H. Berthold AG

H. Berthold AG
H. Berthold AG
Rechtsform Aktiengesellschaft
Gründung 1858
Auflösung 1993
Sitz Teltowkanalstr. 1–4, Berlin
Branche Schriftgießerei

Das Unternehmen H. Berthold AG wurde 1858 von Hermann Berthold als „Institut für Galvanotypie“ gegründet und 1896 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Zu Beginn stellte das Unternehmen Messinglinien her und führte galvanoplastische Arbeiten für den Buchdruck durch. Später kam die Schriftgießerei hinzu und das Unternehmen wurde in den 1920er Jahren zur weltweit größten Schriftgießerei.[1] Später produzierte die H. Berthold AG Geräte für den Fotosatz, ein Kernbestandteil des Unternehmens blieb jedoch stets die Schriftenproduktion. 1993 musste die H. Berthold AG aufgrund Überschuldung Konkurs anmelden und wurde mit Beschluss des Berliner Konkursgerichtes liquidiert.

Inhaltsverzeichnis

Der Gründer Hermann Berthold

Hermann Berthold

1858 gründete Hermann Berthold in Berlin ein Institut für Galvanotypie, das sich mit der Verstählung von Kupferplatten und galvanoplastischen Arbeiten für den Buchdruck befasste. Ab 1861 arbeitete Berthold für drei Jahre mit G. Zechendorf zusammen und gliederte dem Betrieb eine Schriftgießerei, eine Messinglinienfabrik und eine Werkstatt für Stereotypie an. Das Unternehmen hieß in dieser Zeit „Zechendorf & Berthold“. Nach der Trennung von Zechendorf konzentrierte sich Berthold auf Messinglinien, Galvanoplastik und Werkzeugherstellung. In dieser Zeit erfand er unter anderem den Keilhebelverschluss am Winkelhaken. Das Unternehmen baute die Messinglinienproduktion aus und stellte als erstes Linien in Achtelpetitstärke her. Berthold führte ab 1878 mit dem Typometer das deutsche Normalsystem für die Schrifthöhe ein. Fortan verwendeten die Druckereien Schriftmaterial in einheitlicher Höhe und Berthold konnte einen einheitlichen Markt beliefern. Der Gründer Hermann Berthold gab die Leitung seines Unternehmens am 14. März 1888 an seinen Nachfolger Alfred Selberg ab.

Entwicklung der Aktiengesellschaft

Original-Aktie der H. Berthold AG (März 1988)

Selberg leitete bis 1891 das Unternehmen, sein Nachfolger wurde Balthasar Kohler, der dem Betrieb seit 1880 angehörte und ihn in eine Kommanditgesellschaft umwandelte, die „H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei“ hieß. 1894 wurde in Berlin das Nachbargrundstück gekauft, um ein Jahr später darauf einen Erweiterungsbau zu errichten. Am 11. März 1896 wurde das Unternehmen in eine Aktiengesellschaft – der Hermann Berthold AG – umgewandelt. Balthasar Kohler wurde ihr Direktor.

H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei

Das Unternehmen Berthold betrieb eine stetige Politik des Expandierens und des Aufkaufens. Zahlreiche Schriftgießereien im In- und Ausland wurden übernommen. In Deutschland wurden Zweigniederlassungen gegründet und Betriebe erweitert. Den Anfang machte 1893 der Kauf der Schriftgießerei Gustav Reinhold, durch deren Geschäftsbeziehungen zum Ausland Kontakte nach Dänemark, Schweden und Finnland geknüpft wurden. Reinhold wurde auch Teilhaber der Gesellschaft und Mitglied des Vorstands. Vier Jahre danach erwarb man die Schriftgießerei Bauer & Co. in Stuttgart und gliederte ihr eine Messinglinienfabrik an.

Weitere Ankäufe erfolgten 1900 mit der Gießerei Georg Russ & Co. in Petersburg, einer Gießerei in Moskau im Jahr 1901 und der Gießerei Rust & Co. in Wien im Jahr 1905. Im Vorstand löste Dr. Oskar Jolles Reinhold ab. Im Inland wurde die Hauptfiliale in Berlin durch Neubauten mehrere Male vergrößert, zuletzt im Jahr 1910, als der dritte Neubau bezogen wurde. Mit der Gründung einer Zweigniederlassung in Leipzig-Paunsdorf im Jahr 1918 wurde das Unternehmen die damals weltweit größte Schriftgießerei. Die Zahl der lieferbaren Schriften nahm dabei zu, da mit dem Kauf der Gießereien auch ihr Schriftenprogramm mit übernommen wurde.

Im Jahr 1911 erschien die „Hauptprobe“ des Unternehmens, ein 850 Seiten starker Schriftmusterband im Oktav-Format. Er enthielt systematisch geordnet Schriftmuster aller lieferbaren Schriften.

Während des Ersten Weltkriegs musste Berthold Einschränkungen erfahren. Steigende Rohstoffpreise und Probleme bei der Energieversorgung schränkten die Produktion ein. Der Kontakt zu Filialen im Ausland riss teilweise ab. Bis 1916 wurden dennoch achtzehn neue Schriften erschaffen. 1917 wurde Erwin Graumann aus der aufgekauften Gießerei Gursch neuer Direktor von Berthold.

Im Jahr 1926 erwarb Berthold zusammen mit der Schriftgießerei D. Stempel AG die Wiener Schriftgießerei Poppelbaum. Die Unternehmen erweiterten ihre Zusammenarbeit, indem Stempel 50% der Anteile an Bertholds Wiener Zweigunternehmen kaufte, im Gegenzug Berthold die Hälfte der Aktien der Ersten Ungarischen Schriftgießerei AG aus dem Besitz von Stempel übernimmt.

Nach weiteren Veränderungen im Vorstand (Oskar Jolles stirbt 1929, der 1918 dazu gekommene Erwin Graumann drei Jahre später) übernehmen 1932 Dipl. Ing. Carl Graumann, Otto Krause und Curt Thier die Leitung des Unternehmens. Im Zweiten Weltkrieg konnte der Umsatz bis 1944 stabil gehalten werden. Nachdem die Budapester Filiale verloren wurde, erhielt 1945 das Haupthaus in Berlin einen Bombentreffer, wodurch das gesamte Schriftenlager abbrannte. Noch im gleichen Jahr fingen die Standorte in Berlin und Stuttgart bereits wieder an, Messinglinien und Handsatztypen zu fertigen.

Einstieg in die Fotosatztechnik

Berthold tps 6300-Erfassungsplatz (links) und tpu 3608-Belichter

Nach dem Tod von Krause und Graumann 1953 und 1956 wird Curt Thier Direktor der Berthold AG. Das Unternehmen beschäftigte sich in den kommenden Jahren stärker mit der neuen Fototechnik. 1951 beteiligte man sich an der Hoh & Hahne Hohlux GmbH, deren Mitbegründer Berthold war. Dieses Unternehmen stellte Reproduktionsgeräte her. Die Entwicklung eigener Fotosatzmaschinen begann mit der Diatype. Ihr Prototyp wurde 1960 auf der Drupa vorgestellt. Berthold stellte weitere Generationen von Fotosatzgeräten her, zunächst mechanische mit Schriftschablonen (z.B. die Diatronic, 1967), später auch elektronisch gesteuerte (z.B. das ads, 1977). Die Produktion von Messinglinien und Schriftmaterial für den Bleisatz wurde am 31. Oktober 1978 aufgegeben. Die eigenen Schriften wurden zu einem großen Teil auch für das neue Satzverfahren umgewandelt.

Die H. Berthold AG war hauptsächlich als Anbieter von Schriften bekannt. Zur Zeit des Fotosatzes war sie jedoch eigentlich mehr eine Maschinenfabrik; der Hauptanteil des Umsatzes wurde mit dem Verkauf von Fotosetzmaschinen erzielt.

Ein Rückgang der Nachfrage nach diesen Produkten brachte die Firma gegen Ende des 20. Jahrhunderts in finanzielle Engpässe. Schließlich musste die H. Berthold AG 1993 aufgrund Überschuldung Konkurs anmelden und wurde mit Beschluss des Berliner Konkursgerichtes liquidiert.

Aus diesem Grund gab es keinen Rechtsnachfolger des Unternehmens, was dazu führte, dass verschiedenste Unternehmen diesen Status für sich beanspruchten und die lizenzierten Schriften der Berthold AG vertrieben. Vor allem über das Auktionshaus Ebay wurden die Schriften zu Schleuderpreisen angeboten. Die Rechtmäßigkeit dieser Angebote ist umstritten.[2]

Ausgewählte Schriften der Berthold AG

Für die H. Berthold AG waren viele auch später bekannte Schriftgestalter tätig. Unter anderem fertigten Günter Gerhard Lange, Bernd Möllenstädt, Georg Salden und Erik Spiekermann Schriften für die Firma.

Literatur

  • H. Berthold AG (Hg.): 100 Jahre Berthold: Festschrift zum einhundertjährigen Jubiläum der H. Berthold Messinglinienfabrik und Schriftgießerei AG. Berthold AG, Berlin 1958.
  • Hermann Hoffmann: Das Haus Berthold: 1858 - 1921. H. Berthold AG, Berlin 1921.
  • Hans-Jürgen Wolf: Geschichte der graphischen Verfahren. Ein Beitrag zur Geschichte der Technik. Historia Verlag, Dornstadt 1990, ISBN 3-980-0257-4-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Siegfried Gronert: Form und Industrie: Wilhelm Braun-Feldweg, Birkhäuser Basel; 2002, ISBN 3764368020
  2. Ulrich Stiehl: Die selbsternannten „Rechtsnachfolger“ der Aktiengesellschaft H. Berthold AG. Abgerufen am 1. März 2010 (PDF).

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Berthold — ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold I. — Berthold ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold II. — Berthold ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold III. — Berthold ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold IV. — Berthold ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold V. — Berthold ist ein männlicher Vor und Familienname. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Verbreitung 3 Namenstage 4 Varianten 5 Bekannte Namensträger …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold Beitz — (1986) Berthold Beitz (* 26. September 1913 in Zemmin) ist ein einflussreicher Manager in der Montanindustrie des Ruhrgebiets. Während des Zweiten Weltkriegs rettete er im von Deutschen besetzten Galizien mehreren hundert jüdischen… …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold Auerbach — Berthold Auerbach, Porträt mit Schriftprobe, Mitte 19. Jahrhundert Berthold Auerbach, eigentlich Moses Baruch Auerbacher, (* 28. Februar 1812 in Horb am Neckar, Ortsteil Nordstetten; † 8. Februar 1882 in Cannes) war ein deutscher Schriftsteller …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold I. von Henneberg — († 29. September 1312 in Münnerstadt) war Bischof von Würzburg von 1267 bis 1274 und Weihbischof in Mainz, belegt von 1307 bis 1312. Inhaltsverzeichnis 1 Herkunft 2 Gegenbischof zu Poppo III. von Trimberg …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold Otto — (* 6. August 1859 in Bienowitz (Landkreis Liegnitz), Schlesien; † 29. Juni 1933 in Berlin) war ein deutscher Reformpädagoge und Gründer der Hauslehrerschule in Berlin Lichterfelde. Inhaltsverzeichnis 1 Leben 2 Pädagogische Ansichten …   Deutsch Wikipedia

  • Berthold XI. von Wintzingerode — (* 1505; † 22. September 1575 in Mainz) war Grundherr der Herrschaft Bodenstein an der nordöstlichen Grenze des Eichsfelds und Offizier in wechselnden Diensten. Seine Eltern waren Heinrich von Wintzingerode (1460 1520) und Anna von Oldershausen.… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”