Hans Jürgen Eysenck

Hans Jürgen Eysenck
Hans Eysenck

Hans Jürgen Eysenck (* 4. März 1916 in Berlin; † 4. September 1997 in London) war ein deutsch-britischer Psychologe, der besonders mit seinen Forschungen zur menschlichen Intelligenz und Persönlichkeit bekannt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Im Jahr 1934 verließ Eysenck das nationalsozialistische Deutschland und ging zuerst nach Frankreich und dann nach Großbritannien ins Exil. Nach dem Studium promovierte er 1940 am University College London bei Cyril Burt. Im Zweiten Weltkrieg arbeitete er in einem Nothospital und untersuchte die Glaubwürdigkeit psychiatrischer Diagnosen. Nach dem Krieg lehrte er am King’s College London und arbeitete zugleich als Direktor der psychologischen Abteilung der Maudsley-Klinik. 1955 wurde er Professor für Psychologie am Institute of Psychiatry (IOP) und lehrte dort bis 1983.

Eysenck war zweimal verheiratet. Nach der Scheidung von Margaret Malcolm Davies heiratete er Sibylle Rostal, eine Tochter des jüdischen Geigers Max Rostal (1905-1991). Aus der ersten Ehe ging ein Sohn, aus der zweiten eine Tochter und drei Söhne, darunter der Psychologe Michael W. Eysenck, hervor.

Werk

Eysenck war ein vehementer Anhänger empirischer und statistischer Methoden. So bediente er sich, aufbauend auf den Arbeiten von Charles Spearman, der Faktorenanalyse in der Intelligenz- und Persönlichkeitsforschung.

In der Einführung des Buches The inequality of man (1973) beschreibt Eysenck ausführlich seine Entwicklung vom überzeugten Behavioristen, der die unterschiedlichen Ausprägungen der Menschen vor allem der Umgebung, in der sie aufwachsen, zuschreibt, zum Anhänger der Vererbungslehre.

In der Intelligenz-Forschung setzte er die Forschungen seines Lehrers Burt fort und versuchte, den ererbten Anteil der Intelligenz zu bestimmen, den er bei 70−80 Prozent sah. Zugleich kritisierte er die gängigen Intelligenztests, da diese seiner Meinung nach nicht die ganzen Fähigkeiten einer Person messen. Nach Eysenck gibt es zwei Grundprozesse der Intelligenz. Intelligenz-Tests erfassen nur die sogenannten Level II abilities, nicht jedoch die Level I abilities, die mit diesen nur schwach korreliert sind.[1]

Eysencks Interpretation der Daten im Zusammenhang mit Intelligenzunterschieden der schwarzen und weißen US-Amerikaner in Race, Intelligence and Education (1971) haben ihm den Vorwurf des Rassismus eingebracht. Zugleich ging er Milieu-Theorien stark an. Andere haben später behauptet, dass ein großer Teil der Daten von Burt (auf die Eysenck sich unter anderem berief) gefälscht worden sei. Kritisiert wurde Eysenck aufgrund der Veröffentlichung von Artikeln in der rechtsextremen National-Zeitung. Für das im Umfeld des Thule-Seminars herausgegebene Buch Das unvergängliche Erbe von Pierre Krebs verfasste er das Vorwort.[2] Er gehört zu den 52 Mitunterzeichnern des Aufsatzes Mainstream Science on Intelligence, geschrieben von Linda Gottfredson und im Dezember 1994 veröffentlicht vom Wall Street Journal.[3]

Auch in der Persönlichkeitsforschung ging er von genetisch bedingten Unterschieden der Personen aus. Eysenck entwickelte ein Persönlichkeitssystem, bei dem sich die Persönlichkeit jedes Individuums als Resultat der Ausprägung der Dimensionen Introversion–Extraversion und Labilität–Stabilität beschreiben lässt. So überschneidet sich HippokratesTemperamentenlehre mit der Eysencks: Der Phlegmatiker ist introvertiert und stabil, Melancholiker introvertiert und labil, der Sanguiniker extravertiert und stabil und der Choleriker extravertiert und labil. Eysencks Theorie ist aber keine Persönlichkeitstypologie, sondern eine Faktorentheorie, die auf Persönlichkeitsdimensionen basiert. Eine weitere Dimension seiner Persönlichkeitsforschung ist der Psychotizismus, welcher sozial abweichendes Verhalten zum Gegenstand hat.

Er versuchte seine Theorie mit physiologischen Prozessen zu verbinden. Extravertierte seien z.B. mit einer erhöhten Erregungsschwelle des aufsteigenden retikulären Aktivierungssystems (ARAS) des Hirns charakterisiert. D.h. sie befinden sich kontinuierlich unter einem verminderten Erregungsprozess durch die Umwelt, verbunden mit hemmenden Impulsen des Körpers (gesendet von der Formatio reticularis im Gehirn). Bei Introvertierten verhält es sich entgegengesetzt: Sie sind chronisch reizüberflutet. Eysenck ging deshalb davon aus, dass Introvertierte aufgrund ihres höheren Erregungspotentials leichter konditionierbar sind als Extravertierte und stützte seine Annahmen empirisch mit diversen Konditionierungsexperimenten (z.B. Lidschlussexperimente).[4]

Mit seinen Forschungen zur Erregung und Hemmung lehnte sich Eysenck an die Theorien von Pawlow bzw. Hull an.

Er entwickelte eine Reihe auch ins Deutsche übersetzter Persönlichkeitsskalen wie das Maudsley Medical Questionaire (MMQ, MPI), das Eysenck Persönlichkeits-Inventar (EPI)[5] und das Eysenck Personality Questionnaire (EPQ). Eysencks Persönlichkeitsfaktoren standen in Konkurrenz zu dem 16-Faktoren-Modell von Raymond Bernard Cattell. Das zur Zeit bewährteste Modell ist das Fünf-Faktoren-Modell (Big Five), welches sich mit der Persönlichkeitstheorie Eysencks in guter Übereinstimmung befindet.

Eysenck evaluierte ab 1952 die Heilungserfolge der Psychoanalyse und fand, dass die Therapie nach Sigmund Freud nicht nur genauso wenig zur Gesundung der Patienten beitrage wie eklektische Therapien, sondern die Besserung durch Spontanheilung sogar behindere. Nach seiner Messung zeigten 44–64 Prozent der langjährig Behandelten eine Besserung, jedoch 72% einer unbehandelten Kontrollgruppe. Dies war der Beginn von Eysencks Psychoanalyse-Kritik. Später revidierte Eysenck diese Ansicht mit dem Hinweis, dass der Nachweis der Wirksamkeit seinerzeit noch nicht erbracht worden sei.[6] Seiner Herausforderung ist es zu verdanken, dass fortan vermehrt empirische Psychotherapieforschung betrieben wurde. Neben Joseph Wolpe wurde Eysenck einer der Gründer der Verhaltenstherapie und entwickelte diese auf empirischer Basis weiter. Ferner beschäftigte er sich mit Astrologie und Parapsychologie.

Werke (auf Deutsch)

Eysenck hat rund 50 Bücher und über 900 Artikel verfasst. Eine ausführliche Bibliografie wurde 2001 in der von ihm gegründeten Zeitschrift Personality and Individual Differences (PAID Vol. 31, No. 1) publiziert.

  • Wege und Abwege der Psychologie. Rowohlt, Reinbek 1956; 13. A. Klotz, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-88074-226-X
  • Neurosen, Ursachen und Heilmethoden. Einführung in die moderne Verhaltenstherapie (mit Stanley Rachman). Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1967
  • Intelligenztest. Rowohlt, Reinbek 1972; Neuausgabe ebd. 2009, ISBN 978-3-499-62532-9
  • Die Experimentiergesellschaft. Soziale Innovationen durch angewandte Psychologie. Rowohlt, Reinbek 1973, ISBN 3-498-01611-3
  • Vererbung, Intelligenz und Erziehung. Zur Kritik der pädagogischen Milieutheorie. Seewald, Stuttgart 1975, ISBN 3-512-00801-1
  • Die Ungleichheit der Menschen. List, München 1975, ISBN 3-471-66579-X
  • Die Zukunft der Psychologie. List, München 1977, ISBN 3-471-77413-0
  • Astrologie. Wissenschaft oder Aberglaube? (mit David Nias). List, München 1982, ISBN 3-471-77417-3
  • Der übersinnliche Mensch. Report der Psi-Forschung (mit Carl Sargent). Kösel, München 1984, ISBN 3-466-11039-4
  • Sigmund Freud. Niedergang und Ende der Psychoanalyse. List, München 1985, ISBN 3-471-77418-1
  • Persönlichkeit und Individualität. Ein naturwissenschaftliches Paradigma (mit Michael W. Eysenck). Psychologie-Verlags-Union, München 1987, ISBN 3-621-27043-4
  • Rauchen und Gesundheit. Plädoyer für mehr Sachlichkeit. Rau, Düsseldorf 1987, ISBN 3-7919-0284-9
  • Die IQ-Bibel. Intelligenz verstehen und messen. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, ISBN 3-608-94366-8

Literatur

  • Axel Hirsch (Hrsg.): Rechte Psychologie. Hans Jürgen Eysenck und seine Wissenschaft. Asanger, Heidelberg 1989, ISBN 3-89334-135-8

Einzelnachweise

  1. H.J.Eysenck: Die Ungleichheit der Menschen, Kiel 1984, ISBN 3-89093-100-6, S. 245
  2. P. Krebs (Hrsg.): Das unvergängliche Erbe. Alternativen zum Prinzip der Gleichheit, Tübingen 1981, ISBN 3-87847-051-7
  3. Linda Gottfredson: Mainstream Science on Intelligence. In: Wall Street Journal, 13. Dezember 1994, Seite A18
  4. P.Netter und J.Hennig: Biologische Persönlichkeitstheorien. In: H.Weber und Th.Rammsayer (Hrsg.): Handbuch der Persönlichkeitspsychologie und Differentiellen Psychologie, Bd.2, 2005, ISBN 3-8017-1855-7, S. 71ff.
  5. EPI in der Verfahrensdatenbank beim iqpr – Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH
  6. H.J.Eysenck: Grawe and the effectiveness of psychotherapy: some comments, Psychologische Rundschau 44 (1993), S. 177–180

Weblinks


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