolutionäre Buch von Goldstein (welches, wie sich am Ende herausstellt, teilweise von O'Brien selber verfasst wurde). Winston trifft O'Brien im dritten Teil des Buches im Ministerium für Liebe wieder. Dieses Treffen wurde von O'Brien (in einem Traum Winstons) vorhergesagt: Wir treffen uns dort, wo keine Dunkelheit herrscht. O'Brien stellt sich nun als ein überzeugter Anhänger des Großen Bruders heraus.

Großer Bruder

Der Große Bruder ist für das Volk praktisch unsichtbar und existiert nur in der Propaganda. Ob es ihn wirklich gibt, ist eine der Fragen, die Winston quälen, von O'Brien erhält er auf diese Frage eine mehrdeutige Antwort. Doch diese mehrdeutige Antwort ist wie der Leser – und Winston – sogleich erkennen, nur 'im Sinne der Partei', also eine Lüge: Es gibt den Großen Bruder und er wird ewig leben (weil die Partei es so will). Der Große Bruder ist eine Fiktion, eine Massensuggestion, die weder ganz wahr noch ganz unwahr ist. Man kann weder wissen, dass es ihn gibt noch, dass es ihn nicht gibt. Also existiert er in den Köpfen, eben weil er existieren könnte.

Emmanuel Goldstein

Emmanuel Goldstein (manchmal auch Imanuel) besitzt wie der „Große Bruder“ ein zeitloses Wesen. Er ist ein ehemaliges Parteimitglied, aber er ist der „Staatsfeind Nummer Eins“, der den Verrat an den sozialistischen Ideen der Revolutionszeit anprangert und eine Konterrevolution mit der „Bruderschaft“ und dem wechselnden Feind in Ozeanien durchführen will. Goldstein und die Bruderschaft sind möglicherweise eine von der Partei geschaffene Illusion, ein Köder, der Abweichler anziehen soll, damit es für die Gedankenpolizei leichter wird, potenzielle Gedankenverbrecher zu fassen. Er ist auch als einziger Oppositioneller nicht zur Unperson erklärt worden, da seine Funktion als Feindbild für das System unentbehrlich ist. In diesem Sinne ist er genauso unsterblich wie der Große Bruder. Im Roman bleibt offen, ob Goldstein tatsächlich existiert.

Goldstein wird auch „Das Buch“ zugeschrieben, in dem die Anatomie des Systems erklärt wird (Titel: „Die Theorie und Praxis des oligarchischen Kollektivismus“). Dieses Buch wurde in Wirklichkeit von Parteifunktionären, unter anderem O'Brien, umgeschrieben; dieser gibt selbst zu, dass in diesem Buch die Wahrheit über die Untaten der Partei gesagt wird, nur eine Änderung dieses Zustands kann nicht herbeigeführt werden.

Orwells Inspiration

Ministry of Information in London während des Zweiten Weltkrieges

Orwell erklärt in seinem Essay Why I Write[2], dass er seit dem Spanischen Bürgerkrieg in seinen Arbeiten immer wieder vor Totalitarismus warnt. Der Aufbau der Regierung von Ozeanien ist eine Parodie auf eine berühmte Rede von Roosevelt über die four freedoms. Wie Orwell später einmal Malcolm Muggeridge erzählte, entstammte viel von Winstons Arbeitsalltag Orwells eigenen Erfahrungen, die er bei der BBC sammelte. Die BBC war damals noch dem Ministerium für Information unterstellt.

Eckpunkte der Ideologie

Kontrolle der Vergangenheit

Ein elementares Konzept der Partei zur Kontrolle der Gedanken ist die Kontrolle der Vergangenheit. Deshalb wird im Ministerium für Wahrheit ein gigantischer Aufwand betrieben, alle existierenden Dokumente der gegenwärtigen Parteilinie anzupassen. Von der Partei oder dem Großen Bruder geäußerte Voraussagen z.B. zur Güterproduktion oder dem Kriegsverlauf werden an die tatsächlich eingetretenen Fakten angepasst damit „die Partei immer recht hat“. Niemand soll in der Lage sein, aufgrund von historischen Dokumenten Aussagen der Partei zu widerlegen. Auch Berichte, die sich auf positive Art und Weise über Personen äußern, die inzwischen durch „Verschwindenlassen“ bzw. „Vaporisieren“ zu „Unpersonen“ geworden sind, werden umgeschrieben. Auch wird durch die Änderung von Statistiken und Berichten der laufende Wechsel der Kriegsgegner der Bevölkerung gar nicht bewusst. Sie denken, dass der Staat schon immer mit dem jetzigen Gegner verfeindet war. Um dies zu ermöglichen, wird die Parteizeitung, die Times, regelmäßig bis in alle historischen Ausgaben laufend angepasst und alte Ausgaben neu nachgedruckt. Die nicht mehr in die Parteilinie passenden alten Exemplare werden aus den Archiven genommen und vernichtet.

Auch dafür gibt es ein berühmtes historisches Vorbild, das Orwell möglicherweise kannte, eine Fotografie von Lenin. In der Originalversion stehen Trotzki und Kamenjew neben ihm. In der zweiten Version ist Trotzki wegretuschiert, aber Kamenjew steht noch da. In der dritten Version ist auch Kamenjew verschwunden.

Siehe auch: Damnatio memoriae

Krieg ist Frieden

In Orwells Welt führen die drei Supermächte nur noch begrenzte Kriege an der Peripherie. Es genügt ihnen, um die Bevölkerung dazu zu bewegen, sich mit Armut und Mangel infolge des „Kriegszustandes“ zufriedenzugeben. Da dies im Interesse aller drei Regierungen liegt, verhindert es den großen Krieg zwischen ihnen. Dass sie ständig ihre Bündnispartner wechseln, ändert daran nichts (vgl. Mächtegleichgewicht). Die Situation sichert die Herrschaft jener Supermächte, die unfähig und unwillig sind, die Bevölkerung angemessen zu versorgen. Um zu unterstreichen, dass die Bevölkerung sich mit dem Zustand zufriedengeben kann (und muss), verbreitet die Partei den Slogan „Krieg ist Frieden“, wobei Frieden der stets erwünschte und zu erreichende Zustand ist, der regelmäßig in der „Berichterstattung“ der Partei in „greifbare Nähe rückt“.

Allerdings vermuten selbst Julia und dann auch Winston im Zuge des Romans irgendwann, dass möglicherweise die Regierung von Ozeanien selbst Bomben abwirft, um die Gegenwärtigkeit des Kriegs aufrechtzuerhalten. Die Vermutung wird genährt von der Tatsache, dass diese Bombenangriffe niemals auf Wohngebiete der Parteimitglieder gerichtet sind, sondern immer auf Gebiete der Proles niedergehen.

Zwiedenken

Zwiedenken (in neueren deutschen Ausgaben: Doppeldenk) ist eine zentrale These des Buches. Wenn die Partei sagt, 2 + 2 = 5, dann ist es so. Es genügt auch nicht, es nur zu sagen und dabei zu lügen, sondern man muss es wirklich glauben. Die Partei kontrolliert die Gedanken, wenn die Partei sagt 2 + 2 = 5, dann glauben es die Menschen, und wenn die Menschen es glauben, dann ist es so. Andererseits wird von O'Brien gegenüber Winston eingeräumt, dass es für wissenschaftliche Zwecke u. ä. manchmal schon erforderlich sei, zu wissen, dass 2 + 2 = 4 ist. Hier setzt dann das eigentliche Zwiedenken („Doublethink“) ein, da vom linientreuen Parteimitglied verlangt wird, zwischen „zwei Wahrheiten hin- und herzuschalten“ (in einem Moment 2 + 2 = 5, im nächsten 2 + 2 = 4), ohne sich dessen bewusst zu sein. Eine objektive Wahrheit außerhalb der Partei gibt es nicht. Unter der Folter sieht Winston tatsächlich einmal die verlangten 5 Finger, obwohl ihm O'Brien nur 4 Finger zeigt.

Hasswoche

Die Hasswoche ist eine Propagandaveranstaltung, die dem Hass auf politische und militärische Gegner gewidmet ist. Wie austauschbar diese Gegner für das System sind, zeigt eine Episode, in welcher der Hassredner mitten in seiner Rede einen Zettel zugeschoben bekommt, auf dem steht, dass der Gegner gewechselt hat. Ohne zu stocken oder sich einmal zu versprechen, setzt er seine Rede fort; Hassobjekt ist jetzt der neue Gegner.

Die kleine Schwester der Hasswoche ist der tägliche Zwei-Minuten-Hass, an dem jeder teilnehmen muss. Gegen seinen Willen kann sich auch Winston gegen die dort erzeugten Hassgefühle nicht wehren.

Unperson

Politische Gegner werden liquidiert („verflüssigt“) – „vaporisiert“ (verdampft) auf Neusprech, bzw. vor einem Massenpublikum öffentlich erhängt. Damit allein ist die Partei aber nicht zufrieden: Jede Erinnerung an die Ermordeten muss ausgelöscht werden; sie werden zur Unperson – es gibt sie nicht, es hat sie nie gegeben. Dies wird am Beispiel eines Arbeitskollegen von Winston namens Syme verdeutlicht, der begeistert an der Entwicklung von Neusprech mitarbeitete, jedoch eines Tages verschwand und „nie existiert“ hatte. Eine ganze Abteilung in Winstons Ministerium ist unablässig damit beschäftigt, Dokumente, in denen Unpersonen erwähnt werden, zu vernichten und neu zu verfassen. Das Vorbild hierfür ist offensichtlich die Sowjetunion unter Stalin. Dort wurde die Geschichte der Revolution ständig neu geschrieben. Sogar Fotos wurden retuschiert.

Neusprech

Der Ausdruck Neusprech (englisch: Newspeak, in älteren Versionen als Neusprache übersetzt) bezeichnet eine Sprache, die aus politischen Gründen künstlich modifiziert wurde. Neusprech ist die eingeführte Amtssprache in Ozeanien: Die 11. Auflage des den Neusprech festlegenden Wörterbuchs wird zur Zeit der Handlung gerade erstellt. Neusprech ist in drei Teile gegliedert. Teil A umfasst die Alltagssprache, die von jeder politischen und ideologischen Bedeutung frei sein sollte. Teil B stellt das unabdingbare Minimum des ideologischen und politischen Wortschatzes dar. Teil C ist mit Abstand der umfangreichste und beinhaltet die technischen und wissenschaftlichen Fachausdrücke.

Sie soll nach und nach die Alltagssprache (Altsprech) verdrängen und dient dazu, den Wortschatz zu reduzieren und so abgestuftes und schattiertes Denken zu unterbinden. Das zeigt der Satz „Altdenker unintusfühl Engsoz“ im Kommentar der Parteizeitung in Neusprech. Die bestmögliche Übersetzung in Altsprech lautet: „Derjenige, dessen Weltanschauung sich vor der Revolution geformt hat, kann die Prinzipien des Englischen Sozialismus niemals in seiner letzten Tiefe erfühlen und verstehen“. Dies wäre aber nur eine unzureichende Übersetzung.

Gab es in Altsprech für jedes Adjektiv noch ein entsprechendes Gegenteil, so wird in Neusprech jedes Gegenteil durch ein vorgestelltes un- gebildet. So lautet zum Beispiel wie in Esperanto das Gegenteil von gut ungut und von warm unwarm. Steigerungsformen wie besser, am besten und so weiter werden durch plusgut beziehungsweise doppelplusgut ersetzt. Außerdem werden fast alle Unregelmäßigkeiten an die Regeln angeglichen. Längere Bezeichnungen wie Ministerium für Wahrheit werden einfach zu Miniwahr verkürzt. Dahinter verblasst auch die ursprüngliche Bedeutung der Worte.

Ein weiteres Mittel sind Euphemismen (Beschönigungen). Die Haft- und Folterlager des Systems heißen Lustlager. Das dahinterstehende Ministerium ist das Ministerium für Liebe. Die politischen Gefangenen sind Gedankenverbrecher. In Parolen der Partei, wie zum Beispiel Krieg bedeutet Frieden, Freiheit ist Sklaverei und Unwissenheit ist Stärke, werden den Wörtern einfach neue Bedeutungen zugewiesen, um sie nicht gegen die Partei verwenden zu können. Auch haben Wörter je nach Bezug(sperson) andere Bedeutungen, so kann „schwarzweiß”, ob benutzt für Parteimitglieder oder -feinde, besondere Parteitreue oder Landesverrat bedeuten. Damit unterbindet die Partei von Anfang an, dass ein alternatives System gedacht werden kann. Als Beispiel beschrieb Orwell Kritik am großen Bruder in Neusprech „Der große Bruder ist ungut“. Weiter differenzieren oder begründen kann der Sprecher den Sachverhalt nicht. Für ein orthodoxes Parteimitglied ist das Verbrechendenk oder Deldenk nur ein grober Fluch und für die Partei ungefährlich.

Ein gutes Beispiel dafür liefert Orwell im Anhang des Romans (je nach Ausgabe, hier: Nineteen Eighty-Four. Penguin Books 1990, ISBN 0-14-012671-6), wo er die Prinzipien der Newspeak-Sprache erklärt:

Die Worte Kommunistische Internationale, zum Beispiel, erinnern an ein Bild von weltweiter Brüderlichkeit, rote Flaggen, Karl Marx und der Pariser Kommune. Das Wort Komintern, andererseits, suggeriert eher einen straff organisierten Körper mit einer wohldefinierten Doktrin. Es verweist auf etwas, das so simpel erkannt wird … wie ein Stuhl oder ein Tisch. Komintern ist ein Wort, das ohne Aufhebens geäußert werden kann, aber Kommunistische Internationale ist eine Phrase, über die jeder wenigstens eine kurze Zeit lang zögert. Gleichermaßen sind die Assoziationen, die von einem Wort wie Minitrue geweckt werden, seltener und besser kontrollierbar als jene, die von Ministry of Truth erzeugt werden. […] [3]

Wegen der umfangreichen Arbeiten, alle Bücher von Altsprech in Neusprech zu übersetzen, wird der Zeitpunkt der endgültigen Einführung von Neusprech auf 2050 festgesetzt.

Verbrechen

Im Jahre 1984 werden kritische Gedanken, so genannte Gedankenverbrechen, die die Doktrin des fiktiven Staates Ozeanien in Frage stellen, als Staatsverbrechen behandelt. Das erklärte Ziel der herrschenden totalitären Partei ist, durch die Einführung einer neuen Sprache (Neusprech genannt), durch ständige Verfälschung der Geschichte und durch totale Kontrolle und Bedrohung den Bürgern die Möglichkeiten zu entziehen, Gedankenverbrechen zu begehen. Beispielsweise liegt Ozeanien abwechselnd mit Eurasien oder Ostasien im Krieg, während es mit dem jeweils anderen in Frieden lebt. Wenn Ozeanien mit einem Staat Krieg führt, dann führte es schon immer mit diesem Staat Krieg und wird auch in Zukunft immer mit diesem Staat Krieg führen, während man mit dem anderen Staat immer in Frieden lebte und auch in Zukunft immer in Frieden leben wird. Wer das nicht anerkennt, begeht ein Gedankenverbrechen.

Es gilt auch als Verbrechen, nicht den je nach Anlass geforderten freudigen, ernsten oder auch hasserfüllten Gesichtsausdruck zu tragen. Dazu gibt es ein historisches Vorbild: Zu Zeiten des römischen Kaisers Claudius soll einst ein Bürger angeklagt worden sein, weil er mit dem „mürrischen Ausdruck eines Pädagogen“ über den Markt gegangen sei.

Ozeanien

Die Welt von „1984“

Die drei Supermächte

Ozeanien ist eine der drei verbleibenden Supermächte der Welt, neben Eurasien und Ostasien. Ozeanien besteht aus den früheren Staaten Amerikas, Großbritannien, Australien und dem südlichen Teil von Afrika, Eurasien aus Europa und Russland, insgesamt von der iberischen Halbinsel bis zur Beringstraße. Ostasien besteht aus China, der Mongolei und Japan. Ozeanien befindet sich stets mit mindestens einer der beiden anderen Mächte im Krieg; In diesem geht es jedoch ausschließlich um die Ablenkung der Bevölkerung und niemals wirklich um das umkämpfte Territorium oder die Vernichtung der Feinde. Letzteres erscheint durch das absolute Kräftegleichgewicht ohnehin unmöglich.

Entwicklung

Der Roman selbst erklärt wenig über die Geschichte von Ozeanien. Allerdings erhält Winston im zweiten Teil des Romans von O'Brien eine Kopie des staatskritischen „Buches”, das vom obersten Staatsfeind Emmanuel Goldstein geschrieben worden sein soll. Auch wenn sich später herausstellt, dass dieses Buch tatsächlich von der Partei selbst verfasst wurde, erklärt es schlüssig das Konzept der Partei und die Geschichte des Engsoz (englischer Sozialismus, im englischen Original Ingsoc, abgeleitet aus English Socialism). Demnach soll es kurz nach dem Sieg der Alliierten im Zweiten Weltkrieg im Vereinigten Königreich zur („sozialistischen“) Revolution gekommen sein.

Währenddessen startete die Sowjetunion eine massive Invasion in Europa und übernahm den gesamten Kontinent mit Ausnahme des Vereinigten Königreiches. Ein dritter – diesmal atomarer – Weltkrieg brach zwischen Ozeanien (geführt von den ehemaligen USA), Eurasien (geführt von der ehemaligen Sowjetunion) und Ostasien (geführt vermutlich vom ehemaligen China[4]) aus, Atombomben wurden über Europa, Westrussland und Nordamerika abgeworfen. Im späteren Krieg wird auf den Einsatz von Nuklearwaffen verzichtet, da die Supermächte fürchteten, dass durch weitere Atombomben die gesellschaftliche Ordnung und damit ihre Macht zusammenbrechen würde.

Im Roman erinnert sich Winston an einen Zeitpunkt, als eine Wasserstoffbombe über Colchester abgeworfen wurde und eine Massenpanik ausgelöst hatte. Die drei Großmächte erkannten schließlich, dass die Vernichtung des Gegners nicht ohne die eigene Vernichtung möglich sei. Statt aber den Krieg zu beenden, beschlossen sie zunächst, um die Vormachtstellung in Afrika zu kämpfen und anschließend, durch Ausbeutung der Rohstoffe und Menschen Afrikas, auch ihre Gegner besiegen zu können. Obwohl allen drei Seiten bewusst ist, dass dieser Plan niemals aufgehen kann, da, sobald eine Macht so etwas wie eine Vorherrschaft zu erringen droht, sich die anderen zwei Seiten gegen sie verbünden würden, halten sich alle Seiten an dieses Abkommen. Denn inzwischen haben sie erkannt, dass der ständige Krieg es ihnen erlaubt, die Bevölkerung in einem Zustand der ständigen Angst und Arbeitshetze zu halten, ohne je den Lebensstandard in ihren Ländern heben zu müssen, da die schwer erarbeiteten Güter immer wieder an der Front vernichtet werden könnten. Die Partei glaubt, dass eine Bevölkerung, die ständig damit beschäftigt ist, sich um die notwendigsten Dinge zum Leben zu sorgen, keine Zeit für kritische Gedanken habe und damit leicht zu kontrollieren und zu manipulieren sei.

Die drei Großmächte kämpfen selten auf ihrem Territorium, nur die einschlagenden Raketenbomben (die vielleicht aber auch nur von der Partei selbst gezündet werden) terrorisieren die Bevölkerung.

In den späten Fünfzigern wurde die Revolution dann vom Großen Bruder verraten, der mit seiner Theorie vom „englischen Sozialismus“ einen Terrorstaat schuf, bis er 1970 alle Funktionäre neben sich in großen Säuberungswellen verschwinden ließ und einen gigantischen Personenkult um seine Person aufbaute. Dabei wurde nicht einmal seine eigene Existenz gesichert, da ihn kaum jemand je zu Gesicht bekommen hat. Im Jahre 1984 ist „Luftstützpunkt Nummer Eins“ (Airstrip One, das frühere Großbritannien) zur drittreichsten Region in Ozeanien geworden, was aber nicht allzu viel heißt.

Gesellschaft

Die oligarchische Gesellschaft von Ozeanien ist in drei hierarchische Großgruppen unterteilt. Der Aufbau und die Wirkungsweise dieser drei Stände lassen sich in Platons Vision vom „Idealen Staat” wiederfinden. In diesem von Platon erdachten Staatsmodell stehen die Philosophen an oberster Stelle. Ihre Aufgabe ist es zu denken. Diese kleinste Kaste wird in dem Buch durch die innere Partei dargestellt. Die zweite Kaste ist die Kaste der Wächter. In Orwells Buch wird diese Kaste durch die äußere Partei verkörpert. Ihre Aufgabe ist die Durchsetzung und Überwachung der von der oberen Kaste vorgegebenen Richtlinien. Schlussendlich und an letzter Stelle steht das arbeitende Volk, das in dem Buch durch die „Proles”, also Proletarier, repräsentiert wird. Aufgebaut ist dieses Kastensystem pyramidenartig, wobei die Arbeiter die größte und die Philosophen die kleinste Anzahl an Mitgliedern haben.

Die Mitglieder der Inneren Partei machen zwei Prozent der Bevölkerung aus. Sie stellen die Oberschicht dar und haben alle führenden Positionen inne.

Sie genießen viele Privilegien und sind auf jeden Fall nicht den strengen Rationierungen unterworfen, die für den Rest der Gesellschaft gelten. Die Teleschirme in ihren Arbeitsräumen (evtl. auch Wohnräumen) können sie selber abschalten. Der Funktionär O'Brien konsumiert zuhause Wein; ein Luxusgut, über das andere Menschen nicht verfügen. Julia stiehlt bei Gelegenheit auch Kaffee, Tee und Zucker – alles Dinge, die in der Regel nur Mitglieder der Inneren Partei konsumieren.

Natürlich sind auch diese nicht dagegen gefeit, von heute auf morgen in Ungnade zu fallen und zur Unperson zu werden.

Die Mitglieder der Äußeren Partei stellen die Mittelschicht dar und machen etwa 13 % der Bevölkerung aus. Mitglieder der Äußeren Partei arbeiten im Dienst der Partei und dienen lediglich deren Aufrechterhaltung. Manche von ihnen sind in intellektuellen Bereichen beschäftigt (etwa der Geschichtsfälschung oder der Arbeit an der neuen Ausgabe des Newspeak Dictionary) und geraten so in eine Position, in der sie der Partei gefährlich werden können. Viele von ihnen verschwinden früher oder später spurlos (Ausdruck im Roman: „vaporisiert“ („verdampft”)), wie zum Beispiel Syme, ein Bekannter von Winston, der am Wörterbuch der Neusprache arbeitet.

Die Proles, die Arbeiter, machen zwar 85 % der Bevölkerung aus, werden aber durch Armut und Medien bewusst dumm und passiv gehalten und stellen selbst beim offensichtlichen Charakter der Diktatur der Partei kein Risiko für deren Position dar. Dies wird erreicht, indem gewaltige wirtschaftliche Mittel nicht den Armen zugute kommen, sondern in einem permanenten Krieg vernichtet werden (z. B. Bau von sündhaft teuren „Schwimmenden Festungen”, engl. Floating Fortresses). Auch dient dieser Krieg als „Entschuldigung” dafür, dass sich das Land ständig in einer Notlage befindet und sich gar keinen „Luxus” wie Demokratie, Freiheit oder Armutsbekämpfung leisten kann – niemand aus der Schicht der Proles kann aufsteigen. Dazu produziert der Staat ständig billige Schnulzenlieder, Groschenromane, Pornofilme und anderes, die ausschließlich von den Proles konsumiert werden dürfen. Ebenfalls organisiert der Staat eine Lotterie, bei der die Großgewinner fiktiv sind – aber doch sind die Proles, mangels anderer Beschäftigung, von diesen einfältigen Tätigkeiten hingerissen. Sie haben keine Zeit oder keine Ambition, den Staat zu kritisieren, aber dennoch ist diese Kaste die einzige, die in der Lage wäre, einen Umsturz herbeizuführen. Wenn es nach dem Scheitern des Protagonisten noch Hoffnung auf Veränderung gibt, so geht diese von den Proles aus. Während Mitglieder der Inneren und Äußeren Partei sich mehr oder weniger akzeptieren, sehen sie in den Proles nichts anderes als Tiere. Auch haben die Proles den niedrigsten Lebensstandard innerhalb der Gesellschaft: Ihre Viertel sind so rattenverseucht, dass ein unbewachtes Kleinkind innerhalb weniger Minuten bis auf die Knochen abgenagt würde.

„Das Buch“ des Oppositionellen Emmanuel Goldstein beschreibt die Entstehung dieser drei Klassen so, dass die „sozialistischen“ Revolutionäre, die aus der früheren Mittelschicht stammen und aus denen sich die Funktionäre der Partei rekrutieren, die ursprüngliche Idee des Marxismus, die die Befreiung der Arbeiterklasse vorsah, soweit pervertiert haben, dass sie ihnen ihren Machterhalt ermöglicht. Trotzdem geht es nach der offiziellen Darstellung der Partei allen Bürgern – auch den Proles – besser als vor der Revolution, obwohl sie in heruntergekommenen einförmigen Mietskasernen leben und nur das Lebensnotwendige an Kleidung und Nahrungsmitteln besitzen. Das Bild der Gesellschaft vor der Revolution, das in den Geschichtsbüchern vermittelt wird, beschreibt die Unterdrückung durch ausbeuterische Kapitalisten, Geistliche und Aristokraten, Armut, Obdachlosigkeit, Kinderarbeit und das ius primae noctis, das vom Mittelalter ins Industriezeitalter verlegt wurde. Dies ist ein Zerrbild der englischen Klassengesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg, aber auch eine Anlehnung an das in sozialistischen Staaten tatsächlich vermittelte Geschichtsbild, das zur Ablenkung von gegenwärtigen Problemen und zur Bestätigung der Parteiparole von der „Befreiung der Menschheit“ dienen sollte.

Überwachung

Orwell beschreibt in 1984 eine totale Überwachung, der sich kein Mitglied der Äußeren Partei entziehen kann (bei der Inneren Partei ist es nicht klar – O'Brien kann sich scheinbar für kurze Zeit entziehen, da er den Teleschirm abschalten kann). Sie wird hauptsächlich mithilfe von Teleschirmen ausgeübt. Der Teleschirm ist sowohl Sende- als auch Empfangsgerät, das in jedem Haus der inneren und äußeren Partei, an öffentlichen Plätzen und bei der Arbeit die Bürger Ozeaniens überwacht. Niemand weiß, ob man gerade beobachtet wird oder nicht und man kann nur darüber spekulieren, wie oft oder nach welchem System sich die Gedankenpolizei in die Privatsphäre einschaltet. Darum ist es sogar denkbar, dass sie ständig alle (Parteimitglieder) beobachtet. Siehe auch Panopticon, das Konzept totaler Überwachung.

Ein weiteres Mittel zur Überwachung sind Mikrofone, die überwiegend in ländlichen Gegenden eingesetzt werden. Diese sind besonders deswegen gefürchtet, weil sie, im Gegensatz zu den Teleschirmen, versteckt sind und man so noch weniger weiß, ob man überwacht wird oder nicht.

Auch patrouillieren in unregelmäßigen Abständen Hubschrauber der Gedankenpolizei durch die Wohngegenden und spähen direkt in die Fenster, was aber weniger der tatsächlichen Überwachung dient, sondern eher ein Gefühl der Ohnmacht und ständigen Beobachtung hervorrufen soll.

Im Gegensatz zu dieser offenen Überwachung gibt es noch die Bespitzelung der Menschen untereinander. Besonders Kinder werden schon in der Jugendorganisation der Spitzel/Späher (Spies) dazu erzogen und animiert, ihre Eltern auszuspionieren und zu verraten. Manche Eltern sind sogar stolz darauf, wenn ihre Kinder andere oder sogar die eigenen Eltern verraten. Außerdem werden alle Parteimitglieder in Vereinen organisiert und sind dazu aufgerufen, möglichst viel Zeit in Gemeinschaftshäusern zu verbringen, damit jeder jeden im Blick hat.

Die Proles, welche 85 % der Bevölkerung ausmachen, werden nur vereinzelt überwacht, da sie nicht als Menschen und ihre Ansichten als bedeutungslos angesehen werden.

Ministerien

Der Aufbau der Regierung in 1984 ist eine Parodie auf eine bekannte Rede des US-Präsidenten Roosevelt vor dem Kongress 1941 über die „vier Freiheiten“ („freedom of speech and religion, from want and fear“): die Meinungsfreiheit, die Religionsfreiheit, die Freiheit von Mangelzuständen und von Furcht. George Orwell verwendete diese Rede zusammen mit seinen Erfahrungen bei der British Broadcasting Corporation (BBC) dazu, um die vier Ministerien von Ozeanien zu erschaffen:

  • Ministerium für Frieden (Minipax): Dieses Ministerium befasst sich mit Krieg, genauer gesagt: mit der Kriegspropaganda, und damit den immerwährenden Krieg in Gang zu halten. Vermutlich ist es auch für die Angriffe auf eigene Städte verantwortlich, um die Kriegsstimmung aufrechtzuerhalten.
  • Ministerium für Überfluss/Überfülle (Minifluss/Minifülle): Dieses Ministerium ist für Wirtschaft und die Ausarbeitung der Drei-Jahres-Pläne zuständig, die laut offiziellen Meldungen ständig erreicht bzw. übertroffen werden, während die tatsächliche Produktion wahrscheinlich absichtlich gering gehalten wird, so werden angeblich 145 Millionen Stiefel pro Jahr produziert, während „die Hälfte der Bevölkerung Ozeaniens barfuß“ geht. Das Ministerium sorgt also auch dafür, dass nie genug Konsumgüter vorhanden sind beziehungsweise die Qualität extrem schlecht bleibt (man vergleiche Winstons Bemerkungen über Schokolade, Victory-Zigaretten und Victory-Gin).
  • Ministerium für Liebe (Minilieb): Dieses mysteriöse und gefürchtete Ministerium unterhält die Gedankenpolizei, die Abweichler aufspürt und dorthin bringt. Dort werden sie solange gefoltert, bis sie „umgedreht”, also wieder voll und ganz auf Parteilinie sind. Einige werden danach freigelassen, um noch einige Zeit in Ozeanien zu leben, bevor sie erschossen werden. Andere werden sofort erschossen.
  • Ministerium für Wahrheit (Miniwahr): Dieses Ministerium befasst sich mit der Vergangenheit beziehungsweise mit deren ständiger Manipulation. Sämtliche Bücher, Filme, Schriften, Zeitungen, Tonaufnahmen etc. aus vergangener Zeit werden hier ständig revidiert und an die aktuelle Linie der Partei angepasst, sodass laut allen Aufzeichnungen, die existieren, die Partei immer recht hat und immer recht gehabt hat.
„Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten –, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.” (Vgl. Teil 1 aus 1984)
„Wer die Macht über die Geschichte hat, hat auch Macht über Gegenwart und Zukunft.“

Literatur

Ausgaben

  • George Orwell: 1984 (Neunzehnhundertvierundachtzig). Ullstein Taschenbuchverlag, 2002, ISBN 3-548-23410-0
  • George Orwell: Nineteen Eighty-Four. Penguin Books, 1990, ISBN 0-14-012671-6. (Edition, die sich möglichst genau an Orwells Originalmanuskripte hält.)

Sekundärliteratur

  • Bernd-Peter Lange: George Orwell: 1984. Fink Verlag, 1982, ISBN 3-7705-2066-1
  • Michael Rademacher: George Orwell, Japan und die BBC. Die Rolle des totalitären Japan bei der Entstehung von Nineteen Eighty-Four. In: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen, 149. Jahrgang, 1 (1997), ISSN 0003-8970, S. 33–54.
  • Michael Rademacher: Orwell and Hitler: Mein Kampf as a Source for Nineteen Eighty-Four. In: Zeitschrift für Anglistik und Amerikanistik, 47. Jahrgang, 1 (1999), ISSN 0044-2305, S. 38–53.
  • Samuel Lynn Hynes: Twentieth century interpretations of 1984. Prentice Hall, 1972, ISBN 978-0136226055
  • Herforth, Maria-Felicitas: George Orwell: 1984 (Nineteen Eighty-Four). Königs Erläuterungen und Materialien (Bd. 108). Hollfeld: C. Bange Verlag 2002. ISBN 978-3-8044-1769-4

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  1. http://www.george-orwell.org/l_biography.html
  2. http://www.resort.com/~prime8/Orwell/whywrite.html
  3. http://www.newspeakdictionary.com/ns-prin.html
  4. wird im Buch nicht direkt erwähnt, jedoch liegt es nahe, da die Selbstbezeichnung der ostasiatischen Ideologie ein chinesisches Wort ist. Zitat aus dem Buch: „… in Ostasien wird sie [die herrschende Weltanschauung] durch ein chinesisches Wort ausgedrückt, das man gewöhnlich mit ‚Todeskult‘ [je nach Auflage auch ‚Sterbekult‘] übersetzt, …“ Zu finden ist der Satz in Goldsteins Buch, Kapitel 3.


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