Alija

Alija
Einwanderer der zweiten Alija, Feld bei Migdal (1912)

Der Begriff Alija (hebräisch עלייה, Pl. Alijot, wörtl. „Aufstieg“) stammt aus der Bibel und bezeichnet im Judentum seit dem babylonischen Exil (586-539 v. Chr.) die Rückkehr von Juden als Einzelnen oder Gruppen in das Gelobte Land. Teilnehmer einer Alija heißen hebräisch Olim (sg. fem.: Olah, sg. mask.: Oleh).

Seit dem 19. Jahrhundert bezeichnet der Begriff damalige und spätere Einwanderungswellen von meist europäischen Juden in die Region Palästina, seit 1948 in den dort gegründeten Staat Israel.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Das hebräische Wort Alija für „Aufsteigen, Hinaufziehen“ bezeichnete im antiken Judentum eine Wallfahrt gläubiger Juden zum Jerusalemer Tempel zu einem der drei jährlichen Wallfahrtsfeste Pessach, Schawuot und Sukkot. Das Aufsteigen bezog sich auf das hochgelegene Bergland Judäas und besonders auf den etwa 800 m hoch gelegenen Tempelberg, den Zion.[1]

Nachdem die Babylonier den Tempel und die Stadt Jerusalem als kultisches Zentrum des damaligen Judentums 586 v. Chr. zerstört und seine politischen und kultischen Eliten exiliert hatten, bezeichnete der Begriff auch das erhoffte künftige „Hinaufziehen“ der exilierten Juden in ihr Heimatland Israel. Das Edikt des Perserkönigs Kyros II. von 539 v. Chr. erlaubte ihnen diese Rückkehr nach biblischer Überlieferung mit den Worten (Esr 1,3 EU; vgl. 2. Buch Chronik 36,23):

„Jeder unter euch, der zu seinem Volk gehört - sein Gott sei mit ihm -, der soll nach Jerusalem in Juda hinaufziehen und das Haus des Herrn, des Gottes Israels, aufbauen; denn er ist der Gott, der in Jerusalem wohnt.“

Damit löste Cyrus eine frühe Rückwanderungswelle nach Israel aus, in deren Folge der Tempel und Jerusalem als Hauptstadt Israels wieder aufgebaut wurden.

Seit der Entstehung des Zionismus bedeutet der Begriff allgemein „jüdische Einwanderung“ nach Palästina bzw. Israel.[2]

Die frühen Alijot

  • Im späten 12. Jahrhundert trafen einige Juden aus Nordafrika aufgrund von Verfolgungen ein.
  • Zwischen 1210 und 1211 wanderten 300 französische und englische Rabbiner ein (Einwanderung der dreihundert Rabbiner).
  • Auch nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492 kamen einige Juden nach Palästina
  • im 15. Jahrhundert traf eine Gruppe italienischer Juden ein, die einen großen Einfluss auf die örtliche jüdische Gemeinde ausübte.
  • Nach der türkischen Eroberung im Jahr 1516 folgte eine Einwanderungswelle aus dem Orient, Sizilien, Italien, Frankreich, Deutschland und Nordafrika. Gemeinsam mit ihnen kamen auch weitere Flüchtlinge der Vertreibungen aus Spanien und Portugal. Einige ließen sich in Jerusalem nieder, die meisten jedoch siedelten in Safed.
  • Während des gesamten 16. Jahrhunderts zog die Hochblüte der Kabbala in Safed viele Einwanderer aus Frankreich, Deutschland, Italien und anderen europäischen Ländern, aber auch aus Nordafrika und dem Orient an.
  • Mitte des 17. Jahrhunderts gab es eine wichtige Alijah türkischer Juden.
  • Im Jahr 1700 ließ sich eine Gruppe von 1500 europäischen Juden unter der Führung von Rabbi Judah Chassid in Jerusalem nieder.
  • Ende des 18. Jahrhunderts begann bis ins frühe 19. Jahrhundert die Einwanderung der Chassidim. Die erste organisierte chassidische Einwanderung fand 1764 statt und wurde von Schülern des Ba´al Schem Tow, des Begründers des Chassidismus, angeführt. Sie siedelten sich in Tiberias, Safed, Hebron und Jerusalem an und begründeten die Tradition der vier Heilligen Städte des Judentums.
  • 1808 organisierten auch die Peruschim, die Schüler des Gaon von Wilna, einem Gegner des Chassidismus, eine Alijah und begründeten eine Gemeinde in Jerusalem.
  • 1830 begann eine Einwanderungswelle aus Deutschland, den Niederlanden und Ungarn.
  • Während des 19. Jahrhunderts fand die Einwanderung tausender Juden aus orientalischen Ländern wie der Türkei, Nordafrika, Irak, Persien, Buchara, Kurdistan, Afghanistan, dem Kaukasus und dem Jemen statt, welche die Ankunft des Messias für das jüdische Jahr 5.600 (=1840) erwarteten. 1840 waren Juden die größte Bevölkerungsgruppe in Jerusalem. Die Eroberung von Syrien durch Muhammad Ali Pascha brachte für die jüdische Bevölkerung Erleichterungen, wie z.B. die Erlaubnis, die bei einem Erdbeben 1837 zerstörten Gebäude in Safed und Tiberias wieder aufzubauen.
  • 1857: der aus Livorno, Italien stammende und in London lebende italienische Jude Sir Moses Montefiore errichtete eine Windmühle mit einer kleinen Siedlung außerhalb der Stadtmauer Jerusalems und schuf damit eine wichtige Lebensgrundlage der jüdischen Bevölkerung.
  • 1860: Etwa 12.000 Juden leben in Palästina.

Die modernen Alijot

Die Alijot der Neuzeit werden in der Literatur unterschiedlich periodisiert, sowohl hinsichtlich der Dauer als auch hinsichtlich der Einwanderungszahlen.

Die erste Alija

Die erste Alija dauert von 1882–1903. Das Gebiet von Palästina gehörte damals zum Osmanischen Reich. Mit der 1. Alija kamen 20.000 bis 30.000 Einwanderer aus Osteuropa, Russland, Rumänien und dem Jemen.

Die Gründe für eine Einwanderung lassen sich auf drei Faktoren zurückführen:

  • Die uralte Sehnsucht der Juden nach ihrem historischen Heimatland.
  • Die andauernden Pogrome in Russland.
  • Die Überzeugung, dass nur die Rückkehr in das historische Heimatland imstande sein würde, das "jüdische Problem" dauerhaft und grundlegend zu lösen.

Die erste Alijah wurde vor allem von den Bewegungen Chibbat Zion und der Bilu beeinflusst. Bilu ist eine Abkürzung für "Beit Ja'akov Lekhu Ve-nelkha", "Haus Jakob, geht, lasst uns aufbrechen!" Jesaja (2:5); Diese Bewegungen haben auch die ersten landwirtschaftlichen Siedlungen, Moschawot gegründet, bis 1903 insgesamt 28, darunter in Judäa: Rischon LeZion,, Ekron, Gedera, Petach Tikwa, Zichron Jaakov und in Obergaliläa: Rosch Pina, Jesod Hama´alah. Be´er Tuvia war die südlichste und Metulla die nördlichste Siedlung.

Die erste Gruppe von 14 Personen ging am 6. Juli 1882 in Jaffa an Land, die zweite Gruppe mit 34 Personen kam zwei Jahre später. Zu dieser Gruppe gehörten auch vier Frauen. Gedera ist eine BILU-Gründung. - Am 27. Juni 1901 wurde die Vereinigung Kibbuz Achim gegründet, deren Ziel es war, die Ankömmlinge der ersten Alija bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft zu unterstützen.

Ebenfalls ab 1882 begann der in Frankreich lebende Baron Edmond Rothschild in sechzehn Musterdörfern 12.000 Juden anzusiedeln, die sich selbständig ernähren konnten. Besonders bekannt wurden seine Weinfelder am Südwestabhang des Karmel, wozu er französische Rebsorten einführen ließ.

Es gab zwei Haupteinwanderungswellen: 1882 bis 1884 und 1890 bis 1891.

Neben 28 neuen landwirtschaftliche Siedlungen mit ca. 6.000 Personen wuchsen auch die städtischen Siedlungen an. So kamen je ca. 3.000 Neueinwanderer nach Haifa und Jaffa und etwa 1.000 Einwanderer nach Jerusalem.

Das Hebräische wurde wieder zu einer im Alltag gesprochenen Sprache und die ersten hebräischen Grundschulen entstanden. Der Pioniergeist hatte sich jedoch erschöpft und war 1903 fast zum Erliegen gekommen. Am Ende der 1. Alija gab es ca. 40 000 jüdische Einwohner in Palästina.

Bekannte Teilnehmer der 1. Alija waren Elieser Ben-Jehuda

Die zweite Alija

Sie fand von 1903 bis 1914 statt und brachte 35.000 bis 40.000 Einwanderer, vor allem aus Russland und Polen, in das Land Palästina.

Der erste Anstoß dazu waren die blutigen Ereignisse in Kischinew 1903. Weitere Pogrome in Russland im Jahre 1904 und 1905 sowie der Tod Theodor Herzls am 3. Juli 1904 führten zu einem neuen Pioniergeist.

Die Teilnehmer waren meist junge Männer und Frauen mit sozialistischen Ideen und dem Wunsch nach einer klassenlosen Gesellschaft und einer Religion der Arbeit. Sie ließen sich nicht nur von einer nationalen Ideologie leiten, sondern wünschten sich auch ein Gemeinwesen für Proletarier in Palästina.

Sie hatten in der Regel bereits in ihren Heimatländern eine landwirtschaftliche Ausbildung erhalten. Von Einwanderern der zweiten Alija wurden die ersten Parteien der Arbeiterbewegung, die Poalei Tzion und die HaPoel HaZair, die Vorgängerorganisationen der Mapai, aufgebaut.

Die Teilnehmer der zweiten Alija arbeiteten als Arbeiter in den Moschawot oder in den Städten. Sie gründeten 1909 den ersten Kibbuz Deganja, die erste jüdische Stadt der Neuzeit Tel Aviv und ebenfalls 1909 die militärische Organisation HaSchomer. Auch schufen sie die Basis für eine neue hebräische Presse und Literatur, was die Verbreitung der Sprache erheblich förderte, und für die Gewerkschaft Histadrut.

Bekannte Teilnehmer der zweiten Alija waren: David Ben-Gurion , Jitzhak Ben Zwi , Berl Katznelson , Israel Schochat, Jitzchak Tabenkin und Joseph Trumpeldor.

Die Zweite Alija wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges beendet. In der gleichen Zeit wanderten mehr als eine Million Juden aus Osteuropa in die USA aus.

Die dritte Alija

Die dritte Alija (1919–1923): 35.000 Einwanderer kamen vor allem aus Russland, aber auch aus Rumänien: darunter die ersten Mitglieder von Hashomer Hatzair („der junge Wächter“), der ältesten jüdischen Jugendbewegung, die sich selbst als „Weltorganisation der zionistischen Jugend“ bezeichnet. Sie gründeten Kibbuzim in Palästina und riefen 1927 ihre Kibbuzbewegung ins Leben. Im Zweiten Weltkrieg operierten Mitglieder, darunter Mordechaj Anielewicz, im von NS-Deutschland besetzten Europa, vor allem in Polen, und waren an Ghettoaufständen beteiligt. Nach dem Krieg nahmen sie an Bricha-Unternehmen teil. 1946 gründete die Bewegung eine politische Partei, die gemeinsam mit Ahdut Ha´Avoda 1948 die Arbeiterpartei Mapam bildete.

Die vierte Alija

Die vierte Alija (1924–1931): etwa 80.000 Einwanderer, vor allem aus Polen und der Sowjetunion (auch als „Mittelstands-Alija“ bezeichnet). Der Völkerbund hatte 1923 die Teilung Palästinas beschlossen. Transjordanien wurde als eigenes Mandatsgebiet etabliert. Die Rückendeckung des Völkerbundes für den Zionismus begünstigte die vierte Einwanderungswelle von vor allem polnischen und russischen Juden.

Die Einwanderung während der zwanziger Jahre wurde 1924 durch die Entscheidung der USA, ihre Grenzen für Masseneinwanderung zu schließen, verstärkt. Acht von zehn Einwanderern der dritten und vierten Alija ließen sich in den Städten nieder.[3]

Die fünfte Alija

Die fünfte Alija (1932–1938): nach der Machtübernahme Hitlers; etwa 200.000 Einwanderer vor allem aus Deutschland (schwankende Angaben, andere nennen den Zeitraum 1930-1939, über 250.000 Einwanderer, die meisten Flüchtlinge aus NS-Deutschland, Polen und Zentraleuropa)

Die Alija Bet

Die Alija Bet (Bet = 2. Buchstabe des hebräischen Alphabets = „sekundärer Aufstieg“ = illegale Einreise, auch unter dem Namen Ha’apalah bekannt; ca. 1934 bis vor der Staatsgründung): Einwanderung von Verfolgten aus Deutschland während der Zeit des Nationalsozialismus – trotz Hürden der britischen Regierung (u. a. Weißbuch von 1939). Organisation 1939 als Teil der Haganah (Leitung: Schaul Avigur) gegründet.

In der Literatur finden sich auch Periodisierungsversuche, die eine sechste Alija benennen und auf 1936-1940 datieren. Sie umfasste etwa 90.000 Einwanderer, hauptsächlich „illegale“ Flüchtlinge vor dem Nationalsozialismus (Maapilim).

Alijot seit Israels Staatsgründung

  • 1948–1951: etwa 690.000 Einwanderer aus Ägypten, Irak, Jemen, Polen und Rumänien
  • 1955–1957: etwa 100.000 Einwanderer aus Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen
  • 1989 bis 1995: etwa 600.000 Einwanderer aus der Sowjetunion bzw. der GUS

Jugend-Alija

Jugend-Alijah - Abteilung der Jewish Agency: Die Jugendalija bzw. Kinderalija wurde 1933 von Recha Freier aus Berlin gegründet, um jüdische Kinder und Jugendliche aus Nazideutschland zu retten. In Palästina wurde die Organisation von Henrietta Szold und später von Hans Beyth geleitet. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden ungefähr 5 000 Jugendliche ins Land gebracht und erzogen. Nach dem Krieg kamen noch 15 000 Holocaustüberlebende dazu.

In Deutschland: Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugend-Alija gegründet Juli 1933 mit Sitz in Berlin-Charlottenburg 2, Kantstraße 158 (überparteiliche Organisation zur Überführung jüdischer Jugendlicher nach Palästina), umfasste die drei Berliner Vereine: Kinderheim Ahawah, jüdische Waisen- und Jugendhilfe.

Siehe auch

Literatur

Historische Darstellungen
  • Lothar Mertens: Alija. Die Emigration der Juden aus der UdSSR/GUS. 1993, ISBN 3-8196-0122-8.
  • Julian Grzesik: Alija nach der Zerstreung Israels. Bibel und Fakten. Drei Bände, Lublin 1989.
Erlebnisberichte
  • Jay und Meridel Rawlings: Alija. Rückkehr ins gelobte Land. Schulte + Gerth Aßlar, 1984, ISBN 3-87739-551-1.
Künstlerische Darstellung
  • Wolf Stegemann: Alija - Die Wiedergeburt Israels. 25 Lithografien von Salvador Dali. Dorsten 1993.

Weblinks

 Commons: Immigration nach Israel – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelbelege

  1. Alex Bein: Die Judenfrage, Band II, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1980, S. 272, 354.
  2. Alex Bein: Die Judenfrage, Band II, Stuttgart 1980, S. 354.
  3. Tom Segev : Es war einmal ein Palästina - Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. 4. Auflage. Siedler, München 2005, ISBN 3-88680-805-X, S. 244f.

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