Halbschalenbauweise

Halbschalenbauweise

Halbschalenbauweise im Flugzeugbau bezeichnet den Aufbau eines Flugzeug- oder Raketenrumpfes in (meist) zwei Schalen. Zusammengenietet bzw. verklebt ergeben diese zwei Schalen einen nahezu runden oder ovalen Querschnitt eines Rumpfabschnittes. Diese Rumpfabschnitte hintereinander (z. B. Heck, Rumpfmitte, Cockpitsektion) ergeben den Flugzeugrumpf.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Metall- bzw. Ganzmetallbauweise und somit auch die Schalenbauweise wurde zwischen dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg entwickelt. Die Firma Junkers & Co. in Dessau steuerte mit der J-1 bis zu den Fertigungsverfahren für die Ju-288 wichtige Entwicklungen bei. Weitere Firmen wie die Ernst Heinkel Flugzeugwerke mit der He-70, die Douglas Aircraft Company und die Boeing Aeroplane Company stiegen ebenfalls in die Entwicklung ein.

Ende der 1960er-Jahre setzte sich im Segelflugzeugbau die Glasfaserverbundbauweise für beide Halbschalen durch. Der Grund dafür lag in der Möglichkeit der Verringerung des Gewichts. Aus gleichem Grund werden im Verkehrsflugzeugbau zunehmend Kohlefaserwerkstoffe eingesetzt.

Grundprinzipien

In der Halbschalenbauweise haben sich zwei Grundverfahren behauptet: Die Aluminiummetallbauweise und der Faserverbundwerkstoff.

Aluminium- bzw. Metallbauweise

Gitter aus Spanten und Stringern

Es wird eine Art Gitterkonstruktion bestehend aus Querspanten und Längsspanten (Stringern) aus Aluminium-Leichtbauprofilen hergestellt. Diese werden in speziellen Vorrichtungen fixiert und passgenau zusammengenietet. Nieten ist eine der am meisten verwendeten dauerfesten Verbindungstechniken im Flugzeugbau. Auf dieses „Gitter“ wird nun eine Außenbeplankung aufgenietet, was eine hohe Festigkeit bei geringer Masse ermöglicht. Das Einteilen in Spanten und Stringer wird im Fachbegriff auch „Straken“ genannt.

Korrosionsschutz

Flugzeuge unterliegen im Betrieb erheblichen Temperaturschwankungen. Auf einem tropischen Flugplatz sind oft Luftfeuchtigkeiten von bis zu 100 % und Temperaturen von mehr als 40 °C anzutreffen. In Reiseflughöhe (oft +12.000 m) sind die Außentemperaturen im Bereich von ca. -55 °C. Das und die laufende Ausdunstung in der Passagierkabine führen zu einer starken Schwitzwasserbildung und somit zu starker Korrosion. Deshalb müssen alle Aluminiumteile vor der Montage entfettet und lackiert werden. Zwischen die Spanten, Stringer und Bleche muss noch vor der Montage eine gummiartige Zwischenschicht aufgetragen werden. Nach dem Nieten werden alle Verbindungen nochmal mit Korrosionsschutzlack überzogen. Diese Maßnahmen sind im heutigen, internationalen Metallflugzeugbau Standard und garantieren eine übliche Lebens- und Betriebsdauer von ca. 15–40 Jahren.

Beplankung

Die Außenhaut ist meist aus einem 1–5 mm dicken, gewalzten Alublech besonderer Güte gefertigt. Es wird auf einer Streckmaschine mit Bändern auf eine, der Flugzeugrumpfform entsprechenden Vorrichtung gestreckt und somit in Form gebracht. Durch das Strecken wird gleichzeitig das gewalzte Gefüge optimiert. Meist wird vor dem Aufnieten in einem Säurebad das Außenblech auf die gewünschte Dicke gebracht. An Stellen, an denen das Blech die volle Dicke behalten soll (z. B. im Bereich der Fenster, Türen, Spanten und Stringer) wird ein Schutzlack aufgetragen. An Stellen ohne Schutzlack wird das Alublech chemisch durch die Säure abgetragen. Die Zeit zum Ätzen steuert exakt die Dicke.

Montage der Halbschalen

Die fertigen Halbschalen werden an ihren Spanten und den Außenblechen mit der anderen dazu passenden Halbschale vernietet. Die dabei entstehenden Rumpfabschnitte werden in Längsrichtung an den Stringern und an den Außenblechen vernietet. Durch geringe Überlappung der Stringer, Spanten und Außenblechen beim Vernieten haben diese Verbindungen fast exakt die gleiche Festigkeit wie ein kreisrund gebautes Segment, sind nur minimal schwerer, aber wesentlich billiger in der Herstellung.

Großbaugruppen

Große Verkehrsflugzeuge mit einem oder auch zwei Mittelgängen in der Kabine haben meist einen kreisrundem Querschnitt und werden oft in drei Schalen gefertigt. Das ermöglicht einen günstigen Schiffs-, Luft- oder Straßentransport von Zulieferern zur Endmontagehalle und ein platzsparendes und somit preiswertes Zwischenlagern.

Faserverbundwerkstoffe: GFK und CFK

Prinzip und Werkstoff

Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) und Kohlefaserwerkstoffe (CFK) (engl.: Carbon) sind im Segelflugzeug- und Bootsbau längst bewährte Methoden, die über die Militärluftfahrt (hier: Carbon) nun zunehmend ihre Verbreitung bei Verkehrsflugzeugen findet. Ein Trägermaterial, meist ein Zweikomponenten Harz, bestehend aus Harz plus eine genau bemessene Menge an Härter, nehmen Teile der Schubkräfte auf. Ein Faserwerkstoff (wie z. B. Glas- oder Kohlefaser) nimmt die Zugspannungen auf. Da Glas- bzw. Kohlefaser sehr hohe Zugspannungen bei geringer Elastizität aufnehmen können, hat dieser Werkstoff eine höhere Festigkeit als Aluminium bei niedrigerer Dichte. Es ist also ein Verbund aus zwei verschiedenen Materialien zu einem neuen mit den Vorteilen von beiden Werkstoffen zusammen. Da der Werkstoff aber spröde ist, sind neue Verfahren und Methoden notwendig, um die für den Flugzeugbau immens wichtige Elastizität zu gewährleisten.

Sektionsgröße

Bei Verbundwerkstoffen ist man bestrebt, die Bauteile so groß wie möglich am Stück zu bauen, da jede Verbindungsstelle aufwendig und überlappend verbunden werden muss und somit Kosten- und Schwachpunkt ist. Beim Bau von Segelflugzeugen wird meist der ganze Rumpf vom Cockpit bis zum Seitenleitwerk am Stück laminiert. Bei Großbauteilen, wie z. B. bei der modernen Boeing B787 kann aus wirtschaftlichen Gründen (siehe oben) nicht das ganze Flugzeug „am Stück“ laminiert werden. Bei solchen Dimensionen werden wieder sinnvolle Baugruppen (Sektionen) gebildet.

Positiv/Negativ-Form

Die positive Form des Flugzeugrumpfes wird entweder umgekehrt und direkt als Negativform hergestellt oder von einem sogenannten Urmodell abgeformt. Diese Form wird mit einem Trennwachs behandelt, um ein Festkleben des Werkstoffes an der Form zu verhindern. Die erste Zweikomponenten Harzschicht oder eine spezielle erste Füllschicht wird aufgetragen und bildet später die Außenhaut. In diese Schicht wird eine Lage Glas- oder Kohlefaser gelegt. Darüber kommt wieder eine weitere Lage Fasermaterial. Die folgende Lage wird nun unter einem anderen Winkel (oft kreuzend zur unteren) eingelegt. Bei Protoptypen oder Kleinserien von Hand, bei mittelgroßen Serien mit Unterstützung eines Lasermarkierungsgerätes (engl.: „Scanner“) und bei Großserien mit Laminierroboter. So wird Schicht um Schicht zwischen 5 und 20 Lagen aufgebaut. Dies muss relativ zügig geschehen, da ab dem Zusammenmischen von Harz und Härter die „klebeoffene“ Zeit sehr bald abläuft. Die Außenhaut ist nach dem Entformen sehr glatt und muss nur noch minimal bearbeitet werden. Die Innenseite ist oft rau und uneben. Größere Durchbrüche wie Fenster oder Klappen werden schon in der Form ausgearbeitet und es wird entsprechend dem Umriss um diese herum laminiert, damit die Fasern nicht durchtrennt werden.

Spanten und Stringer

An besonders hoch belasteten Stellen wie Motor-, Fahrwerk- oder Tragflächenbefestigung werden, ebenso wie im Metall- und Holzflugzeugbau, Schotten, Spanten und auch ggf. Stringer als Versteifung eingebaut. Diese werden in den Ecken in mehreren Lagen mit der Außenhaut verklebt.

Laminier-Richtung und Schichtanzahl

Da (idealerweise) die Spannungsverläufe im Rumpf durch Versuche mit Bruchzellen oder FEM-Methoden vorher bekannt sind, kann die Anzahl der Lagen und die Richtung der Faserstreifen optimal im Voraus bestimmt werden. Je höher die zu erwartende Spannung, desto mehr Lagen. Der Winkel der Lagen zueinander bestimmt dabei maßgeblich die Festigkeit und wird in aufwendigen numerischen Simulationen ermittelt.

Zusammenbau

Die so modellierten Halbschalen haben nach dem Entformen eine Überstand, der entfernt werden muss. Zum Trennen, also dem Entfernen des überschüssigen Randes, werden meist 5-Achs HSC-Fräs- oder Wasserstrahlschneidmaschinen verwendet. In besonderen Montagevorrichtungen werden die (meist) zwei Halbschalen ausgerichtet, fixiert und mit weiteren Lagen Harz plus Faserwerkstoff miteinander überlappend verklebt.

Umweltverträglichkeit, Reparatur, Recycling

Für Aluminium existieren funktionierende Stoffkreisläufe. Für die spröden Faserverbundwerkstoffe müssen diese Instandhaltungsverfahren erst noch entwickelt bzw. in der breiten Anwendung eingerichtet werden. Auch das kostengünstige Reparieren von Beulen, Dellen oder gar Löchern wie sie im Flugplatzalltag durch Kollisionen mit Bodenfahrzeugen schnell vorkommen, muss noch optimiert werden. Der Gewichtsvorteil lässt jedoch über den eingesparten Treibstoff wohl diesen Nachteil aufwiegen. Verlässliche Erfahrungswerte liegen bei den Versicherungsunternehmen noch nicht überall vor.

Raumfahrt

Auch Großraketen in der Raumfahrt werden meist in Halbschalenbauweise hergestellt. Eine der ersten Raketen in dieser Bauart war die V2-Rakete gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Sie wurde in vier größere Baugruppen unterteilt:

  1. Antrieb (mit Motor, Verkleidung, 4 Steuerflächen)
  2. Rumpf bestehend aus 2 großen, zusammengenieteten Halbschalen
  3. 2 Tanks inklusive Verrohrung für Treibstoff und Sauerstoff
  4. Spitze mit Flugsteuerung und Sprengkopf

Die beiden Halbschalen und auch die beiden Tanks wurden von 1943 bis 1945 unter anderem im württembergischen Saulgau fernab der Endmontage hergestellt.[1]

Siehe auch

Quellen

  1. Georg Metzler: Geheime Kommandosache - Raketenrüstung in Oberschwaben. Das Außenlager Saulgau und die V2 (1943-45). ISBN 3-89089-053-9

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