Hartmut Mehdorn

Hartmut Mehdorn
Hartmut Mehdorn (März 2008)

Hartmut Mehdorn (* 31. Juli 1942 in Warschau) ist ein deutscher Industriemanager und Maschinenbauingenieur. Von Dezember 1999 bis 30. April 2009[1] war er Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Bahn AG (Bahnchef). Seit dem 1. September 2011 leitet er Air Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit, Jugend und Studium

Mehdorn wurde 1942 als Sohn des Diplom-Ingenieurs Wolfgang Mehdorn und der Hausfrau Erika Mehdorn geboren.[2][3] Er kam während eines Besuches seiner Mutter aus Berlin bei seinem Vater zur Welt, der sich als deutscher Soldat im besetzten Warschau aufhielt. Standesamtlich gemeldet wurde er in Berlin; der Geburtsort laut Geburtsurkunde ist Warschau.[4] Er ist das jüngste von vier Kindern. Seine Eltern waren Inhaber eines Betriebes für Kunststoff-Spritzguss- und Pressteile.[5]

Im Jahr 1944 wurde die Familie Mehdorn von Berlin nach Kipfenberg bei Eichstätt in Bayern evakuiert.[6][2] Bedingt durch eine Anstellung seines Vaters zog die Familie 1947 nach Karlsruhe, wo Mehdorn eingeschult wurde. 1949 folgte ein Umzug nach Nürnberg, 1953 nach Berlin (Kaiserdamm, Bezirk Charlottenburg[7]), wo Mehdorn die Oberschule besuchte.[8][2] Beinahe während seiner gesamten Schulzeit war er Klassensprecher.[7]

Mehdorn studierte von 1961 (andere Quelle: 1960[2]) bis 1966 Leichtbau[9] an der Ingenieurschule Beuth (heute Beuth Hochschule)[10] in Berlin.[2] Seine Diplomarbeit schrieb er über Turbinentechnik.[9] Während seines Studiums wurde er Mitglied der Burschenschaft Frankonia Berlin[11] und arbeitete im elterlichen Betrieb mit.[12] Er betrieb in seinen Ferien Rudern als Leistungssport und trat bei den Berliner Meisterschaften an. Er nahm auch einmal an den Deutschen Meisterschaften teil.[2][11] Dabei setzte er sich, im leichten Jungmann-Zweier, gegen zwei weitere Berliner Boote durch und wurde Landesmeister.[7]

Berufsleben

Nach Abschluss des Studiums trat Mehdorn 1966 eine Stelle als Planungsingenieur bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VFW, ehemals Focke-Wulf) in Bremen an. 1968 wurde er Assistent des Betriebsleiters im VFW-Werk Lemwerder, zuständig für die Organisation der Endmontage. Er wirkte in dieser Funktion anderthalb Jahre in der Termin- und Produktionsplanung der Transall-Flugzeuge mit. Anschließend arbeitete er rund zwei Jahre in der Konstruktion.[2] Als die Bundeswehr zur Einführung der Transall technische Offiziere suchte, trat Mehdorn – der als West-Berliner nicht zum Wehrdienst herangezogen wurde – freiwillig seinen Militärdienst an.[9] Er erhielt eine vierwöchige militärische Ausbildung auf einer Offiziersschule.[7] In dieser Funktion wurde er für vier etwa fünfwöchige Wehrübungen herangezogen. Er ist heute Luftwaffenhauptmann der Reserve.[9]

1972 wurde er Programmleiter der Airbus-Serie bei VFW in Bremen. Dabei führten ihn seine Aufgaben auch nach Toulouse. Ab 1. Dezember 1977[12] arbeitete Mehdorn als Werksleiter in Bremen (etwa 1400 Mitarbeiter). Mit der Übernahme der VFW durch Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) im Jahre 1981 wurde Mehdorn Produktionschef der Nordwerke von MBB (Bremen, Lemwerder, Einswarden und Varel). 1980 wurde er Vorstand für Produktionskoordination, Einkauf und Qualitätskontrolle von Airbus Industrie in Toulouse.[2][12] In dieser Funktion wirkte er an der Entwicklung erster Airbus-Prototypen mit.[13] Diese Funktion hatte er bis März 1984 inne. In seine Amtszeit fielen die Entwicklung und die Produktionsvorbereitung der A310, A300-600 und A320.[12]

Zwischen 1. April 1984 bis Dezember 1989[12] war Mehdorn Bereichsleiter Transport- und Verkehrsflugzeuge bei MBB.[2] 1985 wurde er Leiter der Unternehmensgruppe[12], 1986 wurde er zusätzlich Mitglied der Geschäftsführung von MBB, zuständig für zivile Luftfahrt.[2] Von 1989 bis 1992 war Mehdorn Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Airbus GmbH in Hamburg. Von August 1992[12] bis 1995 war Mehdorn Vorstandsmitglied der Deutschen Aerospace AG (DASA) in München. Im Zerwürfnis mit Jürgen Schrempp verließ er das Unternehmen zum 30. September 1995 ohne Abfindung.[14][15] Ab 1992 war Mehdorn zeitweilig Vorsitzender des Aufsichtsrates der Dornier Luftfahrt.[12]

Der Umbau der Deutschen Airbus zu einem erfolgreichen Flugzeugbauer gilt in wesentlichen Teilen als Mehdorns Verdienst. Auch habe er die Voraussetzungen für die Verlagerung der Airbus-Endmontage nach Deutschland Anfang der 1990er Jahre geschaffen.[12]

Im Oktober 1995 wechselte Mehdorn als Vorstandsvorsitzender zur Heidelberger Druckmaschinen AG.[16] Mehdorn erweiterte den Druckmaschinen-Hersteller durch eine Expansionsstrategie zu einem Universalanbieter und brachte das Unternehmen zum 8. Dezember 1997 an die Börse.[2][17][18] Die zahlreichen Übernahmen, Zukäufe und Erweiterungen des Produktsortiments in den vier Jahren betrafen insbesondere den Bereich des Zeitungsdrucks. In dieser Zeit verdoppelten sich Umsatz, Mitarbeiterzahl und Gewinn.[19][20][21] Ab September 1998 war Mehdorn zusätzlich Vorstandsvorsitzender der Lahmeyer AG, die mit 57 % die Mehrheit an Heidelberger Druckmaschinen hielt und im Vorjahr durch die Verschmelzung von Lahmeyer und Rheinelektra gebildet worden war.[12]

Unter Mehdorn weitete der Weltmarktführer für Druckmaschinen sein Produktportfolio aus und entwickelte sich von einem reinen Maschinenbauer zu einem Anbieter von Drucksystemen.[12] Die zahlreichen Zukäufe belasteten das Unternehmen jedoch dauerhaft finanziell stark und die Heidelberger Druckmaschinen AG geriet in Existenznot. Nach Mehdorns Abgang wurde das gesamte neu hinzugekaufte Portfolio zur Rettung der angeschlagenen Heidelberger Druckmaschinen wieder verkauft.[22]

Ab 1. Oktober 1998 bis Ende 1999 war er im Vorstand RWE AG zuständig für Nicht-Energie-Beteiligungen.[2][23][24] Im Jahr 1997 war Mehdorn für den neu zu besetzenden Vorstandsvorsitz von Airbus im Gespräch.[25] Er ist unter anderem Aufsichtsratsmitglied der RWE AG und der SAP AG.

Vorstandsvorsitz der Deutschen Bahn AG

Hartmut Mehdorn auf der Eröffnungsfeier des sanierten Dresdner Hauptbahnhofs (November 2006)

Bereits 1997 schlug der damalige Bahnchef Heinz Dürr nach eigenen Angaben Mehdorn dem damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl als seinen Nachfolger als Bahnchef vor. Die Wahl Kohls fiel jedoch auf Johannes Ludewig.[26]

Mehdorn wurde von Bundeskanzler Gerhard Schröder 1999 gebeten, Ludewig als Bahnchef abzulösen. Bundesregierung und Aufsichtsrat einigten sich Mitte September 1999 auf die vorzeitige Ablösung Ludewigs sowie des Fernverkehrsvorstandes Axel Nawrocki zum 30. September 1999; der Aufsichtsrat stimmte diesem Schritt am 25. September 1999 (andere Quelle: 24. September 1999[27]) zu.[28][29][30] Mehdorn sollte den Vorstandsvorsitz bis spätestens 1. Januar 2000 übernehmen.[27] Zum 16. Dezember 1999 übernahm Mehdorn den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bahn AG[31]; Finanzvorstand Diethelm Sack hatte die Funktion zeitweilig kommissarisch übernommen.[30] Nach eigenen Angaben hatte Mehdorn zuvor damit gerechnet, bis zum Ende seines Berufslebens in Heidelberg zu wirken.[32] Bereits 1998 war er als Nachfolger von Ludewig gehandelt worden.[33]

In einer ersten Erklärung zu seinen Zielen nannte Mehdorn im Januar 2000 einen raschen Strukturumbau, ein neues Management, die Verbesserung des Fernverkehrsangebotes, Kooperationen mit Partnerbahnen im Güterverkehr sowie ein neues, einfacheres Tarifsystem im Personenverkehr.[12] Nachdem das Geschäftsjahr 2000 von einem massiven Sanierungskurs geprägt war, rief Mehdorn 2001 das Wachstum als weiteres Unternehmensziel aus. 2002 übernahm das Unternehmen unter seiner Leitung die Stinnes AG mit Schenker.[34] Am 20. Mai 2003 beschloss der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn, neben Korrekturen am neuen Preissystem im Fernverkehr, Mehdorns Vertrag mittels eines neuen Fünf-Jahres-Vertrages bis Mitte 2008 zu verlängern.[35] Nach Medienberichten habe Mehdorn Bundeskanzler Gerhard Schröder am 16. Mai 2003 vor die Wahl gestellt: Entweder werde sein (Mehdorns) Vertrag um fünf Jahre verlängert oder er werde das Unternehmen sofort verlassen. Aufgrund fehlender Alternativen und aufgrund der schlechten Erfahrungen mit Telekom-Chef Ron Sommer habe sich Schröder für Mehdorns Verbleib entschieden.[36]

2004 wurde Mehdorn von der Europäischen Kommission zum Mitglied des Verwaltungsrats der neuen Europäischen Eisenbahnagentur bestimmt.[37]

Die zunächst für 2005 geplante Kapitalprivatisierung des Unternehmens wurde mehrfach verschoben. Schlagzeilen machte auch der Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer, in der Mehdorn in den Jahren 2007 und 2008 eine Schlüsselrolle spielte.[34]

Sein Vertrag wurde im Juni 2007 um weitere drei Jahre bis Mai 2011 verlängert[38]; einen Wechsel in den Aufsichtsrat des Unternehmens nach dieser Zeit schloss er aus.[39] Die Vorstandsbezüge Mehdorns im Geschäftsjahr 2007 lagen bei 2,975 Millionen Euro, darunter 750.000 Euro Fixgehalt und 2,215 Millionen Euro variables Gehalt[40] (2006: 3,184 Millionen Euro, darunter 750.000 Euro Fixgehalt sowie 2,41 Millionen Euro variables Gehalt[41]).

Im Januar 2007 wurde Mehdorn einstimmig zum europäischen Präsidenten des Internationalen Eisenbahnverbands (UIC) gewählt.[42] Im Oktober 2007 erschien unter dem Titel Diplomat wollte ich nie werden Mehdorns Biografie (ISBN 3455500471), die aus mehrtägigen Gesprächen mit dem Publizisten Hugo Müller-Vogg hervorging.

In Mehdorns Zeit als Vorstandsvorsitzender fallen auch die ab Mitte 2008 aufgetretenen Probleme mit den Radsatzwellen der ICE 3 und ICE T, die zu Einschränkungen im Fernverkehr führten.

Am 30. März 2009 kündigte er an, dass er aufgrund der Vorwürfe im Rahmen der Datenaffäre bei der Bahn dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG seinen Rücktritt anbieten werde.[43] Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte am 12. Februar ein Ermittlungsverfahren wegen möglicher Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz gegen Mehdorn eingeleitet.[44] Mit seinem Rücktrittsangebot wollte Mehdorn nach eigenen Angaben dem Unternehmen die „öffentliche Vorverurteilung“ nicht „noch länger zumuten“.[45] Anfang Juli 2010 stellte die Staatsanwaltschaft Berlin Untersuchungen an, ob Mehdorn und der übrige Vorstand sich mit dem Massenabgleich von Daten strafbar gemacht hätten, ein.[46] Laut eines Medienberichts von 2011 habe Mehdorn wesentlich mehr von diesen Vorgängen gewusst als zuvor bekannt.[47] Ein interner Ermittlungsbericht habe 2009 ergeben, dass Mehdorn von „fragwürdigen“ Ermittlungsmethoden im Konzern gewusst habe.[48] Die Deutsche Bahn beauftragte eine Anwaltskanzlei, bis 22. Juni 2011 mögliche Schadenersatzansprüche gegen Mehdorn zu prüfen. Der aus dem Datenmissbrauch resultierende Schaden wird auf mindestens 45 Millionen Euro beziffert.[49] Wenige Wochen später betonte DB-Aufsichtsrat-Vorsitzender Fecht in einem Brief an Bundesverkehrsminister Ramsauer, der Verdacht, Mehdorn sei in die Bespitzelung von Journalisten, Aufsichtsräten und Mitarbeitern eingebunden gewesen, habe sich nicht bestätigt.[50]

Rüdiger Grube, der zwischen 1990 und 1992 Mehdorns Büroleiter war[51], wurde vom Aufsichtsrat am 25. April (mit Wirkung zum 1. Mai) zum neuen Vorstandsvorsitzenden des Unternehmens berufen. Mehdorn schied mit Wirkung zum 30. April 2009 aus dem Unternehmen aus.[1][52] Im Zuge der vorzeitigen Auflösung seines bis Frühjahr 2011 laufenden Arbeitsvertrages soll er eine Abfindung von 4,8 Millionen Euro erhalten haben.[53]

Zwischen 1999 und 2008 stieg der Umsatz des Unternehmens von 15,6 auf 33,5 Milliarden Euro. Das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens verbesserte sich von einem Verlust von 1,538 Milliarden Euro (1999) auf einen Gewinn von 2,483 Milliarden Euro (2008).[54] Die Zahl der Beschäftigten ging im gleichen Zeitraum von rund 350.000 auf etwa 240.000 zurück.[34]

Weiteres Berufsleben

Anfang Juli 2009 wurde Mehdorn in den Verwaltungsrat der Fluggesellschaft Air Berlin berufen[55] und zum 1. August 2009 in den Beirat der FIEGE Stiftung & Co. KG.[56] Ende September 2009 wurde er von Morgan Stanley als Berater für Verkehrsprojekte engagiert.[57] Er ist (Stand: Mai 2011[58]) ferner Aufsichtsratsmitglied von SAP und ehemaliges[58] Mitglied im Beirat von EnBW.[59]

Nach seinem Ausscheiden bei der Deutschen Bahn zog Mehdorn von Berlin nach Frankfurt am Main, wo er mit Herbert Walter und Diethelm Sack im Westend im April 2009[60] eine Bürogemeinschaft eröffnete und Unternehmen berät.[61][62] Seit 2009 arbeitet er darüber hinaus als Berater für Roland Berger.[60]

Nach eigenen Angaben hat Mehdorn verschiedene Anfragen aus dem Ausland erhalten.[7] Unter anderem berät er (Stand: September 2010) die slowenische Regierung in Eisenbahnfragen und eine ägyptische Bank bei der Bewertung eines Schieneninvestments in Afrika.[59] Auch die U-Bahn Tokio habe er bei Fragen der Privatisierung beraten.[58]

Wiederholt habe er auch Wladimir Jakunin, den Präsidenten der Russischen Eisenbahn beraten.[63] 2011 wurde Mehdorn in den Aufsichtsrat der Gesellschaft berufen.[64][58] Eine Einladung in den Aufsichtsrat von deren Tochter Transkreditbank hat Mehdorn im Vorjahr abgelehnt.[64]

Im Frühjahr 2011 plante er, mit Partnern, einen Venture-Capital-Fonds für große Aufwindkraftwerke in Wüstenregionen.[58]

Im August 2011 wurde bekannt, dass Mehdorn zum 1. September 2011 übergangsweise Nachfolger von Joachim Hunold als Chef von Air Berlin werden soll. Mehdorn soll die Gesellschaft sanieren und anschließend zügig an einen Nachfolger übergeben. Die Suche nach einem Nachfolger Mehdorns ist bereits angelaufen.[65] Mehdorn selbst geht von wenigstens anderthalb Jahren aus.[66]

Im August 2011 erklärte Mehdorn, die Luftfahrt sei trotz fast zehn Jahren an der Bahn-Spitze seine Lieblingsbranche geblieben.[67]

Privatleben

Der passionierte Ruderer ist seit 1973 mit einer Französin verheiratet. Mehdorn ist Vater zweier Söhne und einer Tochter. Er gilt als Liebhaber französischer Kultur und Lebensart.[68] Zu seinen Hobbys zählen neben Segeln und Golf[12] die Philatelie und das Schmieden von Metall.[28] Er ist konfessionslos.[69]

Mehdorn ist Vorstandsmitglied der Stiftung Lesen, Alter Herr der vertagten[70] Burschenschaft Frankonia Berlin[11] und war Schirmherr der Stiftung Off Road Kids, die sich für Straßenkinder einsetzt.

Mehdorn gilt als Freund von Gerhard Schröder, den er seit Anfang der 1990er Jahre kennt.[7]

Ehrungen

Für sein Engagement bei Airbus[7] erhielt Mehdorn 1982 das Bundesverdienstkreuz am Bande. Er ist seit 2001 Offizier, seit 2004 Kommandeur der Französischen Ehrenlegion wegen seiner Verdienste um die deutsch-französische Freundschaft.

Im Jahr 1996 wurde Mehdorn die Ehrendoktorwürde der Staatlichen Akademie für Druckwesen in Moskau verliehen. Am 10. Juli 2000 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Ingenieurwissenschaften der Technischen Universität Hamburg-Harburg[71]. Außerdem ist Mehdorn Ehrensenator der Universität Heidelberg.

Mehdorn wurde im Oktober 1999 zum Ökomanager des Jahres 2000 gekürt.[12] Er ist ferner Ex-Raucher des Jahres 2002 und Träger des Aeronautique Français, einer französischen Medaille für verdiente Luftfahrtingenieure.[72]

Am 24. Juni 2008 erhielt er den Osgar für sein Engagement für die Neuen Bundesländer.[73]

Für seine großen Verdienste bei der Weiterentwicklung der Deutschen Bahn AG zu einem ertragreichen und weltweit tätigen Unternehmen und seinen Einsatz für die internationale Zusammenarbeit der Bahnen verlieh ihm die Deutsche Maschinentechnische Gesellschaft am 12. November 2010 die Beuth-Ehrenmedaille.[74]

Kritik

In seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG zählte Mehdorn zu den umstrittensten deutschen Industriemanagern. Zahllose Male wurde Mehdorns Rücktritt gefordert.[75] In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag einer Zeitschrift sprachen sich Mitte Februar 2009 drei Viertel der Befragten für den Rücktritt Mehdorns aus.[76]

Mehdorns als direkt („hemdsärmlig“) geltender Führungsstil wurde häufig kritisiert.[28] Seine Haltung im elfmonatigen Tarifkonflikt mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer stieß auf breite Kritik. Für seine Ablehnung der Wanderausstellung Sonderzüge in den Tod (2006) wurde er ebenso kritisiert wie für die strikte Erhebung von Stations- und Trassenpreisen für die rollende Ausstellung Zug der Erinnerung (2008) durch die DB Netz AG und die zeitweise geplante Einführung eines „Bedienzuschlages“ für Fahrkartenverkäufe am Schalter zum Dezember 2008.

Auch durch seine direkten Worte fiel Mehdorn vielfach auf. So bezeichnete er den Bahnkundenverband Pro Bahn Ende 2002 als einen Verein von „selbst ernannten Eisenbahnfreunden“, die sich zu einem typisch deutschen Meckerverein zusammengetan hätten[77].

Vielfältig kritisiert wurde auch die Unternehmensstrategie, insbesondere zahlreiche Maßnahmen zur Rationalisierung und Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Bahn AG, insbesondere im Hinblick auf die geplante teilweise Kapitalprivatisierung. Häufig wurde kritisiert, das Unternehmen würde Investitionen in das Schienennetz vernachlässigen, um das Ergebnis für Investoren aufzupolieren. Teils wurde berichtet, Mehdorn habe das Unternehmen unbedingt an den Kapitalmarkt bringen wollen, um seine Berufslaufbahn damit krönend abzuschließen.

Weitere Kritikpunkte waren und sind unter anderem die Einführung eines neuen Preissystems (2002) und die Einstellung des InterRegio. Ferner wird die „Abkopplung“ von Großstädten (zum Beispiel Chemnitz, Bremerhaven oder Gera) und des Bahnhofs Zoo in Berlin vom ICE/IC-Verkehr kritisiert. Meinhard von Gerkan verklagte die Deutsche Bahn, nachdem Mehdorn architektonische Änderungen am neuen Berliner Hauptbahnhof angeordnet hatte, die erheblich in den Architektenentwurf eingriffen. Der Verein Deutsche Sprache verlieh 2007 Mehdorn den Titel „Sprachpanscher des Jahres[78] für den gehäuften Gebrauch von Anglizismen durch die Deutsche Bahn. Auch nachdem Anfang 2009 die Überprüfung der Stammdaten des Großteils der DB-Mitarbeiter („Screening“) bekannt wurde, kamen zahlreiche Rücktrittsforderungen auf.[79] Nachdem Ende März 2009 die jahrelange Filterung bestimmter E-Mails durch das Unternehmen bekannt wurde, verlor Mehdorn den uneingeschränkten Rückhalt der Bundesregierung.[80][81]

Mehdorn wurde auch zur Zielscheibe für Kritik, die sich gegen das gesamte Unternehmen richtete.[82] Zum Teil wurde er für bahnpolitische Entscheidungen der öffentlichen Hand verantwortlich gemacht, beispielsweise für Entscheidungen über den (Nicht-)Ausbau von Strecken oder die Reduzierung oder Einstellung von Regionalverkehren durch die Länder (Regionalisierungsgesetz). Täglich erreichten mehr als einhundert Beschwerden sein Büro.[83] Nach eigenen Angaben erhielt er jährlich rund 15.000 Briefe, darunter etwa 1.000 Beschwerden.[7]

2006 erhielt Mehdorn die Verschlossene Auster für die restriktive Informationspolitik der Bahn.[84]

In einer repräsentativen Umfrage, bei der das Ansehen und die Leistung der 20 im Jahr 2007 von der Deutschen Presse-Agentur meisterwähnten Deutschen bewertet wurde, erhielt Mehdorn die schlechteste Bewertung.[85] In einer Umfrage zum Ansehen deutscher Spitzen-Manager unter 1000 deutschen Führungskräften war Mehdorn ebenfalls über mehrere Jahre auf dem letzten Platz. Ende 2008 erreichte er in derselben Statistik den zweiten Platz.[86]

Nachdem es im Winter 2010/11 zu zahlreichen Problemen im Personenverkehr der Deutschen Bahn gekommen war, verwehrte sich Mehdorn gegen Kritik, eine Sparpolitik unter seiner Führung sei für die Missstände verantwortlich.[87]

Literatur

  • Hartmut Mehdorn, Hugo Müller-Vogg: „Diplomat wollte ich nie werden“. Ein Gespräch mit Hugo Müller-Vogg. 1. Aufl., Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, ISBN 978-3-455-50047-9.
  • Markus Wacket: Mehdorn die Bahn und die Börse. Wie der Bürger auf der Strecke bleibt., Redline-Verlag, München 2008, ISBN 978-3-636-01572-3

Weblinks

 Commons: Hartmut Mehdorn – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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