Hans Karl Leistritz

Hans Karl Leistritz

Hans Karl Leistritz (* 10. Mai 1909 in Tannhausen, Schlesien; † unbekannt) war einer der Initiatoren der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 und später ein führender Propagandafunktionär im Hauptschulungsamt der NSDAP.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Leistritz war der Sohn eines Schulleiters. Er studierte nach dem Abitur Rechtswissenschaften, war Korporationsstudent und Mitglied des völkischen Akademischen Turnbundes. 1933 trat er der NSDAP bei und wurde Leiter des Amtes für Leibeserziehung im Hauptamt politische Erziehung der Deutschen Studentenschaften (DSt). Außerdem war er Mitglied im SA-Hochschulsturm.

Im April und Mai 1933 war Leistritz Leiter des „Hauptamtes für Presse und Propaganda“ in der Reichsführung der DSt. In dieser Funktion war er führend an den reichsweit von der DSt organisierten Bücherverbrennungen beteiligt, der sogenannten „Aktion wider den undeutschen Geist“. Leistritz plante diese als eine vierwöchige Gesamtaktion.[1] Er plante, der Bücherverbrennung in München eine möglichst große mediale Aufmerksamkeit zu verschaffen und bat den Bayerischen Rundfunk in einem Schreiben vom 20. April 1933 um eine Reportage und um Sendeplatz für zwei Vorträge.[2]

1935 promovierte Leistritz in Frankfurt am Main zum Dr. jur. Anschließend arbeitete er als Verlagslektor. 1936 gab er die 11. Auflage des Deutschen Staatsbürger-Taschenbuchs unter dem Titel Staatshandbuch des Volksgenossen heraus. Danach arbeitete er in der Reichsorganisationsleitung der NSDAP, im Hauptschulungsamt war er Leiter des Amtes für Schulungsbriefe. Leistritz war einer der maßgeblichen antisemitischen Wortführer; bereits 1938 rief er zum "Rassekampf" gegen die Juden auf. Außerdem war er Chefredakteur der Zeitschrift „Weltanschauung und Schule“. Nach interner Kritik an seiner Arbeit, die unter anderem aus dem Amt Rosenberg kam, musste er die Verantwortung für die Zeitung jedoch abgeben.

Während des Zweiten Weltkriegs war Leistritz bei der Verwaltung in Norwegen und später an der Ostfront. 1943 kehrte er zur Reichsorganisationsleitung zurück und wurde zum Reichsschulungsredner ernannt. Er wurde beauftragt, mit neuen technischen Mitteln ein antibolschewistisches Propagandaprogramm zu entwickeln. Nach dem Krieg bot er dieses den Amerikanern an.

Bei seiner Vernehmung im Entnazifizierungsverfahren 1948 versuchte er, seinen Besuch im Warschauer Ghetto und im Konzentrationslager Sachsenhausen zu bagatellisieren und sich als strikten Antikommunisten zu präsentieren. Das Verfahren wurde eingestellt. In der Nachkriegszeit war Leistritz als Fachbuchautor tätig. So veröffentlichte er 1952 ein Exportlexikon im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Frankfurt.

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Staatshandbuch des Volksgenossen. Sudau, Berlin 1936, 976 S.
  • Rechtsgang unter Deutschen. Sudau, Berlin 1937, 128 S.
  • Deutsches Volkshandbuch. Sudau, Berlin 1939, 383 S.
  • Der bolschewistische Weltbetrug. Deutscher Rechtsverlag, Berlin 1943, 155 S.
  • Außenhandels-Jahrbuch 1952 (mit Karlrobert Ringel). Wirtschaftsdienst, Frankfurt am Main 1952, 504 S.
  • Außenhandels-Jahrbuch 1952/53 (mit Karlrobert Ringel). Wirtschaftsdienst, Frankfurt am Main 1953, 736 S.
  • Außenhandels-Lexikon (mit Karlrobert Ringel). Wirtschaftsdienst, Frankfurt am Main 1956, 1140 S.
  • Die Kunst der Politik. Analyse der politischen Spielregeln. Callwey, München 1968, 292 S.
  • Der Geist der Epoche und die geistlosen Staaten. Gedanken zur politischen Gegenwart. Vowinckel, Berg am See 1982, ISBN 3-921655-24-2

Einzelnachweise

  1. Gode Japs: „Verfeuert, verfemt, vergessen“, Deutschlandfunk, 10. Mai 2008.
  2. Originalschreiben veröffentlicht. In: Bücherverbrennung: Propaganda und Bürokratie

Literatur

  • Hans-Christian Harten, Uwe Neirich, Matthias Schwerendt: Rassenhygiene als Erziehungsideologie des Dritten Reichs. Berlin, 2006 S.212f Digitalisat
  • Julius H. Schoeps und Werner Treß: Orte der Bücherverbrennungen in Deutschland 1933, Hildesheim/Zürich/New York 2008, S. 135.
  • Hans-Wolfgang Strätz: Die studentische "Aktion wider den undeutschen Geist. In: VfZ 4/1968 Digitalisat (pdf, 5,5 MB)
  • Werner Treß: Deutsche Studenten und ihre Bündnispartner. Die "Aktion wider den undeutschen Geist" in Berlin (unveröffentlichte Magisterarbeit an der Freien Universität Berlin), Berlin 2005, S. 104-112.
  • Werner Treß: Verbrannt, vergessen, verfemt, in: Tagesspiegel vom 4. Mai 2008
  • Werner Treß: Hans Karl Leistritz, in: Handbuch des Antisemitismus, Band 2.2 (Personen), Hg. von Wolfgang Benz, Berlin (De Gruyter/Saur) 2009, S. 466-467.

Weblinks


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