Handelssystem

Handelssystem

Ein Handelssystem besteht aus einer Reihe von Bedingungen und Anweisungen für den Handel mit Wertpapieren und Futures. Man unterscheidet manuelle und mechanische Handelssysteme.

Manuelle Handelssysteme bestehen aus wenigen, einfachen Bedingungen und Anweisungen, die „von Hand“ ausgeführt werden können. Mechanische Handelssysteme können sehr komplexe Algorithmen enthalten und werden von einem Computer ausgeführt.

Die meisten Handelssysteme stützen sich entweder auf die Fundamentalanalyse oder die Technische Analyse und deren Indikatoren, um Einstiegs- und Ausstiegsignale zu generieren.

Inhaltsverzeichnis

Bekannte Handelssysteme

Die bekanntesten Handelssysteme lassen sich in die folgenden Klassen einteilen:

Trendfolger

Trendfolge-Handelsansätze versuchen, gewinnbringend in bereits erkennbare Kurstrends einzusteigen, indem sie bei steigenden Kursen kaufen und bei fallenden Kursen – wenn es das Anlageinstrument zulässt – leer verkaufen (short gehen). Sie steigen wieder aus, sobald der Trend „bricht“. Weil es naturgemäß unmöglich ist, einen Trend zu erkennen, bevor er sich ausgebildet hat, nennt man Trendfolger oft auch „Trittbrettfahrer“. Sie nehmen es in Kauf, nicht die gesamte Bewegung – also etwa vom tiefsten Tief eines Kurses bis zu seinem höchsten Hoch – mitzumachen, sondern immer nur einen Teil davon. Trendfolge hat also nichts mit Techniken zu tun, die auf der versuchten Antizipation von Trends beruhen.

Trendfolge-Systeme wurden in der Managed Futures Szene durch erfolgreiche Trader wie Richard Dennis oder William Eckhardt bekannt. Durch die spektakuläre Geschichte eines Experiments in den frühen 1980er Jahren erlangte das Turtletrader-System weltweite Bekanntheit. Es wurde 1993 erstmals vollständig offengelegt und publiziert (siehe Weblinks).

Pullback

Ein Pullback-Handelssystem wartet auf eine außergewöhnliche Preisbewegung und nutzt eine kurz darauf folgende gegenläufige Korrekturbewegung. Hierzu gehören Arbeiten mit Bollinger-Bändern, Trendkanälen und Strategien wie z. B. „Turtle Soup“.

Channel-Breakout

Die Preise verlassen einen vorher festgelegten Bereich, den „Channel“. Je nach zugrundeliegendem Wertpapier und Zeitfenster wird entweder mit oder gegen diese Preisbewegung gehandelt.

Zyklen

Dieser Ansatz geht davon aus, dass in der Preisbewegung Zyklen enthalten sind. So gibt es z.B. jahreszeitliche Schwankungen bei den Preisen für Landwirtschaftsprodukte. Ein Modell für ein Börsenzyklus ist das 6-Phasen Modell von Leon Levey. Demnach können die einzelnen Phasen an der Börse anhand folgender Indikatoren identifiziert werden: 1.Aktienkurse und Umsatzvolumen 2.Wirtschaftsnachrichten 3.Stimmung und Verhalten der Masse. Ein ähnliches Modell wird von Andre Kostolany beschrieben, bekannt als das "Ei des Kostolany".

Patterns

Patterns sind Preismuster, die von den aufeinanderfolgenden Balken in einem Chart gebildet werden. Man geht davon aus, dass gleichartige Muster aus Eröffnungs-, Hoch-, Tief- und Schlusskurs eines Wertpapiers oder Derivats ähnliche Verläufe in der Zukunft zu erwarten sind, da die Marktteilnehmer in gleichgelagerten Situationen gleich agieren – so die Annahme.

Datenbasis

Zum Betrieb und Test von Handelssystemen werden Preis- und Volumendaten von der Börse benötigt. Man unterscheidet „End-Of Day“ (EOD)-Daten, also ein Datensatz pro Tag, und „Intraday“-Daten, die jeden Handelsabschluss (Tick) an der Börse enthalten.

EOD-Daten sind für die wichtigsten Wertpapiere kostenlos im Internet erhältlich.

Für sehr kurzfristig, auf Tickbasis agierende Handelssysteme ist ein hochwertiger, möglichst redundanter Datenfluss von der Börse direkt oder einem kommerziellen Datenanbieter unabdingbar. Ansonsten können die Kursdaten des Brokers „angezapft“ werden, die korrekte Kurse für Auswertungen auf Minutenbasis liefern.

Man kann relativ günstig „verzögerte“ Daten bekommen, die erst 15 Minuten nach den Transaktionen geliefert werden.

Entwicklung, Backtesting und Realsimulation

Elektronische Handelssysteme werden in der Regel mit Hilfe einer Programmiersprache entwickelt. Das Backtesting der Systeme erfolgt, indem der Handel aufgrund von historischen Daten simuliert wird. Oft werden dabei die Parameter bzgl. bestimmter Kriterien, wie z.B. Performance oder Gleichmäßigkeit (geringe zwischenzeitliche Verluste) optimiert. Das kann entweder manuell oder automatisch, z.B. mittels genetischen Algorithmen, geschehen. Bei der Optimierung entsteht das Problem, dass unklar ist, inwieweit das Handelsystem tatsächlich verbessert wird, oder ob das Handelssystem einfach nur besser an die vorhandenen historischen Daten angepasst wird. Im Extremfall wird ein überoptimierter Algorithmus für neue Daten nicht mehr funktionieren, obwohl er beim Backtest gute Ergebnisse liefert. Um die Anfälligkeit des Systems für Überoptimierung zu verringern oder auszuschließen, können einige Dinge beachtet werden:

  • Möglichst wenige Parameter.
  • Stabilität bzgl. Parameteränderungen, d.h. kleine Parameteränderungen sollten die Testergebnisse möglichst wenig beeinflussen.
  • Der Backtesting-Zeitraum sollte möglichst lang sein, um genügend unterschiedliche Markt-Situationen zu berücksichtigen.
  • Gleichmäßige Performance, d.h. möglichst geringe zwischenzeitliche Verluste (Drawdowns), um sicherzustellen, dass das System auch bei verschiedenen Marktsituationen gut funktioniert.
  • Walk-Forward-Optimierung. Dabei werden nur die Kursdaten eines Teilzeitraums berücksichtigt. Anschließend erfolgt ein Backtest für den verbleibenden Zeitraum. Auf diese Weise kann die Qualität des Handelssystems gut abgeschätzt und Überoptimierung relativ sicher vermieden werden. Der Nachteil dieser Methode ist, dass dabei nicht alle zur Verfügung stehenden Marktsituationen berücksichtigt werden und somit das Handelsystem in Zukunft möglicherweise eine schlechtere Performance erzielen wird als ohne Walk-Forward-Optimierung.

Eine Anmerkung zur Qualität von Backtesting-Ergebnissen: Unter Verwendung historischer Daten wird die historische Prognosequalität eines Entscheidungsmodells getestet. Unter Anpassung der Parameter kann rückblickend die „Prognosequalität“ optimiert werden. Eine echte Validierung eines möglicherweise durch Backtesting optimiertes Risikomodells kann jedoch nur durch einen Test unter realen Bedingungen erfolgen, das heißt einem Test durch realen Handel oder einem sogenannten „Paper-Trading“, einer „Realsimulation“. Auch wenn natürlich solche realen Ergebnisse deutlich belastbarer sind als Backtestingergebnisse, sind natürlich auch reale Handelsergebnisse keine Garantie für zukünftige Resultate.

Da bei einem Backtesting Ex-Post eine Ex-Post-Prognose erstellt wird, d. h. etwas prognostiziert wird, das bereits bekannt ist, schneiden solche Modelle im Test nahezu „perfekt“ ab und sind in der Lage rückblickend hohe Gewinne zu erzielen.

Die Aussagekraft eines reinen „Backtesting“ ist somit denkbar gering.

Realsimulation

Bei einer „Realsimulation“ wird im Gegensatz zu einem „Backtesting“ eine Simulation unter reellen und exakten Bedingungen ausgeführt, das heißt, dass bei einer Realsimulation der tatsächliche Handelsablauf simuliert beziehungsweise „gespielt“ wird. Die Realsimulation stellt einen grundsätzlichen Modelldurchführbarkeitstest dar und dient der Überprüfung eines Modells hinsichtlich der Überprüfung gemachter Annahmen sowie möglicher Fehler bei Modellbildung und „Testing“. Eine Realsimulation im Börsenbereich kann nur durch ein identisches Vorgehen wie bei einem realen Handel erfolgen. Faktisch müssen „Ordertickets“ (schriftliche Auftragseingaben) erstellt werden und die aus dem Modell generierten Aufträge mit den am Markt tatsächlich erzielbaren Preisen „wie ausgeführt“ abgerechnet werden. Die tägliche Abrechnung der Gewinne und Verluste würde letztlich einem Börsenspiel ähneln. Die Anforderungen an eine solche Simulation sind jedoch höher als die an ein Börsenplanspiel. Wenn solche Realsimulationsergebnisse später für Werbezwecke bei Anlageprodukten eingesetzt werden, müssen die Tests „fälschungssicher“ ablaufen, nachträgliche Änderungen müssen ausgeschlossen sein, zum Beispiel durch Verwendung entsprechender Buchungssysteme. Insgesamt sind die Testergebnisse des gewählten Modells ausführlich und nachvollziehbar zu dokumentieren. Bestenfalls sind fälschungssichere und von einem Wirtschaftsprüfer überprüfte Daten zu dokumentieren und Belege wie zum Beispiel Ordertickets mit Zeitstempel zu archivieren.

Eine Realsimulation kann über sogenanntes „Paper Trading“ erfolgen.

Paper Trading nennt man das Simulieren von Käufen und Verkäufen von Wertpapier- oder Terminpositionen in einem fiktiven Konto. Zum Einsatz kommt kein echtes Geld, sondern „Spielgeld“. Paper Trading zum Test von Börsenhandelssystemen erfolgt unter realen Bedingungen. Die Verbuchung von Paper Trades und die Performance- und Risikomessung kann auf Plattformen von Banken oder Brokerhäusern erfolgen oder auf speziellen Buchungsprogrammen.

Ansonsten benutzen beispielsweise Börsenspiele Paper Trading, alle Spielteilnehmer erhalten zu Beginn einen gleich hohen Spielgeldbetrag, den sie investieren, echtes Geld wird nicht eingesetzt.

Weblinks

Siehe auch


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