Haarhausen (Wachsenburggemeinde)

Haarhausen (Wachsenburggemeinde)
Haarhausen
Koordinaten: 50° 52′ N, 10° 54′ O50.862510.897222222222275Koordinaten: 50° 51′ 45″ N, 10° 53′ 50″ O
Höhe: 275 m ü. NN
Einwohner: 600
Eingemeindung: 30. Juni 1994
Postleitzahl: 99310
Vorwahl: 03628
Blick auf den Ort von Südwesten

Haarhausen ist ein Dorf der Wachsenburggemeinde im Ilm-Kreis, an der Bahnstrecke Erfurt–Arnstadt und fünf Kilometer von der Bundesautobahn 4 entfernt gelegen. Es hat etwa 600 Einwohner.

Inhaltsverzeichnis

Geografie und Geologie

Der Steinbruch am Südrand des Dorfes
Der Vasold-Bach am Südrand von Haarhausen

Haarhausen liegt am Übergang des Thüringer Waldes zum Thüringer Becken auf einer Hohe von etwa 275 m ü. NN.

Während das Gelände nördlich des Dorfes flach ist, wird der West- Südrand von einer Hügelkette (Rückberg mit 329 m ü. NN, Ziegenberg mit 333 m ü. NN und Kalkberg mit etwa 300 m ü. NN) begrenzt, die ein Teil der so genannten Eichenberg–Gotha–Saalfelder Störungszone ist, die durch das Abbrechen der Scholle des Thüringer Beckens während des Heraushebens des heutigen Thüringer Waldes im Tertiär entstanden ist. An der Straße (Kreisstraße K 24) nach Holzhausen sind in einem ehemaligen Steinbruch die damit verbundenen Gesteinsverwerfungen gut sichtbar und dokumentiert. Dieser Steinbruch erhielt im Jahr 1959 den Status eines Flächennaturdenkmals ("FND Schottergrube") und ist Teil des Geoparks Drei Gleichen.

Der Ort wird von Süd nach Nord vom Vasold-Bach (entspringt in einem Teich westlich von Holzhausen) durchflossen, der sich nördlich des Sportplatzes mit dem südlich der Ortslage entspringenden Roßbach vereinigt und über den Schlammgraben und den Weidbach in die Apfelstädt entwässert.

Geschichte

Brennofen für Keramik auf dem Gelände für experimentelle Archäologie
Haarhausen mit Wachsenburg, 1884

Der Name des Ortes leitet sich vom althochdeutschen hora (= Sumpf) ab, was auf die feuchten Niederungen nördlich des heutigen Dorfes hinweist. Zu Beginn des 9. Jahrhundert wird Haarhausen in einem Verzeichnis der von Erzbischof Lullus († 786) von Mainz für das Klosters Hersfeld von Freien verliehenen Gütern erstmals urkundlich als Horhusun erwähnt. In der Umgebung lassen sich aber noch frühere Siedlungen aus dem 4. oder 5. Jahrhundert nachweisen. Dies ist das Resultat von in den 1980er Jahren durchgeführten Ausgrabungen. Erforscht wurde der historische Untergrund in einer dreijährigen Ausgrabungskampagne, die zur Hypothese einer römischen Siedlung auf freigermanischem Boden im 3. Jahrhundert Wichtiges beitrug. Im Ergebnis dieser Ausgrabungen errichtete das Weimarer Museum für Ur- und Frühgeschichte Thüringens am westlichen Dorfrand ein Gelände für experimentelle Archäologie und ein Töpfereimuseum, dessen wichtigstes Exponat ein rekonstruierter germanischer Brennofen für Keramik ist (siehe dazu auch: Geschichte Thüringens).

Im Jahr 1451 wurde von Haarhausen aus durch die Bürger Erfurts die nahe gelegene Veste Wachsenburg, eine der Drei Gleichen erobert, deren damaliger Besitzer, der Raubritter Apel von Vitzthum die vorbeiziehenden Handelsleute ausrauben ließ.

Blick vom Kirchturm

Wie viele Dörfer in Deutschland war auch Haarhausen stark vom Dreißigjährigen Krieg betroffen. Nach dessen Ende 1648 setzte eine rege Bautätigkeit ein. Viele Häuser des alten Ortskerns stammen aus dieser Zeit. Das Dorf selbst war dann über viele Jahrhunderte von der Landwirtschaft geprägt, wobei es aber keinen Großgrundbesitz gab. Es setzte sich der Protestantismus als vorherrschende Religion im Dorf durch. Von 1697 bis 1918 gehörte das Dorf zum Herzogtum Sachsen-Gotha, danach zum Kreis Arnstadt des neu geschaffenen Landes Thüringen. Zu dieser Zeit wohnten etwa 450 Einwohner in Haarhausen. Im Jahre 1867 erhielt Haarhausen einen Haltepunkt an der Bahnstrecke Neudietendorf–Ritschenhausen.

Ein wesentlicher Umbruch für das Dorf war die Bildung der LPG im Jahre 1960, die das Ende der bis dahin betrieblichen einzelbäuerlichen Wirtschaften bedeutete und auch deutliche Spuren im Aussehen der Flure hinterließ. Außerdem wurden am nordwestlichen Ortsrand große Stallungen gebaut, zunächst unter dem Einfluss der sowjetischen Landwirtschaftspolitik als Offenställe. Die LPG wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren zusammen mit denen der Nachbardörfer als LPG Pflanzenproduktion und LPG Tierproduktion umstrukturiert. Heutiger Rechtsnachfolger ist die Agrargenossenschaft Thörey.

1972 stießen in der Nähe des Bahnhofs zwei Personenzüge zusammen. Bei diesem Zugunglück starben drei Menschen.

Nach der Wende setzte am Nordrand des Dorfes eine rege Bautätigkeit ein, es entstand das Wohngebiet Zur Aue, wo hauptsächlich Bewohner der nahe gelegenen Städte ihre Eigenheime auf der grünen Wiese bauten.

Im Zuge der Gemeindereform in Thüringen verlor das Dorf 1994 den Status einer eigenständigen Gemeinde und ist heute neben Holzhausen, Sülzenbrücken, Röhrensee und Bittstädt einer von fünf Ortsteilen der Wachsenburggemeinde.

Sehenswürdigkeiten

Kirche St. Nikolaus

Dorfkirche Sankt Nikolaus (Lage→50.86357386194410.898743271944)
Ansicht von Südwesten

Man betritt den von einer starken Mauer umgebenen Kirchhof durch ein hohes Tor. Die Kirche in ihrer heutigen Form wurde etwa Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut, ihre Ursprünge gehen aber auf das Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Sie war einstmals befestigt und bot den Bürgen bei einem Angriff von Feinden Schutz. Man legte bei Ausgrabungen vor einigen Jahren Fundamente frei, die darauf schließen lassen, dass es an der Mauer Vorratskeller gegeben hat.

Über das Entstehungsjahr der Kirche ist nichts Genaues bekannt. Sie soll ursprünglich eine Kapelle gewesen sein, an die man später ein Kirchenschiff anbaute. Dieses war jedoch schon 1684 so baufällig, dass man die Hälfte zum Turm hin abreißen musste und bis 1703 neu erbaute. Der Turm ist vermutlich auch der älteste Teil der Kirche. Somit stellt sich das durch ein Kreuzgewölbe überspannte Turmerdgeschoss als ältester Raum der Kirche dar.

Ein bemerkenswertes Jahr in der Dorfhistorie war das Jahr 1972, als im Sommer durch Brandstiftung die Kirche, eine Lagerhalle der LPG und eine Scheune schwer beschädigt wurden. Um weitere Schäden zu vermeiden, wurde sofort danach eine Notreparatur des Kirchendachs vorgenommen. Weil der kostbare Kanzelaltar nicht brannte, blieb er erhalten, obwohl sich unmittelbar vor ihm ein Brandnest befand. Anders erging es der wertvollen Orgel von 1785. Sie wurde durch den Brand vernichtet. Noch zwei Tage vor dem Brand hatte man eine Kostenschätzung der Orgel-Restaurierung vorgenommen. Im Juli 1983 wurde eine neue Orgel eingeweiht, die vom Orgelbauer Böhm aus Gotha stammt.

Im Rahmen der Vorbereitung zur 1200-Jahr-Feier des Dorfes im Jahr 1986 wurde der alte Zementputz abgeschlagen und die Kirche rekonstruiert. Dabei wurden auch alte Baustoffe wie Eier, Quark und Rinderhaare zur Verfugung des Kirchturmes verwendet. Im Zuge dieser Arbeiten wurden die rundbogigen Schallöffnungen im Turm wieder freigelegt. Form und Stil weisen darauf hin, dass sie etwa zur gleichen Zeit wie der Palas auf der Wartburg erbaut sind, also um 1180. Der Turm trug ursprünglich steinerne Zinnen um die Spitze, was seine Wehrhaftigkeit unterstrich. Die Zinnen samt Umgang wurden 1887 entfernt und stattdessen ein schmiedeeisernes Geländer angebracht, das heute noch zu sehen ist. 1991 wurde die Turmuhr auf eine elektronische Steuerung umgestellt.[1]

Gemeindesaal

An die Gemeinde-Gaststätte ist der im Jahre 2000 restaurierte Gemeindesaal angeschlossen, der mit seinen Medaillonporträts u. a. von Goethe, Schiller, Beethoven und Wagner sowie weiteren Verzierungen eine Ausnahmestellung einnimmt.

Sonstiges

  • Der Ort liegt am Otto-Knöpfer-Weg.
  • Auf dem bereits erwähnten Ziegenberg im Süden des Ortes wurde ein Bereich als "Flächennaturdenkmal auf dem Weihersberg" deklariert.

Kultur

Vereinsleben

Das Vereinsleben wird durch die Freiwillige Feuerwehr und die Fußballmannschaft SG Wachsenburg Haarhausen-Sülzenbrücken e.V. geprägt. Der Haarhäuser Karnevals-Verein wurde 1970 gegründet und ist mit über 120 Mitgliedern der größte Verein im Ort.

Persönlichkeiten

  • In Haarhausen wurde der Schriftsteller Martin Stade geboren und wuchs dort auf. Viele seiner Bücher handeln vor dem Hintergrund seiner thüringischen Heimat.
  • Weiterhin wurde hier 1872 der später nach Ungarn ausgewanderte Tiermaler Arthur Heyer geboren.

Literatur

  • Marko Schubert: Haarhausen. Dorfkirche St. Nikolaus. In: Mathias Werner (Hrsg.): Romanische Wege um Arnstadt und Gotha. Verlag und Datenbank für Geisteswissenschaften, Weimar 2007, ISBN 978-3-89739-549-7, S. 147–151.

Weblinks

 Commons: Haarhausen (Wachsenburggemeinde) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dirk Koch: Dorfkirchen rund um die Drei Gleichen. TGI Trachtengruppe Ingersleben, 2006

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Haarhausen — Der Begriff Haarhausen bezeichnet: Haarhausen (Borken), ein Ortsteil der Stadt Borken in Hessen Haarhausen (Hilchenbach), ein Ortsteil der Stadt Hilchenbach in Nordrhein Westfalen Haarhausen (Homberg), ein Ortsteil der Stadt Homberg (Ohm) in… …   Deutsch Wikipedia

  • Wachsenburggemeinde — Wappen Deutschlandkarte …   Deutsch Wikipedia

  • Wachsenburggemeinde — Infobox German Location image photo = Wappen = Wappen Wachsenburggemeinde.jpg lat deg = 50 |lat min = 51 |lat sec = 8 lon deg = 10 |lon min = 53 |lon sec = 1 Lageplan = Bundesland = Thüringen Landkreis = Ilm Kreis Höhe = 268 Fläche = 31.99… …   Wikipedia

  • Holzhausen (Wachsenburggemeinde) — Blick auf Holzhausen von Nordosten Holzhausen ist ein Ortsteil der Wachsenburggemeinde im Thüringer Ilm Kreis. Er liegt direkt am östlichen Fuß der Veste Wachsenburg, mit deren Geschichte der Ort eng verbunden ist. Das Dorf liegt 291 m ü. NN. Mit …   Deutsch Wikipedia

  • Römische Töpferei von Haarhausen — Nachbildung eines römischen Töpferofens auf dem Gelände für experimentelle Archäologie Die römische Töpferei von Haarhausen war eine Töpferei in römischer Bauart, die sich in der Flur zwischen den Dörfern Haarhausen und Sülzenbrücken am Südrand… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Ortsteile in Thüringen — keine politisch selbstständigen Gemeinden Orte mit angelegten Artikeln Siehe auch: Städte und Gemeinden in Thüringen Verwaltungsgemeinschaften in Thüringen A Abteroda (zu Berka/Werra) Achelstädt (zu Witzleben) Alach (zu Erfurt) Albrechts (zu… …   Deutsch Wikipedia

  • Artur Heyer — Selbstportrait, 1929 Arthur Heyer (* 28. Februar 1872 in Haarhausen; † 1931 in Budapest) war ein deutsch ungarischer Maler, vorrangig von Tiermotiven. Leben Arthur Heyer wurde 1872 in Haarhausen in Thüringen als zweiter Sohn des dortigen… …   Deutsch Wikipedia

  • Königreich Thüringen — Dieser Artikel beschreibt die Geschichte des Landes Thüringen. Sie beginnt im Wesentlichen mit dem Reich der Thüringer (Doringi), welches im Jahr 531 unterworfen und ins Frankenreich eingegliedert wurde. Zur Zeit der Landgrafschaft Thüringen gab… …   Deutsch Wikipedia

  • Landgraf von Thüringen — Dieser Artikel beschreibt die Geschichte des Landes Thüringen. Sie beginnt im Wesentlichen mit dem Reich der Thüringer (Doringi), welches im Jahr 531 unterworfen und ins Frankenreich eingegliedert wurde. Zur Zeit der Landgrafschaft Thüringen gab… …   Deutsch Wikipedia

  • Landgrafschaft Thüringen — Dieser Artikel beschreibt die Geschichte des Landes Thüringen. Sie beginnt im Wesentlichen mit dem Reich der Thüringer (Doringi), welches im Jahr 531 unterworfen und ins Frankenreich eingegliedert wurde. Zur Zeit der Landgrafschaft Thüringen gab… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”