Hans-Otto Meissner

Hans-Otto Meissner

Hans-Otto Meissner (* 4. Juni 1909 in Straßburg; † 8. September 1992 in Unterwössen) war ein deutscher Diplomat und Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Wirken

Kindheit und Jugend (1909–33)

Meissner wurde 1909 als ältestes von zwei Kindern des Juristen und Staatsbeamten Otto Meissner und seiner Ehefrau Hildegard Roos im elsässischen Straßburg geboren. Eine jüngere Schwester, Hildegard Meissner, kam 1916 zur Welt.

Den Ersten Weltkrieg verbrachte Meissner mit seiner Mutter und Schwester in Straßburg, während der Vater als Offizier an verschiedenen Fronten und ab 1918 als Diplomat in der Ukraine eingesetzt wurde. Obwohl die Familie aufgrund ihrer Abstammung – beide Elternteile sowie einige Großeltern waren im Elsass geboren worden – auch nach der Annexion des Elsass durch Frankreich bei Kriegsende weiterhin das Bleiberecht im nunmehr französischen Straßburg besaß, siedelte sie anlässlich der Ernennung von Otto Meissner zum Leiter des Büros des ersten Reichspräsidenten der im Frühjahr 1919 gegründeten Weimarer Republik, Friedrich Ebert, nach Berlin über.

Da Otto Meissner als engster Mitarbeiter des deutschen Staatsoberhauptes – zunächst bis 1925 Ebert, dann bis 1934 Paul von Hindenburg – gehalten war, sich stets zu dessen Verfügung zu halten, bezog er eine eigene Dienstwohnung im Reichspräsidentenpalais (Wilhelmstraße 73) im Berliner Regierungsbezirk, in der sein Sohn den Rest seiner Kindheit verbrachte. Seine Erlebnisse und Beobachtungen als Mitglied des Haushaltes des Staatsoberhauptes in den Jahren 1919 bis 1934 hat Hans-Otto Meissner später in einem umfangreichen Memoirenband (Meine Jugendjahre im Reichspräsidentenpalais) festgehalten. Das Werk gilt heute als wichtige historische Quelle, da es seltene Innenansichten über die Vorgänge innerhalb der Residenz des Staatsoberhauptes in den Jahren der Präsidentschaft von Ebert und Hindenburg, denen der junge Meissner durch seinen Vater ständig nahe war, bietet.

Nach dem Besuch des Mommsen-Gymnasiums, des Wilhelm-Gymnasiums, des Falck-Realgymnasiums und des Arndt-Gymnasiums in Berlin Dahlem (Abitur 1929) begann Meissner mit dem Studium der Fächer Rechtswissenschaften und Volkswirtschaft. In den Jahren 1929 bis 1933 besuchte er die Universitäten Heidelberg, Lausanne, Grenoble, Freiburg im Breisgau, Berlin und Göttingen sowie das Trinity College der britischen University of Cambridge. In Cambridge gehörte dabei unter anderem John Maynard Keynes zu seinen Dozenten. Das Referendarexamen bestand er am 20. Juli 1933.

Diplomatische Laufbahn (1933–45)

Nach dem Abschluss seines Studiums mit dem Dr. jur. an der Universität Göttingen zum Thema Vollmacht und Ratifikation bei völkerrechtlichen Verträgen nach Deutschem Recht schlug Meissner 1933 die diplomatische Laufbahn ein.

Im Dezember 1933 bestand Meissner das Eintrittsexamen für den Auswärtigen Dienst. Auf Veranlassung des Auswärtigen Amtes musste er zur selben Zeit einer Gliederung der NSDAP beitreten, wobei er sich für die sogenannte Motor-SS, einer Gliederung der Schutzstaffel, entschied (Mitglied seit 12. Dezember 1933; seit dem 1. Mai 1940 im Rang eines Hauptsturmführers).[1]

Im Februar 1934 wurde Meissner als Beamter des höheren Dienstes auf Probe im Rang eines Attachés ins Auswärtige Amt aufgenommen. Zu den jungen Führungsbeamten, die mit ihm in den Staatsdienst eintraten, zählte dabei unter anderem Ernst vom Rath.

1934 wurde Meissner in der Kaserne der SS-Leibstandarte in Lichterfelde, der ehemaligen Hauptkadettenanstalt – in die er gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Berliner Gliederung der Motor-SS beordert worden war, um im Falle einer SA-Erhebung die Anstalt zu verteidigen –, Augenzeuge von Exekutionen, im Zuge der als „Röhm-Putsch“ bekannten politischen Säuberungswelle.

Vom August 1935 bis März 1936 war Meissner an der deutschen Botschaft in London beschäftigt. Nach dem Bestehen der diplomatisch-konsularischen Prüfung am 24. Juni 1936 wurde er im September desselben Jahres an die deutsche Botschaft in Tokyo entsandt. Dort war er von Dezember 1936 bis Dezember 1938 – seit Juli 1938 im Rang eine Legationssekretärs – unter Botschafter Eugen Ott tätig. Während dieser Zeit, am 12. Dezember 1936, wurde Meissner zudem Mitglied der NSDAP. Am 22. September 1937 heiratete er in erster Ehe Estelle Dittenberger, mit der er ein Kind hatte, Andrea Meissner (* 1. März 1943). Von März 1939 bis zum 3. September 1939 wurde er erneut an der deutschen Botschaft in London eingesetzt, wo er dementsprechend den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs miterlebte.

Von September 1939 bis März 1940 wurde er in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin im Referat II (Militärischer Nachrichten- und Propagandadienst) beschäftigt, um dann vom März bis Juli 1940 an der deutschen Botschaft in Moskau zu wirken. Vom August 1940 bis Januar 1941 diente er in der Wehrmacht (XLI. Armeekorps), um vom Januar 1941 bis März 1941 erneut an der Botschaft in Moskau zu arbeiten. Es folgte, vom März bis Dezember 1941, erneuter Dienst im XLI. Korps des deutschen Heeres, in dem er bis zum Oberleutnant der Reserve (ab 1. November 1941) befördert wurde. Nach einer Verwundung an der Ostfront in der Panzerschlacht an der Dubysa im Dezember 1941 kehrte er in den Diplomatischen Dienst zurück.

Nachdem er bereits im August 1941 den Rang eines Gesandtschaftsrates erhalten hatte, wurde Meissner am 8. Dezember unter der Bezeichnung eines Konsuls die Leitung des deutschen Generalkonsulats in Mailand übertragen, das er bis 1945 führte. In dieser Funktion nahm er an der Tagung der Antijüdischen Auslandsaktion unter Horst Wagner Anfang April 1944 in Krummhübel zum Zweck der verschärften europaweiten Judenverfolgung teil.

Im Mai 1945 wurde Meissner, zwei Wochen nach Kriegsende, gemeinsam mit seinem Konsulatspersonal von amerikanischen Truppen bei Bellagio verhaftet und im Gefangenenlager Nr. 334 bei Scandicci interniert. Nach einigen Wochen in diesem Lager, in dem die Lebensverhältnisse schwierig waren, wurden er und seine Mithäftlinge in ein komfortables Lager in einer Hotelanlage im Badeort Salsomaggiore verlegt. Meissner selbst meinte später, dass wahrscheinlich ein briefliches Hilfeersuchen seinerseits an Papst Pius XII. – seit seiner Zeit als Nuntius im Berlin der 1920er Jahre ein enger Freund der Familie Meissner – zu dieser Verbesserung der Situation geführt habe.[2]

Nach 1945

Nach seiner Entlassung aus der amerikanischen Internierung im Oktober 1947 betätigte Meissner sich als freiberuflicher Journalist und Schriftsteller. Bis in die 1980er Jahre veröffentlichte er eine große Zahl von Reiseberichten, Romanen und Lebensbeschreibungen großer Entdecker. Hinzu kamen einige autobiographische Schriften sowie Werke zur jüngeren Zeitgeschichte.

Daneben trat er öffentlich als Präsident des Deutschen Instituts für Lebensformen hervor, ein Amt, in das er am 28. Juni 1953 in Bad Pyrmont auf dem Gründungskongress der Gesellschaft gewählt wurde. Seine Wahl wurde begründet mit seinen „Verdienste[n] um die Wiederbelebung kultivierter Umgangsformen“.[3]. 1956 heiratete Meissner in 2. Ehe die Schriftstellerin Marianne Mertens.

Trotz vereinzelter Kritik wegen seiner Vergangenheit als NS-Diplomat wurde Meissner im Nachkriegsdeutschland mit zahlreichen Ehrungen bedacht. So wurde er zum „Konsul 1. Klasse zur besonderen Verwendung“ ernannt. 1986 bekam er zudem auf Vorschlag von Franz Josef Strauß das Große Bundesverdienstkreuz verliehen. In diesem Zusammenhang kam es zu Kontroversen wegen seiner Teilnahme an der Krummhübler Tagung, wobei Meissner sich darauf berief, ahnungslos zu der Tagung gefahren zu sein.

Schriftstellerisches Schaffen

Meissners Werk als Schriftsteller lässt sich in vier Gruppen einteilen:

  • Politisch-historische Bücher und Erinnerungsbücher, in denen er sich mit Ereignissen der jüngeren Zeitgeschichte befasst.
    • Die Machtergreifung: Ein Bericht über die Technik des nationalsozialistischen Staatsstreichs. Mit Harry Wilde. Stuttgart: J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachf. GmbH (1958).
    • Das Wunder der aufgehenden Sonne: Japan zwischen Tradition und Fortschritt. Gütersloh: Verlagsgruppe Bertelsmann GmbH/Bertelsmann Sachbuchverlag (1970).
  • Autobiographische Reiseberichte
    • Bezaubernde Wildnis : Wandern, Jagen, Fliegen in Alaska. Stuttgart: Cotta.
    • Das Wunder der Aufgehenden Sonne : Japan zwischen Tradition und Fortschritt. Gütersloh: Bertelsmann.
    • Abenteuer Persien. München: Bertelsmann.
    • Das fünfte Paradies : Australien. Menschen Tiere, Abenteuer. Stuttgart: Cotta.
    • Traumland Südwest : Südwest-Afrika. Tiere, Farmen, Diamanten. Stuttgart: Cotta.
    • Im Zauber des Nordlichts : Reisen und Abenteuer am Polarkreis. Berlin, Darmstadt, Wien: C.A. Koch.
    • Eisenbahn-Safari : Auf Schienen durch fünf Kontinente. Berlin, Darmstadt, Wien: C.A. Koch.
    • Inseln der Südsee : Sieben Reisen ins Paradies. Berlin, Darmstadt, Wien: C.A. Koch.
    • Der Stern von Kalifornien : Reisen und Abenteuer im Südwesten der USA. Berlin, Darmstadt, Wien: C.A. Koch.
    • Herrlich wie am ersten Tag. München: Bertelsmann.
    • Es war mir nie zu weit : Reisen und Abenteuer in aller Welt. München: Bertelsmann.
    • Wildes, rauhes Land : Reisen und Jagen im Norden Kanadas. München: Bertelsmann.
    • Der kalte Süden: 12000 Seemeilen durch antarktische Gewässer. München: Bertelsmann.
  • Sachbücher, darunter eines der ersten umfassenden Werke zum Thema Survival in deutscher Sprache:
    • Die überlistete Wildnis - Vom Leben und Überleben in der freien Natur. München: Bertelsmann.
  • Biographische Darstellungen über das Leben großer Entdecker:
    • Kundschafter am St. Lorenzstrom: Champlain 1609. Stuttgart: Cotta (1966).
    • Im Alleingang zum Mississippi: Radisson 1660. Stuttgart: Cotta (1966).
    • Louisiana für meinen König: La Salle 1682. Stuttgart: Cotta (1966).
    • ... immer noch 1000 Meilen zum Pazifik: Mackenzie 1792. Stuttgart: Cotta (1966).
    • Ich fand kein Gold in Arizona: Coronado 1542. Stuttgart: Cotta (1967).
    • In Alaska bin ich Zar: Baranow 1800. Stuttgart: Cotta (1967).
    • Der Kaiser schenkt mir Florida: De Soto 1540. Stuttgart: Cotta (1967).
    • Durch die sengende Glut der Sahara: Rohlfs 1865. Stuttgart: Cotta (1967).
    • Der Kongo gibt sein Geheimnis preis: Stanley 1871. Stuttgart: Cotta (1968).
    • An den Quellen des Nils: Emin Pascha 1885. Stuttgart: Cotta (1969).
    • Meine Hand auf Mexico: Cortés 1519. Stuttgart: Cotta (1970).
    • Mein Leben für die weiße Wildnis: Amundsen 1905. Stuttgart: Cotta (1971).
  • Faktenbasierte Romane, in denen er historische Ereignisse künstlerisch adaptiert (z.B. Der Fall Sorge oder Alatna).

Schriften

  • Völker, Länder und Regenten, 1956
  • Man benimmt sich wieder
  • Auch Lawinen sind nur Schnee
  • So schnell schlägt Deutschlands Herz, 1951.
  • So schnell dreht sich die Welt
  • Junge Jahre im Reichspräsidentenpalais, 1988.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Meissner: Junge Jahre im Reichspräsidentenpalais, S. 366. Namentlich verweist Meissner darauf, dass der Prinz von Waldeck-Pyrmont, der mit der Einweisung der neuen Attachés betraut war, ihn anwies: „Die meisten ihrer Kollegen haben sich der SS angeschlossen, andere waren mit SD zufrieden [...] Ich gebe ihnen acht Tage Zeit, dass sie die Sache in Ordnung bringen. Wenn sie bis dahin keinem anständigen Verein angehören...“. Im Nachhinein sei dies „eine gute Lösung“ gewesen, da die Motor-SS später, „als eine Art sportlicher Verein“ betrachtet worden sei, als „gerade die SS in übelstem Ruf stand.“
  2. Junge Jahre im Reichspräsidentenpalais, 1988. An gleicher Stelle erwähnt er, dass Pacelli ihn in den 1920er Jahren persönlich segnete.
  3. Meissner, Hans-Otto: Man benimmt sich wieder. 12. Aufl. Brühlscher, Gießen; Umschlagtext

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