HS-30-Skandal

HS-30-Skandal
Schützenpanzer HS 30 im Juni 1965
Schützenpanzer HS 30

Der HS-30-Skandal (bzw. Hispano-Suiza-Skandal) der 1960er Jahre war der bis dahin größte deutsche Rüstungsskandal. Es handelte sich um die Beschaffung des Schützenpanzers HS 30 für die Bundeswehr, die offenbar nur getätigt wurde, weil mit dem Geschäft Schmiergeldzahlungen an mehrere an der Beschaffungsentscheidung beteiligte Personen verbunden waren.

Inhaltsverzeichnis

Die Beschaffung des HS 30

Ab 1953 plante das Amt Blank die Beschaffung von Schützenpanzern für die Bundeswehr, die im Herbst 1955 gegründet wurde. Da die auf dem Markt angebotenen bzw. bei anderen westlichen Armeen eingesetzten Schützenpanzer angeblich für die Bedürfnisse der Bundeswehr ungeeignet waren, wurde die Entwicklung eines neuen Schützenpanzers in Auftrag gegeben.

Konstrukteur war ein ehemaliger französischer Offizier polnischer Herkunft namens André Fürst Poniatowski, der in Paris ein kleines Konstruktionsbüro betrieb. Für den Bau war als Generalunternehmer Hispano-Suiza verantwortlich, ein Unternehmen, das keine Erfahrung im Bau von Panzern hatte. Hispano-Suiza stellte damals Mofas vom Typ Velosolex her, sowie kleinere Waffensysteme. Der Bundesgrenzschutz hatte 1953 von Hispano-Suiza 20-mm-Flugabwehrkanonen erworben, die technisch veraltet und kaum einsetzbar waren. Poniatowski, der kein Ingenieursstudium absolviert hatte, hatte in den 1930er Jahren einen Truppentransporter konstruiert, der jedoch nie in Serie ging.

Beim HS 30 fungierte Hispano-Suiza nur als Generalunternehmer, die Produktion sollte bei den deutschen Unternehmen Hanomag und Henschel sowie bei dem britischen Unternehmen Leyland stattfinden. Am 28. März 1956 präsentierte die Hispano-Suiza dem Verteidigungsausschuss des Bundestages ein aus Holz und Pappe bestehendes verkleinertes Modell des geplanten HS 30.

Am 3. Juli 1956 erklärte Ministerialdirektor Wolfgang Holtz vor dem Verteidigungsausschuss, die Serienreife des Schützenpanzers sei ausreichend geprüft worden, während Oppositionsabgeordnete (u. a. Helmut Schmidt) forderten, vor der endgültigen Entscheidung über die Beschaffung einer großen Stückzahl zunächst einige Prototypen zu ordern. Am 5. Juli 1956 beschlossen der Verteidigungs- und der Haushaltsausschuss in gemeinsamer Sitzung eine Bindungsermächtigung für die Beschaffung von 10.680 Stück des HS 30 in Höhe von 2,78 Milliarden DM.

Um die Jahreswende 1957/1958 fanden Probefahrten mit den ersten Exemplaren des HS 30 statt, bei denen sich erhebliche technische Mängel zeigten. Es kam zu langen Verzögerungen der Auslieferungen, schließlich erhielt die Bundeswehr zwischen September 1959 und Februar 1962 2.176 Stück des HS 30 für 517 Millionen DM.

Bereits unmittelbar nach der Auslieferung fielen hohe Kosten für Reparaturen und Umrüstungen an, die vor allem Getriebe, Kühlsysteme und Ketten betrafen. Der Motor war viel zu schwach, weil er ursprünglich für ein Gewicht von 9 t (statt der nach Änderungen der Konstruktion erreichten 14,5 t) ausgelegt war. Eine Absaugturbine erzeugte ein laut heulendes Geräusch, Motorpannen konnten nur in einer Werkstatt mit Grube behoben werden, nicht aber auf dem Übungsplatz, weil der Motorraum nur von unten zugänglich war.

Fragwürdig war auch die geplante Zahl von über 10.000 Exemplaren, die weit über dem Bedarf gelegen hätte.

Aufdeckung des Skandals

Durch Recherchen von Journalisten der Frankfurter Rundschau und des Nachrichtenmagazins Deutsches Panorama wurde ein Zusammenhang der Beschaffung des HS 30 mit Schmiergeldzahlungen an mehrere Personen hergestellt. Auf Antrag der FDP richtete der Deutsche Bundestag 1967 einen Untersuchungsausschuss ein, der zahlreiche Zeugen vernahm und 1969 einen Bericht veröffentlichte.

Unter den Empfängern von Schmiergeldzahlungen war unter anderem der persönliche Referent des damaligen Verteidigungsministers Franz Josef Strauß, Werner Repenning gewesen, der 2,3 Millionen DM erhalten haben soll. Der CDU-Politiker Otto Lenz soll 300.000 DM erhalten haben, die gleiche Summe soll der Arzt und mutmaßliche Waffenhändler Otto Praun erhalten haben. Dieser wurde 1960 ermordet; für den Mord wurden Prauns Erbin Vera Brühne und deren Bekannter Johann Ferbach zu lebenslanger Haft verurteilt; an deren Täterschaft bestehen aber erhebliche Zweifel. Lenz selbst verstarb 1957, bevor er vor dem Untersuchungsausschuss aussagen konnte, unter merkwürdigen Umständen in Neapel. Seine Sekretärin und Geliebte weigerte sich für eine Befragung durch den Untersuchungsausschuss nach Deutschland zu kommen, weil sie sich bedroht fühlte; sie bestätigte die Bestechung aber gegenüber einem Abgesandten des Ausschusses.

Nach Aussagen eines Zeugen (Dr. Werner Plappert, Fabrikant, CDU-Politiker und ehemaliger Oberbürgermeister von Heidenheim), der 1974 tot im Bodensee aufgefunden wurde, soll die CDU im Zusammenhang mit der HS-30-Beschaffung 50 Millionen DM für die Finanzierung des Bundestagswahlkampfes 1957 entgegengenommen haben: „auf deutscher Seite war das Panzergeschäft nur ein Mittel zur illegalen Parteienfinanzierung. Was dann geliefert wurde, war sekundär“ (Aussage vor dem Ausschuss). Plappert hatte bereits frühzeitig den deutschen Botschafter in der Schweiz informiert, dieser wiederum hatte an Konrad Adenauer geschrieben. Seine Unterlagen übergab Plappert an Reinhard Gehlen, den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, der sie mit dem Vermerk Erledigt ablegte.

Dokumentationen

  • Jean-Michel Meurice: Schwarze Kassen. Dokumentarfilm, ARTE France, Maha und Anthracite (70’), Frankreich 2008

Literatur

Weblinks


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