Haakjöringsköd-Fall

Haakjöringsköd-Fall

Der Haakjöringsköd-Fall ist ein berühmter deutscher Rechtsstreit, den das Reichsgericht am 8. Juni 1920 entschied.[1]

Inhaltsverzeichnis

Sachverhalt

Der Kläger kaufte am 18. November 1916 beim Beklagten per Dampfer „Jessica“ 214 Fass Haakjöringsköd aus Norwegen zu einem Preis von 4,30 Mark pro Kilogramm. Dabei gingen beide Parteien davon aus, dass es sich bei Haakjöringsköd um Walfleisch handele. Tatsächlich bezeichnet im Norwegischen der Begriff „Haakjöringsköd“ (eigentlich: haakjærringkjøt, nach heutiger Rechtschreibung: håkjerringkjøtt) jedoch Haifischfleisch: Håkjerring ist der Grönlandhai. Ende November 1916 zahlte der Käufer dem Verkäufer den vollen Kaufpreis.

Beim Eintreffen des Dampfers im Hamburger Hafen stellte sich heraus, dass die bestellten Fässer Haifischfleisch enthielten. Im Gegensatz zu Walfleisch gab es bei Haifischfleisch als Folge des Ersten Weltkriegs allerdings Einfuhrbeschränkungen, sodass die staatliche Zentral-Einkaufsgesellschaft mbH die Ladung beschlagnahmte und dem Käufer einen Übernahmepreis zahlte. Dieser Preis lag jedoch erheblich unter dem bereits gezahlten Kaufpreis; die Differenz betrug 47.515,90 Mark.

Das Landgericht Hamburg (Kammer für Handelssachen) gab der Klage des Käufers gegen den Verkäufer auf Zahlung von 47.515,90 Mark statt. Die Berufung des Verkäufers vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg wurde zurückgewiesen. Auch vor dem Reichsgericht hatte der Verkäufer keinen Erfolg.

Bedeutung

Bedeutend ist der Fall, da das Reichsgericht festgestellt hat, dass zwischen dem Käufer und dem Verkäufer ein Vertrag über Walfleisch zustandgekommen war, obwohl beim Vertragsschluss beide den Ausdruck Haakjöringsköd verwendet hatten. Der Fall ist somit ein Musterbeispiel für den Grundsatz falsa demonstratio non nocet.

Ausschlaggebend für dieses Ergebnis ist § 133 BGB. Danach ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Die Parteien haben hier subjektiv etwas anderes gewollt, als sie objektiv erklärt haben und sich damit über den Inhalt ihrer Erklärungen geirrt. In dieser Konstellation bestand kein Grund die Parteien an der falschen Bezeichnung festzuhalten, da sie dasselbe gewollt hatten.

Der Fall betrifft zudem noch andere Fragen, die aber mittlerweile als geklärt gelten oder aber durch das heute geltende Recht nicht mehr relevant sind: Die Parteien hatten einen Vertrag über Walfleisch geschlossen, der Verkäufer hatte jedoch Haifischfleisch geliefert. Damit stellten sich für das Reichsgericht vor allem die Fragen nach dem Fehlerbegriff des § 459 BGB a.F. und der Möglichkeit der Anfechtung des Vertrages gemäß § 119 Abs. 2 BGB.

Wie die Trierer Weinversteigerung ist Haakjöringsköd einer der klassischen Fälle, denen Jurastudenten im ersten Semester begegnen.

Siehe auch

Literatur

  • Albrecht Cordes: Der Haakjöringsköd-Fall. Jura 1991, 352.
  • Michael Martinek: Haakjöringsköd im Examinatorium. JuS 1997, 136.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Aktenzeichen II 549/19, RGZ 99, 147.
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