Halogenaromaten

Halogenaromaten

Halogenaromaten (auch Halogenarene oder Arylhalogenide) leiten sich von der Gruppe der Aromaten oder Arene ab, bei denen ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Elemente der 7. Hauptgruppe (Halogene) – Fluor, Chlor, Brom und Iod – des Periodensystems ersetzt wurden. Verbindungen des radioaktiven Elements Astat sind aufgrund der kurzen Halbwertszeit des Astats kaum erforscht.

Aromatische Halogenverbindungen sind mitunter hochgiftig und werden oder wurden als Insektizide oder Fungizide eingesetzt. Viele davon sind mittlerweile verboten.

Ausgewählte Beispiele:

Inhaltsverzeichnis

Stammverbindungen

Strukturformel Fluorbenzol.svg Chlorobenzene-2D-skeletal.png Brombenzol - Bromobenzene.svg Iodbenzol.svg
Name Fluorbenzol Chlorbenzol Brombenzol Iodbenzol
Schmelzpunkt −42 °C[1] −45,2 °C[2] −31 °C[3] −29 °C[4]
Siedepunkt 85 °C[1] 132 °C[2] 156 °C[3] 188 °C[4]
Kalottenmodell Fluorobenzene-3D-vdW.png Chlorobenzene-3D-vdW.png Bromobenzene-3D-vdW.png Iodobenzene-3D-vdW.png

Die einfachsten Verbindungen sind die mit einem Halogenatom substituierten Benzole; sie bilden daher die Stammverbindungen der Halogenaromaten.

Darstellung

Chlor- und Brombenzol können durch Halogenierung mittels Chlor bzw. Brom in Gegenwart einer Lewis-Säure dargestellt werden.

Chlorination benzene.svg

Ausgehend von Anilin können alle vier halogenierten Benzole mittels Diazotierung dargestellt werden. Chlor-, Brom- und Iodbenzol sind über die Sandmeyer-Reaktion zugänglich, für Fluorbenzol findet die Schiemann-Reaktion Anwendung.

Ph–N\equivN+[BF4] \rightarrow Ph–F + N2\uparrow + BF3
Sandmeyer-Reaktion: Zugabe einer Iodid-Lösung zum Benzoldiazoniumsalz

Eigenschaften

Physikalische Eigenschaften

Die Monohalogenbenzole sind farblose Flüssigkeiten. Mit zunehmender molarer Masse steigen die Siedepunkte an. Bei den Schmelzpunkten sind diese Unterschiede nicht so stark ausgeprägt. Vom Fluor- (−42 °C) zum Chlorbenzol (−45,2 °C) ist sogar ein Fallen des Wertes festzustellen, während er dann zu Brom (−31 °C) und Iod (−29 °C) hin moderat steigt.

Chemische Eigenschaften

Eine charakteristische Reaktion der Halogenaromaten ist die Nukleophile aromatische Substitution. Diese Reaktion läuft meist nach dem Additions-Eliminierungs-Mechanismus ab. Halogenaromaten unterliegen eher selten nukleophilen Substitutionen, außer in hochenergetischen industriellen Prozessen.

Halogenaromaten reagieren mit Magnesiummetall zu Grignard-Verbindungen, die als "Ar"-Reagenzien anzusehen sind.

Halogenaromaten mit zwei Halogensubstituenten

Substituiert man Benzol mit zwei Halogenen, so ergeben sich insgesamt zehn Kombinationen. Innerhalb jeder Kombination gibt es ortho-, meta- und para-Isomere.

Fluorbenzol (–F) Chlorbenzol (–Cl) Brombenzol (–Br) Iodbenzol (–I)
Fluorbenzol (–F) Difluorbenzole
O-Difluorobenzene.svgM-Difluorobenzene.svgP-Difluorobenzene.svg
Fluorchlorbenzole Fluorbrombenzole Fluoriodbenzole
Chlorbenzol (–Cl) Dichlorbenzole
1,2-Dichlorobenzene.svgM-Dichlorbenzol.svg1,4-dichlorobenzene.svg
Chlorbrombenzole Chloriodbenzole
Brombenzol (–Br) Dibrombenzole
O-Dibromobenzene.svgM-Dibromobenzene.svgP-Dibromobenzene.svg
Bromiodbenzole
Iodbenzol (–I) Diiodbenzole
O-Diiodobenzene.svgM-Diiodobenzene.svgP-Diiodobenzene.svg

Halogenaromaten mit anderen funktionellen Gruppen

Auch von bekannten aromatischen Stammverbindungen, wie Phenol, Anilin, Anisol, Toluol, Nitrobenzol, Benzylalkohol, Benzaldehyd, Benzoesäure, usw. gibt es halogensubstituierte Derivate. Der Name der Stammverbindung ändert sich dabei nicht. Der Halogensubstituent wird als Silbe (Präfix) darvorgesetzt. Innerhalb jeder Gruppe gibt es ortho-, meta- und para-Isomere.

Der −I-Effekt des Halogensubstituenten führt bei den Halogenphenolen und Halogenbenzoesäuren zu einer höheren Acidität im Vergleich zu Phenol bzw. Benzoesäure. Die pKs-Werte sind daher entsprechend niedriger (Phenol: 9,99[5] / Halogenphenole: 9,06[6] – Benzoesäure: 4,20[5] / Halogenbenzoesäuren: 3,58[6]).

–F –Cl –Br –I
Phenol (–OH) Fluorphenole Chlorphenole Bromphenole Iodphenole
Anilin (–NH2) Fluoraniline Chloraniline Bromaniline Iodaniline
Anisol (–OCH3) Fluoranisole Chloranisole Bromanisole Iodanisole
Toluol (–CH3) Fluortoluole Chlortoluole Bromtoluole Iodtoluole
Nitrobenzol (–NO2) Fluornitrobenzole Chlornitrobenzole Bromnitrobenzole Iodnitrobenzole
Benzylalkohol (–CH2OH) Fluorbenzylalkohole Chlorbenzylalkohole Brombenzylalkohole Iodbenzylalkohole
Benzaldehyd (–CHO) Fluorbenzaldehyde Chlorbenzaldehyde Brombenzaldehyde Iodbenzaldehyde
Benzoesäure (–COOH) Fluorbenzoesäuren Chlorbenzoesäuren Brombenzoesäuren Iodbenzoesäuren

Halogenierte Heteroaromaten

Zur Gruppe der Halogenaromaten zählen auch die halogenierten Heteroaromaten, z. B. 2-Chlorpyridin, 2,6-Dibrompyridin oder das Insektizid Chlorpyrifos.

Einzelnachweise

  1. a b Eintrag zu Fluorbenzol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 19. Juni 2010 (JavaScript erforderlich).
  2. a b Eintrag zu Chlorbenzol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 19. Juni 2010 (JavaScript erforderlich).
  3. a b Eintrag zu Brombenzol in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 19. Juni 2010 (JavaScript erforderlich).
  4. a b Datenblatt Iodbenzol bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 19. Juni 2010.
  5. a b CRC Handbook of Tables for Organic Compound Identification, Third Edition, 1984, ISBN 0-8493-0303-6.
  6. a b Die angegebenen Werte sind Durchschnittswerte sämtlicher pKs-Werte der fraglichen Derivate und dienen hier lediglich zur Veranschaulichung.

Literatur

  • Allinger, Cava, de Jongh, Johnson, Lebel, Stevens: Organische Chemie, 1. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin 1980, ISBN 3-11-004594-X, S. 19, 548–556, 602–669.
  • Streitwieser / Heathcock: Organische Chemie, 1. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim 1980, ISBN 3-527-25810-8, S. 692–695, 1053–1064.
  • Beyer / Walter: Lehrbuch der Organischen Chemie, 19. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1981, ISBN 3-7776-0356-2, S. 445–453.
  • Morrison / Boyd: Lehrbuch der Organischen Chemie, 3. Auflage, Verlag Chemie, Weinheim 1986, ISBN 3-527-26067-6, S. 700–702, 1113.
  • K. Peter C. Vollhardt, Neil E. Schore: Organische Chemie, 4. Auflage, Wiley-VCH, Weinheim 2005, ISBN 978-3-527-31380-8, S. 823–824, 1170.

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