Hans Walter Gruhle

Hans Walter Gruhle

Hans Walter Gruhle (* 7. November 1880 in Lübben; † 3. Oktober 1958 in Bonn) war ein deutscher Psychiater.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gruhle studierte Medizin in Leipzig, wo er bei Wilhelm Wundt psychologische Studien begann, Würzburg und München. Hier wurde er 1904 approbiert und begann bei Emil Kraepelin Ergographische Untersuchungen für seine Dissertation, die er allerdings nach etlichen Auseinandersetzungen mit ihm erst im Januar 1907 von Heidelberg aus mit der Promotion abschließen konnte, da Gruhle zum 5. Mai 1905 an die Psychiatrische Klinik der Universität Heidelberg zu Franz Nissl gewechselt hatte.

Bei Nissl konnte er sich 1913 nicht nur habilitieren. Nach Karl Jaspers’ Autobiographie wurde Gruhle neben Nissls Oberarzt und späteren Nachfolger Karl Wilmanns vielmehr damals schon zu einem der „maßgebenden“ Ärzte der bereits weithin angesehenen Klinik, „der durch seine Kritik, Vielseitigkeit und Spontaneität alles in Bewegung hielt“, eine allerdings nicht von allen geteilte Einschätzung; denn der langjährige gemeinsame Kollege Arthur Kronfeld erklärte die Rolle Gruhles, dessentwegen er selbst die Klinik verlassen hatte, in einem Schreiben an Jaspers zu einem fruchtlosen „Strohkönigstum“.

Eine Berufung erhielt Gruhle trotz anerkannter Fachkompetenz in der Tat bis 1933 nicht. Der Nazifizierung auch der Heidelberger Universität, der als einer der ersten sein Chef Karl Wilmanns zum Opfer fiel, wich Gruhle 1934 durch Übernahme der Leitung der Württembergischen Heil- und Pflegeanstalt Zwiefalten aus und ließ sich von dort 1939 in den Militärdienst versetzen, weil er an dem euphemistisch so genannten Euthanasieprogramm der Nationalsozialisten zur systematischen Ermordung Geisteskranker nicht beteiligt sein wollte, übernahm aber 1940 die Leitung der Anstalt Weißenau. Von dort wurde er 1946 im Alter von 65 Jahren zum Ordinarius der Psychiatrischen Universitätsklinik der Bonner Universität berufen, die er bis zu seiner Emeritierung im 72. Lebensjahr leitete; nach dem frühen Tod seines Nachfolgers Kurt Pohlisch musste er sie 1955 allerdings noch einmal für ein Jahr lang kommissarisch führen.

Auswahl aus den Veröffentlichungen

Außer den von der DDB (s.u.) angezeigten Werken ist erwähnenswert:

  • 1912 Die Ursachen der jugendlichen Verwahrlosung und Kriminalität. Studien zur Frage: Milieu oder Anlage. Springer, Berlin (Abhandlungen aus dem Gesamtgebiet der Kriminalpsychologie. Band 1)
  • 1913 Die Bedeutung des Symptoms in der Psychiatrie In: Zeitschr. ges. Neurol. Psychiat. Band 16, S. 465–486 (Ausarbeitung der Antritts- bzw. Probevorlesung vom 3. März 1913). erneut in *1953 S. 150–170 bis auf einige der Diskussion der Psychoanalyse gewidmete Teile, die vom Wiederabdruck ausgenommen wurden, darunter vor allem Gruhles Verteidigung der Psychoanalysekrititik seines damaligen Kollegen Arthur Kronfeld, zu der er selbst beigetragen hatte, gegenüber Eugen Bleuler auf S. 480 der Originalpunlikation.
  • 1915 Selbstschilderung und Einfühlung. In: Zeitschr. ges. Neurol. Psychiat. Band 28, S. 148–231; erneut in: *1953, S. 110–130
  • 1922a Die Psychologie des Abnormen. In: Gustav Kafka (Hrsg.): Handbuch der Vergleichenden Psychologie. Band III/Abteilung 1. Ernst Reinhardt, München
  • 1922b Die Psychologie der Schizophrenie. In: Zeitschr. ges. Neurol. Psychiat. Band 78, S. 454–471
  • 1929 Kraepelins Bedeutung für die Psychologie. In: Arch. Psych. Nervenheilk. Band 87, S. 43–49
  • 1930 Die psychologische Analyse eines Kranheitsbildes (Schizophrenie). In: Zeitschr. ges. Neurol. Psychiat. Band 123, S. 479–484
  • 1948 Verstehende Psychologie (Elebnislehre). Ein Lehrbuch. 2. Auflage 1956, Georg Thieme, Stuttgart
  • 1953 Geschichtsschreibung und Psychologie. Bouvier, Bonn
  • 1955 Gutachtentechnik. Springer, Heidelberg

Literatur

  • Claudia Böhnke: Hans W. Gruhle, Leben und Werk. Bonn, Rheinische Friedrich Wilhelm Universität, Med. Fak., Diss. 2008
  • Kurt Kolle: Hans W. Gruhle (1880–1958). In: Kurt Kolle (Hg.): Große Nervenärzte. Band 3, Thieme, Stuttgart 1963, S. 69–76.

Weblinks


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