Günther Franz

Günther Franz

Günther Franz (* 23. Mai 1902 in Hamburg; † 22. Juli 1992 in Stuttgart) war ein deutscher Historiker, der sich hauptsächlich mit Agrargeschichte und der Geschichte des Deutschen Bauernkrieges befasste. Daher rührte auch sein Beiname „Bauern-Franz“.[1].

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach dem Tod seines Vaters, eines technischen Direktors einer Wollkämmerei, zog die Familie nach Greiz. Sein ältester Bruder fiel im Ersten Weltkrieg 1915 in Frankreich. 1921 legte Franz sein Abitur ab. 1922 begann er in Marburg Geschichte und Germanistik zu studieren. Nach zwei Semestern wechselte Franz an die Universität Göttingen. Für ein Gastsemester begab er sich im Winter 1923/24 an die Universität München. Noch während seines Semesters in München begann Franz seine Doktorarbeit über Bismarcks Nationalgefühl zu schreiben. Ein Jahr später hatte er 23-jährig promoviert. Unmittelbar nach seiner Promotion befasste er sich erstmals mit dem Deutschen Bauernkrieg. Daraus entstand 1926 eine Quellensammlung und das Thema für die Habilitation. 1927 wurde er Assistent in Göttingen bei Arnold Oskar Meyer. Franz habilitierte im Mai 1930 bei Wilhelm Mommsen in Marburg. Im Wintersemester vertrat er Wilhelm Schüssler auf dessen Rostocker Lehrstuhl. Im Frühjahr 1935 wurde Franz Nachfolger von Karl Hampe auf dessen Lehrstuhl für mittelalterlicher Geschichte in Heidelberg. Er begann sich bevölkerungsgeschichtlichen Fragen zuzuwenden, woraus seine Studie zum Dreißigjährigen Krieg hervorging. 1936 bekam er einen Lehrstuhl in Jena, und schließlich lehrte er von 1941 bis 1945 als Professor für Erforschung des deutschen Volksköpers an der Reichsuniversität Straßburg.[1] Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor er seine Professur. 1950 war er einer der Gründer der Ranke-Gesellschaft und wurde Schriftleiter der Zeitschrift Das Historisch-Politische Buch.[1] Es dauerte bis 1957, so lange wie bei keinem anderen belasteten Historiker, bis er wieder auf einen Lehrstuhl berufen wurde.[2] An der Landwirtschaftlichen Hochschule in Stuttgart-Hohenheim (der heutigen Universität Hohenheim) übernahm er den neugeschaffenen Lehrstuhl für Agrargeschichte. Von 1963 bis 1967 war er dort als Rektor tätig.

Franz war als bekennender Nationalsozialist ab 1933 Mitglied der NSDAP und der SA. Im Mai 1933 trat er zusätzlich in den Nationalsozialistisch deutschen Lehrerbund (NSLB) und im November in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) ein. Nachdem er im Oktober 1935 zur SS gewechselt war,[1] bekam er 1937 im Rang eines SS-Rottenführers einen Posten am Rasse- und Siedlungshauptamt der SS. Nach seiner Beförderung zum SS-Untersturmführer 1941 erhielt er eine zentrale Rolle im NS-Hauptamt und leistete Spitzeldienste für den SD.[1] Seit 1939 gehörte er dem persönlichen Stab des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg an und wurde Mitarbeiter beim SS-Ahnenerbe.[1] 1943 wurde er zum Ober- und noch im selben Jahr zum Hauptsturmführer (entspricht dem Dienstgrad Hauptmann) befördert. In zahlreichen seiner Werke während der NS-Zeit lieferte er eine ideologische Grundlage für die deutsche Expansionspolitik im Osten. Ebenso propagierte er eine jüdische Zersetzung der katholischen Kirche, wodurch Reformation und Dreißigjähriger Krieg erst ausgelöst worden seien. Nach Ernst Klee vertrat er unter anderem die These, „die Machtergreifung Hitlers sei die Vollendung der Ziele des Bauernkriegs von 1525“ gewesen.[3]

Nach dem Krieg bestritt er, dass er sich je vom Nationalsozialismus „vereinnahmen“ ließ. Das von Franz 1952 mitbegründete und auch in zweiter Auflage 1973–1975 mitbearbeitete Biographische Wörterbuch zur Deutschen Geschichte erlebte noch 1995 Neuauflagen und wurde auch von den Erstellern der Deutschen Biographischen Enzyklopädie als Quelle herangezogen.

Sein Sohn Eckhart Götz Franz ist ebenfalls Historiker und Archivar, als solcher langjähriger Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt.

Schriften

  • Die deutschen Parteiprogramme. Hrsg. von Wilhelm Mommsen; Günther Franz. Heft. I-IV., Im dt. Kaiserreich 1871-1918 . Band I: Die konservativen Parteien von den Anfängen bis 1918; Band II: Die liberalen Parteien von den Anfängen bis 1918; Band III: Die sozialistischen Parteien von den Anfängen bis 1918; Band IV: Der politische Katholizismus von den Anfängen bis 1918., Teubners Quellensammlung für den Geschichtsunterricht, Leipzig 1931, 1932 .
  • Der deutsche Bauernkrieg, München 1935 (12. Auflage Darmstadt 1984). ISBN 3-534-00202-4.
  • Bücherkunde zur Geschichte des deutschen Bauerntums. Der Forschungsdienst ; Sonderh. 9, Neumann, Berlin 1938
  • Germanenrechte: Neue Folge, Abteilung Bauerntum; Schriften des Deutschrechtlichen Instituts/ Deutsches Ahnenerbe Deutsches Bauerntum (Bd. 1 Mittelalter + Bd. 2 Neuzeit), Böhlau Verlag Weimar 1939/1940.
  • Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk. Untersuchungen zur Bevölkerungs- und Agrargeschichte, Jena 1940 (Stuttgart 41979). ISBN 3-437-50233-6
  • Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes in der Neuzeit (= Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XI), Darmstadt 1963.
  • Quellen zur Geschichte des deutschen Bauernstandes im Mittelalter (= Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe XXXI), Darmstadt 1967.
  • Deutsches Bauerntum im Mittelalter, Darmstadt 1976. ISBN 3-534-06405-4

Literatur

  • Wolfgang Behringer: Bauern-Franz und Rassen-Günther. Die politische Geschichte des Agrarhistorikers Günther Franz (1902–1992). In: Winfried Schulze, Otto G. Oexle: Deutsche Historiker im Nationalsozialismus. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-596-14606-2, (Fischer 14606 Die Zeit des Nationalsozialismus), S. 114–141.
  • Wolfgang Behringer: Von Krieg zu Krieg. Neue Perspektiven auf das Buch von Günther Franz „Der Dreißigjährige Krieg und das deutsche Volk“ (1940). In: Benigna von Krusenstjern, Hans Medick (Hrsg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe. Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-35463-0, (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 148), S. 543–591.
  • Julien Demade: The Medieval Countryside in German-Language Historiography since the 1930s. In: Isabel Alfonso (Hrsg.): The Rural History of Medieval European Societies. Trends and Perspectives. Brepols, Turnhout 2007, ISBN 978-2-503-52069-8, (The medieval countryside 1), S. 173–252.
  • Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. Reformation und Bauernkrieg in der Geschichtsschreibung des "Dritten Reiches" und der DDR. Stuttgart 2004, S. 288–320, ISBN 3-8282-0289-6.
  • Harald Winkel: [Nachruf] Günther Franz (23.5.1902–22.7.1992). In: Zeitschrift für Agrargeschichte und Agrarsoziologie (ZAA) Jg. 40, 1992, S. 259f.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 161.
  2. Laurenz Müller: Diktatur und Revolution. Reformation und Bauernkrieg in der Geschichtsschreibung des "Dritten Reiches" und der DDR. Stuttgart 2004, S. 319.
  3. Zitat Ernst Klee, in: Das Personenlexikon zum Dritten Reich, Fischer Taschenbuch 2005, S. 161.

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