Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen

Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen

Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen (* um 1622 in Gelnhausen; † 17. August 1676 in Renchen) war ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (Bild von 1641, Authentizität nicht geklärt)


Grimmelshausen wurde um 1622 als Sohn eines protestantischen Bäckers und Gastwirts geboren. Er stammte aus einem verarmten Thüringer Adelsgeschlecht.Grimmelshausen besuchte die Lateinschule. Infolge der Plünderung Gelnhausens im Jahr 1634 wurde der Zwölfjährige schon früh in die Ereignisse des Dreißigjährigen Krieges verwickelt. Seit 1639 nahm Grimmelshausen zunächst als Soldat und dann als Schreiber in der Regimentskanzlei des kaiserlichen Oberstleutnants von Schauenburg (Oberkirch) in Offenburg aktiv am Krieg teil, 1648 diente er beim Oberst Elter in Wasserburg am Inn.

Nach Kriegsende heiratete er 1649 in Offenburg. Anschließend zog er nach Gaisbach im Renchtal, wo er ein Grundstück erwerben konnte und als Pferde- und Weinhändler arbeitete. In dieser Zeit trat er zum katholischen Glauben über. Von 1662 bis 1665 war er als Burgvogt auf der benachbarten Ullenburg, die sich im Besitz des Straßburger Arztes Dr. Küffer befand, tätig. Von hier aus knüpfte Grimmelshausen seine Kontakte zur Sprachvereinigung Aufrichtige Gesellschaft von der Tannen in Straßburg. Danach übernahm er bis 1667 in Gaisbach die Gastwirtschaft Zum Silbernen Stern. In dieser Zeit begann seine Tätigkeit als Schriftsteller. 1667 wurde er Schultheiß in Renchen im Dienste des Straßburger Bischofs Leopold Wilhelm von Österreich. Dieser Wohnort wurde 1674/75 durch den niederländisch-französischen Krieg betroffen. In der Regel benutzte Grimmelshausen Pseudonyme, unter denen seine Werke veröffentlicht wurden.

Werke

Titel des Simplicius simplicissimus (Erstausgabe, 1668)

Das Hauptwerk Simplicissimus Teutsch, das erst in neuerer Zeit seitens der Literaturwissenschaft stärker gewürdigt wurde, gilt als ein lebensvoller Roman der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Wie vielleicht kein anderer Autor des Barock zeichnet Grimmelshausen hier ein perspektivenreiches und detailverliebtes Bild des Dreißigjährigen Krieges sowie der verwilderten deutschen Gesellschaft nach dem Krieg. - Allerdings dürfte es sich bei den in Literaturkritik und -wissenschaft nicht selten anzutreffenden normativen Werturteilen, die dem Roman kurzerhand „wirkliche poetische Bedeutung“ bloß aufgrund seines mutmaßlichen Erlebnisgehaltes attestieren, wie auch bei emphatischen Gefühlsbekundungen, die im Simplicissimus Teutsch eine „Fülle echter Stimmung“ vorzufinden meinen, um Rückprojektionen der älteren Philologie auf eine Zeit handeln, der sie lange Zeit mit Unverständnis gegenüberstand. Im Gegenteil verkennen dergleichen anachronistische Bewertungskategorien den eminent rhetorischen Charakter der Darstellung, die mit Versatzstücken aus der klassischen Literatur der Antike und des spanischen und französischen Picaro-Romans spielt (als „Vorlage“ bzw. „Gattungsmuster“ für den Simplicissimus erweist sich gerade Mateo Alemáns Guzman neben Charles Sorels Francion als von besonderer Bedeutung). Eindrucksvoll erscheint vor allem der Kontrast zwischen der „Friedenssehnsucht“ des Helden, wie sie bereits an prominenter Stelle in der subscriptio des Titelkupfers als avisierte „Ruhe“, auf Handlungsebene als das rahmenbildende Einsiedlertum, ferner geradezu leitmotivisch im gesamten Roman ihren Platz findet, und dem blutigen Soldatenleben und wilden Abenteurertum, in welches „Simplex“ teils durch äußere Widerfahrnisse, das „Verhängnus“, teils aber auch durch die eigene curiositas getrieben wird. Ob diese Schilderungen auf authentischen Erlebnissen und „echten Gefühlen“ Grimmelshausens beruhen, darf – trotz nachweisbarer biographischer Parallelen zwischen Autor und Held[1] – begründet bezweifelt werden. Im Detail lassen sich selbst eindringliche Schlachtpanoramen als „Lesefrüchte“ des Autors in ihren Quellen identifizieren, sollten also keineswegs als Indizien autobiographisch manifester Erlebnisse fehlinterpretiert werden. Was die Wirkabsicht des Romans betrifft, deuten sowohl die sich dem Wechsel von gelehrten Exkursen und derb-komischen Szenen anschmiegende Sprache wie auch der - vom Helden Simplicissimus häufig entschuldigend gerechtfertigte - Gebrauch der gefälligen satirischen Form, die die Wahrheit nur verhüllt und gleichsam in unterhaltsamer Narration verpackt namhaft zu machen vermag, auf das Nebeneinander von belehren und unterhalten, delectare und prodesse, hin.

Nach der barocken Ausgabe des Simplicissimus Teutsch - die Identität des Autors Grimmelshausen als Urheber der gesamten "Simplicianischen Schriften" war bis 1837 unbekannt - folgten erst im 19. Jahrhundert neue Ausgaben:

  • Adelbert von Keller herausgegeben für den Literarischen Verein in Stuttgart, 2 Teile in 4 Bänden, 1854 und 1862.
  • Heinrich Kurz: Simplicianische Schriften. Leipzig, 1863-64 (mit literarischen Einleitungen und Anmerkungen)
  • Julius Tittmann: Simplicianische Schriften. 2 Bde., Leipzig, 1874 und 2. Aufl. 1877.
  • Rudolf Kögel: Neudruck, Halle 1880.
  • Umarbeitungen erschienen von E. von Bülow (Leipzig 1836, nur die fünf ersten Bücher umfassend), Lauckhard (das. 1876) und E. H. Meyer (Brem. 1876).

Nicht so hoch wie der Simplicissimus standen für die Germanisten lange Zeit die übrigen Erzählungen Grimmelshausens, die jedoch keineswegs eine bloße Zugabe oder Fortsetzung des Simplicissimus Teutsch darstellen, sondern den Roman in seiner Perspektivenstruktur bereichern, Episoden aus dem Leben des Simplicissimus kommentieren, korrigieren, in ein neues Licht setzen und als ganzes den „seiner narrativen Perspektivenlogik nach [...] zumutungsreichste[n] Zyklus der deutschen Literaturgeschichte“[2] bilden. Als Zyklus indes wurden die „Simplicianischen Schriften“ auch bereits vom „Simplicianischen Autor“ betrachtet, wie das Vorwort zum Wunderbarlichen Vogelnest II klarstellt:

„Sonsten wäre dieses billich das zehende Theil oder Buch deß Abentheuerlichen Simplicissimi Lebens-Beschreibung / wann nemlich die Courage vor das siebende / der Spring ins Feld vor das achte / und das erste part deß wunderbarlichen Vogel-Nests vor das neundte Buch genommen würde / sintemahl alles von diesen Simplicianischen Schriften aneinander hängt / und weder der gantze Simplicissimus, noch eines auß den obengemeldten letzten Tractätlein allein ohne solche Zusammenfügung genugsam verstanden werden mag.“

Damit ergibt sich folgende Gesamtaufstellung des Simplicianischen Zyklus:

  • Bücher 1-5: Der abentheuerliche Simplicissimus Teutsch / Das ist: Die Beschreibung deß Lebens eines seltzamen Vaganten / genant Melchior Sternfels von Fuchshaim / wo und welcher gestalt Er nemlich in diese Welt kommen / was er darinn gesehen / gelernet / erfahren und außgestanden / auch warumb er solche wieder freywillig quittirt. Überauß lustig / und männiglich nutzlich zu lesen. An Tag geben von German Schleifheim von Sulsfort. Monpelgart / Gedruckt bey Johann Filion / Jm Jahr MDCLXIX. [Druck und Verlag: Johann Jonathan Felßecker, Nürnberg. Drei weitere Gesamtausgaben: 1683/84; 1685/99 und 1713 jeweils in drei Bänden (verschleiernd war auf dem Titelblatt Mömpelgard als Erscheinungsort angegeben).]
  • Buch 6: Continuatio des Abentheuerlichen Simplicissimi oder Der Schluss desselben. Durch German Schleifheim von Sulsfort. Mompelgart / Bey Johann Fillion / 1699
  • Buch 7: Trutz Simplex oder Ausführliche und wunderseltzame Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche [...] Von der Courasche eigener Person dem weit und breitbekannten Simplicissimo zum Verdruß und Widerwillen / dem Autori in die Feder dictirt, der sich vor dißmal nennet Philarchus Grossus von Trommenheim / auf Griffsberg /etc. / Gedruckt in Utopia / bei Felix Stratiot [1670 bei Felix Stratiot alias Eberhard Felßecker]
  • Buch 8: Der seltzame Springinsfeld [...] Verfasset und zu Papier gebracht von Philarcho Grosso von Tromerheim. Gedruckt in Paphlagonia bey Felix Stratiot. Anno 1670.
  • Buch 9: Das wunderbarliche Vogel-Nest / der Springinsfeldischen Leyrerin [...] außgefertigt durch Michael Rechulin von Sehmsdorff. Monpelgart / Gedruckt bey Johann Fillion / Jm zu Endlauffenden 1672. Jahr
  • Buch 10: Deß wunderbarlichen Vogelnests zweiter Theil. An tag geben von Aceeeffghhiillmmnnoorrssstuu [Frankfurt 1675 bei Georg Andreas Dolhopff]

Es reihen sich verschiedene Schriften satirischen Charakters, die außerhalb der "Simplicianischen Schriften" stehen, in das Gesamtwerk Grimmelshausens ein:

  • Schwarz und weiß oder die Satirische Pilgerin (1666)
  • Der teutsche Michel (1670)
  • Das Rathstübel Plutonis (1672)
  • Die verkehrte Welt (1673)

Neben diesen der volkstümlichen Richtung angehörigen Werken versuchte sich Grimmelshausen auch im breit-redseligen und galanten Kunstroman seiner Zeit:

  • Des vortrefflichen keuschen Josephs in Ägypten erbauliche Lebensbeschreibung (Nürnberg 1670)
  • Dietwalds und Amelindens anmutige Lieb- und Leidsbeschreibung (1670)
  • Des durchlauchtigen Prinzen Proximi und seiner ohnvergleichlichen Lympidä Liebesgeschichterzählung (1672)

Denkmäler und Literaturpreis

  • 1879 wurde in Renchen ein Denkmal in Form eines 6,5 m hohen Obelisken aus blaurotem Sandstein errichtet. Das Denkmal steht neben der Katholischen Pfarrkirche. Ursprünglich war der Obelisk als Erinnerung an die standrechtlich erschossenen Teilnehmer der Badischen Revolution von 1849 gestiftet worden. Die Aufstellung in Rastatt und später in Offenburg hatten die badischen und preußischen Behörden aus politischen Gründen nicht genehmigt.
  • 1979 wurde der Grimmelshausenbrunnen vor dem Renchner Rathaus eingeweiht. Den Brunnenbau finanzierte die Firma Burda.
  • Seit 1993 wird der Grimmelshausen-Preis als ein Literaturpreis alle zwei Jahre verliehen.

Werkausgaben

  • Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von; Simplicissimus Teutsch. Herausgegeben von Dieter Breuer. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a. M. 2005 ISBN 978-3-618-68002-4
  • Grimmelshausen, Hans Jacob Christoffel von: Courasche / Springinsfeld / Wunderbarliches Vogelnest I und II / Rathstübel Plutonis. Herausgegeben von Dieter Breuer. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt a. M. 2007 ISBN 978-3-618-68021-5

Literatur

  • Jörg Jochen Berns: Die "Zusammenfügung" der Simplicianischen Schriften. Bemerkungen zum Zyklusproblem. in: Simpliciana X (1998), S. 301-325.
  • Dieter Breuer: "Grimmelshausen-Handbuch". Fink, München 1999 ISBN 978-3-8252-8182-3
  • Misia Sophia Doms: „Alkühmisten“ und „Decoctores“. Grimmelshausen und die Medizin seiner Zeit. Lang, Bern u.a. 2006, ISBN 3-03910-949-9
  • Gerhard Dünnhaupt: „Hans Jacob Christoph von Grimmelshausen“, in: Personalbibliographien zu den Drucken des Barock, Bd. 3. Stuttgart: Hiersemann 1991, S. 1825-51. ISBN 3-7772-9105-6
  • Peter Heßelmann (Hrsg.): Grimmelshausen und Simplicissimus in Westfalen. Lang, Bern u.a. 2006, ISBN 3-03910-991-X
  • Karl Friedrich Gustav Könnecke: "Quellen und Forschungen zur Lebensgeschichte Grimmelshausens". Gesellschaft der Bibliophilen, Weimar 1926. 2 Bände.
  • Günther Weydt: Hans Jacob Christoffel von Grimmelshausen. Metzler, Stuttgart 1971 ISBN 3-476-10099-5
  • Adelbert von Keller: Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 9, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 696–699.

Periodikum

  • Simpliciana: Schriften der Grimmelshausen-Gesellschaft. Herausgegeben von der Johann Jakob Christoph von Grimmelshausen-Gesellschaft (Münster, Westfalen)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Könnecke, Karl Friedrich Gustav: Quellen und Forschungen zur Lebensgeschichte Grimmelshausens. Gesellschaft der Bibliophilen, Weimar 1926. 2 Bände.
  2. Berns, Jörg Jochen: Die „Zusammenfügung“ der Simplicianischen Schriften. Bemerkungen zum Zyklusproblem. in: Simpliciana X (1998), S. 301-325, hier S. 307

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