Halbwildes Pferd

Halbwildes Pferd
Wildpferd
Przewalski-Pferd (Equus ferus przewalskii)

Przewalski-Pferd (Equus ferus przewalskii)

Systematik
Unterklasse: Höhere Säugetiere (Eutheria)
Überordnung: Laurasiatheria
Ordnung: Unpaarhufer (Perissodactyla)
Familie: Pferde (Equidae)
Gattung: Pferde (Equus)
Art: Wildpferd
Wissenschaftlicher Name
Equus ferus
Boddaert, 1785

Das Wildpferd (Equus ferus) ist eine Art der Pferde (Equidae). Es wurde durch den Menschen domestiziert und stellt die Wildform des Hauspferdes dar. Die einzige Unterart, die bis heute in reiner Form überlebt hat, ist das Przewalskipferd (Equus ferus przewalski). Der Tarpan, der bis ins 19. Jahrhundert überlebte, wurde vom Menschen ausgerottet.

Andere Pferderassen, die umgangssprachlich ebenfalls als Wildpferde bezeichnet werden, sind aus wissenschaftlich-zoologischer Sicht keine, sondern verwilderte Hauspferde (z. B. der amerikanische Mustang) oder halbwild lebende Rassen (z. B. das sogenannte Dülmener Wildpferd in Deutschland).

Inhaltsverzeichnis

Merkmale

Das Wildpferd unterscheidet sich rein äußerlich von den Halbeseln und Eseln vor allem durch die kürzeren Ohren und von den Zebras durch das einfarbige Fell.

Das Przewalskipferd ist im Vergleich zu den meisten Hauspferden relativ klein und stämmig. Die Kopf-Rumpf-Länge beträgt etwa 220 bis 280 cm, die Schulterhöhe etwa 120 bis 146 cm und das Gewicht liegt bei etwa 200–300 kg. Der Schweif ist etwa einen Meter lang. Das falbfarbene Fell variiert zwischen gelblich und rötlich und geht an den Flanken in hellere Farbtöne über, die Unterseite sowie die Beininnenseiten sind fast weiß. Charakteristisch für das Przewalski-Pferd sind der Aalstrich, die dunkle Stehmähne und die ebenfalls dunklen Läufe. Das Winterfell ist viel dichter und länger als das Sommerfell.

Der Tarpan war an der Schulter etwa 125–135 cm hoch und hatte ein graues Fell, sowie ein schwarze Mähne und einen schwarzen Schweif, also schwarzes Langhaar. Ob er eine Hängemähne wie das Hauspferd besaß, ist unklar.

Verbreitung und Unterarten

Heckpferde, "rückgezüchtete" Modelle des Steppentarpans

Das ursprüngliche Verbreitungsgebiet des Wildpferdes erstreckte sich über ganz Eurasien, von China bis nach Westeuropa. Bis in die Neuzeit überlebten drei Unterarten des Wildpferds: Der Steppentarpan (Equus ferus gmelini), der Waldtarpan (Equus ferus sylvaticus) und das Przewalski-Pferd (Equus ferus przewalskii). Letztere ist die einzige, die bis heute in ihrer Wildform überlebt hat. Das Przewalski-Pferd wurde erst im Jahre 1879 von Nikolai Michailowitsch Prschewalski in den Steppen der Mongolei für die Wissenschaft entdeckt und bewohnte zu dieser Zeit noch große Bereiche seines ursprünglichen Verbreitungsgebietes, das sich über Kasachstan, Sinkiang, die Mongolei und möglicherweise bis nach Südsibirien erstreckte. In den folgenden Jahrzehnten nahmen die Bestände jedoch stark ab und in den 1960er Jahren starb es in freier Wildbahn aus. Glücklicherweise waren vorher einige Tiere in zoologische Gärten gebracht worden, wo sie sich erfolgreich vermehrten. Nachfahren dieser Tiere konnten sogar bereits wieder in den Steppen der Mongolei ausgewildert werden.

Das Hauspferd wird vor allem aufgrund der Tatsache, dass es im Chromosomensatz vom Przewalski-Pferd abweicht (es besitzt nur 64 anstatt 66 Chromosomen), gelegentlich als eigenständige Art (Equus caballus) angesehen. Unter anderem aufgrund von Untersuchungen mitochondrialer DNA werden beide heute meist der gleichen Art zugerechnet, wobei Untersuchungen von B. Wallner, G. Brem, M. Müller und R. Achmann allerdings auch belegten, dass die Entwicklung des Hauspferdes sich bereits vor 120.000 bis 240.000 Jahren vom Przewalski-Pferd trennte (Animal Genetics, Volume 34, Issue 6: 453–456).

Koniks sind urtümliche Pferde, die stark an Tarpane erinnern. Die Aufnahme entstand im Naturentwicklungsgebiet Oostvaardersplassen

Meist wird der Tarpan, ein bis in das 19. Jahrhundert verbreitetes Wildpferd Eurasiens als Vorfahre des Hauspferdes angenommen. Normalerweise werden zwei Tarpan-Unterarten unterschieden. Der in Mittel- und Osteuropa lebende Waldtarpan (Equus ferus silvaticus) überlebte das 18. Jahrhundert nicht. Vom südrussischen Steppentarpan (Equus ferus gmelini), der im Osten bis etwa zur Wolga verbreitet war, wurde am 25. Dezember 1879 das letzte wildlebende Exemplar zu Tode gehetzt. Einige Tiere überlebten in Gefangenschaft bis zum Zweiten Weltkrieg. Aus tarpanähnlichen Hauspferden wie Koniks sowie Przewalskipferden hat man Pferde "rückgezüchtet", die Tarpanen im Aussehen stark ähneln.

Hauspferde und Tarpane bzw. Przewalski-Pferde paaren sich als Angehörige derselben zoologischen Art uneingeschränkt und bringen dabei fortpflanzungsfähigen Nachwuchs zur Welt.

Verhalten

Przewalski-Pferde im Schneetreiben
Eine an den Tarpan erinnernde Pferdeform in einem Wildpark

In freier Wildbahn lebten Pferde in Herdenverbänden. Die Herde hat einen sogenannten Leithengst (in ganz seltenen Fällen zwei – meist Brudertiere), der die Herde aus Stuten und Jungtieren vor Feinden verteidigt und die empfangsbereiten Stuten decken darf. Der Leithengst muss seine Position immer wieder aufs neue gegenüber jüngeren Hengsten verteidigen. Dies führt teilweise zu erbitterten Kämpfen, oft mit kleineren, selten mit schweren Wunden. Ansonsten wird die Herde von einer Leitstute zu Futter- und Rastplätzen geführt. Diese Stute ist meist die älteste und erfahrenste der Herde. Die jungen Hengste werden ab einem gewissen Alter aus dem Herdenverband ausgestoßen und bilden so genannte Junggesellengemeinschaften.

Wildlebende Pferde verständigen sich hauptsächlich mit Hilfe von Körpersprache sowie Schnaub- und Brummgeräuschen. Sie wiehern kaum, da dies Fressfeinde auf sie aufmerksam machen würde.

Trächtige Stuten sondern sich meist etwas von der Herde ab, um ihre Fohlen (meist eins, selten zwei) zur Welt zu bringen. Sie bleiben jedoch in Sicht- bzw. Hörweite des Familienverbandes. Die Geburt dauert ca. eine halbe Stunde. Das Fohlen wird sofort nach der Geburt abgeleckt, um die Atemwege freizulegen und die Durchblutung anzuregen. Ein weiterer Effekt ist, dass das Fohlen den Geruch der Mutter annimmt und so auch von der Herde erkannt wird. Die Fohlen können bereits nach kurzer Zeit stehen und laufen, Mutter und Fohlen schließen sich wieder der Herde an.

Lebensraum und Nahrung

Das Wildpferd war vor allem ein Tier der offenen Landschaften. Steppen, Grasländer und Parklandschaften waren typische Lebensräume, aber auch Halbwüsten, Buschland und Wälder wurden offenbar besiedelt. Przewalskipferde stiegen im Gebirge bis auf mindestens 2500 Meter empor. Absolut erforderlich für Wildpferde ist ein ständiger Wasserzugang. Das Wildpferd ernährt sich vor allem von Gräsern, nimmt aber auch allerlei Kräuter und gelegentlich Laub zu sich. Heute setzten sich Naturschutzverbände wie der NABU dafür ein, dass die von Zoologen gezüchteten wildpferdähnlichen Tiere wieder Teil der Natur in Deutschland werden. So werden mehrere Herden der Koniks in den Auen der Ems [1] zur Landschaftspflege eingesetzt.

Pleistozäne Wildpferde

Die Gattung Equus entstand in Nordamerika und gelangte vor etwa 1,5 Millionen Jahren über die Bering-Landbrücke nach Eurasien. Bei vielen Equus-Formen des mittleren und späten Pleistozän ist unklar, ob es sich bereits um Unterarten des heutigen Wildpferdes (Equus ferus) handelte oder ob sie noch eigenständige Arten darstellten. Meist werden die verschiedenen Formen nur aufgrund der Körpergröße unterschieden. So wird die besonders große Form des Spätpleistozän (Equus ferus germanicus) oft als eigenständige Art betrachtet. Einige Pferde, die bis ins späteste Pleistozän in Nordamerika verbreitet waren, gehörten möglicherweise derselben Art wie das Wildpferd (Equus ferus) an. Alle Pferdearten des amerikanischen Kontinents starben jedoch vor rund 10.000 Jahren aus.

Verwilderte Pferde

Das Wildpferd wurde vermutlich vor rund 6000 Jahren in Südrussland domestiziert. In Form des Hauspferdes wurde es später in fast allen Teilen der Welt eingeführt und teilweise verwilderten die Tiere dort.

Oft werden auch diese verwilderten Pferde, die von Hauspferden abstammen, umgangssprachlich als Wildpferde bezeichnet. So ist der Mustang kein echtes Wildpferd, sondern stammt vom im Laufe der Besiedlung Nordamerikas entlaufenen Hauspferden ab. Gleiches gilt für die folgenden Pferderassen:

  • Brumby
    • Nachfahren der Pferde von Sträflingen, die im 18. Jhd. nach Australien kamen. Entlaufene Pferde, die sich im Busch schnell vermehrten und durch gezielte Tötungsaktion bis in die 60 er Jahre drastisch vermindert wurden.
  • Mustang
    • Nordamerikanisches Pferd, das im 16. Jahrhundert durch verwilderte Hauspferde der Rassen Araber und Berber entstand, die den spanischen und anderen europäischen Eroberern entlaufen waren.
  • Sable-Island-Ponys
  • Namibisches Wildpferd
    • Warmblüter, wahrscheinlich Trakehner, die Anfang des 20. Jhd. von einem deutschen Baron in die damalige deutsche Kolonie Deutschsüdwestafrika, das heutige Namibia gebracht wurden. In Folge des 1. Weltkrieges wurden die Deutschen vertrieben und die Pferde entliefen in die Wüste. Dort wanderten sie zu einer Wasserstelle wo sie in den 1980er Jahren gefunden wurden. Die Population ist heute ca 250 bis 300 Tiere groß.

Halbwild lebende Pferde

Sogenannte Dülmener Wildpferde im Merfelder Bruch

Neben verwilderten Pferden wie den Mustangs gibt es außerdem halbwild lebende Pferde, bei denen die Zuchttiere zwar frei leben, aber einen Besitzer haben (siehe Wildes Gestüt). Solche Rassen haben oft einen merklichen Anteil an Urwildpferdblut. Zu den bekanntesten darunter zählen die Dülmener Wildpferde im Merfelder Bruch, die Exmoor-Ponys oder die Camargue-Pferde.

Literatur

  • Simon Wakefield et al.: Status and Action Plan for the Przewalski’s Horse (Equus ferus przewalskii) pdf
  • Ronald M. Nowak: Walker’s mammals of the world. 6. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore 1999, ISBN 0-8018-5789-9.  
  • Michael Schäfer: Handbuch Pferdebeuretilung, Kosmos, ISBN 3-440-07237-1
  • W. v. Koenigswald: Lebendige Eiszeit. Theiss-Verlag, 2002. ISBN 3-8062-1734-3

Einzelnachweise

  1. nabu-naturschutzstation-muensterland.de

Weblinks


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