Habsburger-Gesetz

Habsburger-Gesetz

Das sogenannte Habsburger-Gesetz (HabsbG) betraf die Rechte der Familie Habsburg-Lothringen in Österreich nach dem Ersten Weltkrieg.

Inhaltsverzeichnis

Erste Republik

Kaiser Karl stand nach seiner Verzichtserklärung vom 11. und der Ausrufung der Republik am 12. November 1918 vor der Wahl, formell abzudanken und als Bürger der Republik in Österreich zu bleiben oder nicht abzudanken und auszureisen oder interniert zu werden.

Nach seiner Ausreise in die Schweiz, bei der er am 23. März 1919 im Feldkircher Manifest seine Verzichtserklärung widerrief, beschloss das Parlament des Staates Deutschösterreich auf Initiative des damaligen Staatskanzlers Karl Renner das Gesetz betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen vom 3. April 1919.

Der im Ausland lebende ehemalige Träger der Krone wurde auf Dauer des Landes verwiesen, die anderen Mitglieder der Familie nur insoweit, als sie nicht auf die Zugehörigkeit zum Haus Habsburg mit seinen Herrschaftsansprüchen verzichteten und sich als Bürger der Republik bekannten. Das staatliche, aber in der Verwaltung des kaiserlichen Hofes gestandene hofärarische Vermögen wurde der Staatsverwaltung unterstellt. Die so genannten Privat- und Familienfonds des Hauses Habsburg, meist vom jeweiligen Oberhaupt des Hauses verwaltetes gemeinsames Familienvermögen, wurden enteignet und ins Staatseigentum übergeführt. Persönliches Privateigentum blieb erhalten.

Mit dem Adelsaufhebungsgesetz wurde, ebenfalls am 3. April 1919, der Adel in Deutschösterreich abgeschafft.

Nachdem die Familie Habsburg die Verfügung über diverse Stiftungen und Fonds als persönlichen Privatbesitz verlangte und um damit zusammenhängende Unklarheiten auszuschalten, wurde das Habsburger-Gesetz am 30. Oktober 1919, rückwirkend per 3. April, ergänzt und ausdrücklich festgehalten, welche beanspruchten Fonds bzw. Stiftungen insbesondere als enteignet gelten.

Mit dem Inkrafttreten der österreichischen Bundesverfassung 1920 wurde das Gesetz in Verfassungsrang gehoben. Die Bestimmungen des HabsbG hinsichtlich der Enteignung wurden jedoch 1922 im Burgenland anlässlich dessen späteren Anschlusses an Österreich ausdrücklich nicht in Kraft gesetzt. Aus realpolitischen Gründen wollte man die burgenländischen Adeligen (darunter auch Mitglieder der Familie Habsburg) pro-österreichisch stimmen. Daher bezeichneten es Kritiker als fraglich, ob die Enteignungsbestimmungen (das wäre Verfassungsrecht, das nicht im gesamten Staatsgebiet einheitlich gilt) seit diesem Zeitpunkt noch Rechtsgeltung im Verfassungsrang besitzen oder seit damals als einfache Gesetzesbestimmungen anzusehen sind. Gesetzgebung und Verfassungsgerichtshof gingen jedoch davon aus, dass es sich um gültiges Verfassungsrecht handelt. Per 1. Jänner 2008 wurde im Bundesverfassungsrechtsbereinigungsgesetz[1] festgestellt, dass diese Bestimmungen auch im Burgenland als Verfassungsgesetze gelten.

Ständestaat und NS-Zeit

Das HabsbG wurde unter Bundeskanzler Kurt Schuschnigg am 13. Juli 1935 zur Zeit des austrofaschistischen Ständestaats aus dem Verfassungsrang in den einfachen Gesetzesrang zurückgestuft, die Landesverweisung aufgehoben. Der Familienversorgungsfonds der Familie Habsburg wurde wiederhergestellt, dem Fonds beträchtliches Vermögen rückerstattet.

Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich erließ Reichsstatthalter Arthur Seyss-Inquart, Chef der „Österreichischen Landesregierung“, am 14. März 1939 auf Grund eines persönlichen Führerbefehls Hitlers das „Gesetz über die Rückgängigmachung der Ausfolgung von Vermögen an das Haus Habsburg-Lothringen“, mit dem das Vermögen entschädigungslos dem „Land Österreich“, Bestandteil des „Großdeutschen Reiches“, zufiel.

Zweite Republik

Die Zweite Republik setzte 1945 die Bundesverfassung 1920/1929 mit dem Stand von 1933 wieder in Kraft und damit automatisch auch das Habsburger-Gesetz von 1919. Mit dem Verfassungs-Überleitungsgesetz wurden alle zwischen 1933 und 1945 erlassenen Verfassungsgesetze und alle einfachen Gesetze, die nicht mit der bis 1933 geltenden Verfassung vereinbar waren, außer Kraft gesetzt. Damit war die Rechtslage der ersten Republik wiederhergestellt.

Die 1939 erfolgte Enteignung konnte bisher nicht angefochten werden, da der Eigentümer des Habsburger Vermögens im Jahr 1938 (der Fonds) nach 1945 im Stiftungs- und FondsG nicht als ein wiedererrichtbarer Fonds angeführt ist, damit nicht wieder errichtet werden konnte und gemäß diversen höchstgerichtlichen Urteilen einzelnen Familienmitgliedern keine Klagslegitimation zukommt. Klagslegitimation würde nur dem nicht-wiedererrichtbaren Fonds zukommen. 1955 wurde das Habsburger-Gesetz auf ausdrückliches Verlangen der UdSSR Bestandteil des Staatsvertrages.

Zu zahlreichen internationalen Abkommen nach 1945 (Menschenrechtskonvention, Antidiskriminierungsübereinkommen, etc.) machte die Republik Österreich Vorbehalte, sodass diese Abkommen in Bezug auf die Mitglieder der Familie Habsburg in Österreich nicht in Vollgeltung sind.

Ab 1960 unterschrieben viele Mitglieder des Hauses Habsburg-Lothringen die Verzichtserklärung. 1961 unterschrieb sie auch das Oberhaupt der Familie, der Kaisersohn Otto Habsburg. Seine Einreise verzögerte sich durch die Habsburg-Krise, in der die Rechtsgültigkeit seiner Erklärung bestritten wurde. Am 31. Oktober 1966 reiste Otto von Habsburg das erste Mal wieder ein. In diesem Zusammenhang sah sich der Nationalrat veranlasst, mit SPÖ- und FPÖ-Mehrheit das Habsburgergesetz authentisch zu interpretieren. Ohne Verzichtserklärung wurde 1982 der letzten Kaiserin Zita die Einreise erlaubt, da sie dem Haus Habsburg nur angeheiratet war und niemals Herrscherrechte beanspruchen hätte können. Eine Restauration der Monarchie ist derzeit unrealistisch.

Mitglieder der Familie Habsburg und anderer Familien, „die ehemals regiert haben“, sind nach Art. 60 Abs. 3 der Bundesverfassung zudem vom Amt des Bundespräsidenten ausgeschlossen.

Die Familie Habsburg suchte bzw. sucht Rechtsmittel gegen die vermögensrechtichen Bestimmungen des Habsburger-Gesetzes: Die finanziellen Forderungen (darunter Schlösser, Zinshäuser in Wien und ungefähr 27.000 Hektar Grund mit einem geschätzten Gesamtwert von 200 Millionen Euro) sind beträchtlich. Sie wurden bis jetzt aber durch die Spruchpraxis der österreichischen Höchstgerichte aus formellen Gründen abgewiesen oder zurückgewiesen.

Aus heutiger Sicht bleibt juristisch die Frage offen, ob die 1919 erlassenen Enteignungsbestimmungen mit der erfolgten Enteignung von 1919 ihren rechtlichen Zweck erfüllt haben und damit für das weitere Geschehen keine Rechtswirksamkeit mehr besitzen (juristisch: konsumiert sind) oder ob sie ein dauerndes Rückgabeverbot implizieren.

Im Bericht der Historikerkommission[2], die 1998-2003 amtierte, wurde ein Rückgabeverbot verneint, während die Schiedsinstanz[3] ein solches Rückgabeverbot als offensichtlich ansah.

Die Schiedsinstanz des Allgemeinen Entschädigungsfonds (Entscheide 5/2004, 6/2004, 7/2004) hat sich auf Anträge der Familie Habsburg aus verfassungsrechtlichen bzw. völkerrechtlichen Gründen für unzuständig erklärt. Der österreichische Verfassungsgerichtshof hat sich in einer anschließenden Beschwerde der Familie Habsburg hinsichtlich Entscheidungen der Schiedsinstanz ebenfalls für unzuständig erklärt, wobei der Präsident des österreichischen VfGH Korinek die Familie Habsburg auf die Möglichkeit der Zivilrechtsklage hinwies - offenbar unter der Fiktion, dass der Familienversorgungsfonds 1938 nicht untergegangen ist, demnach nicht wieder zu errichten war und noch immer besteht. Die Entscheidung einer österreichischen Instanz wurde von der Familie seither nicht angestrebt.

Diskussion

In der Diskussion über das Thema verweisen Befürworter der seinerzeitigen Enteignung darauf, „die Habsburger“ seien am Ersten Weltkrieg schuld gewesen. Das entzogene Vermögen sei nur eine symbolische Kompensation des durch die Entscheidung zum Krieg entstandenen Schadens.

Befürworter der Rückgabe der Familienfonds argumentieren damit, die vom Habsburger-Gesetz vorgesehene Verwendung der Erlöse der Güter für Kriegsopfer sei überholt, da kein Opfer des Ersten Weltkriegs mehr am Leben sei. Außerdem machen sie geltend, dass die Familie Habsburg-Lothringen am Krieg nicht schuld sei, weil es sich um keine Entscheidung der Familie gehandelt habe. Kaiser Franz Joseph I. habe diese Entscheidung ohne Beratung mit oder Zuspruch von Familienmitgliedern getroffen. Es handle sich daher um heute verpönte Sippenhaftung und um extreme Ungleichbehandlung, da keine andere österreichische Adelsfamilie enteignet worden sei.

Quellen

  1. Rechtsinformationssystem des Bundeskanzleramtes
  2. Historikerkommission über den Vermögensentzug während der NS-Zeit
  3. Schiedsinstanz des Allgemeinen Entschädigungsfonds

Weblinks


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