Gyurcsany

Gyurcsany
Ferenc Gyurcsány (2006)

Ferenc Gyurcsány [ˈfɛrɛnʦ ˈɟurʧaːɲ],  anhören?/i (* 4. Juni 1961 in Pápa) ist ein ungarischer Geschäftsmann und Politiker. Er war von September 2004 bis April 2009 Ministerpräsident von Ungarn und von 2007 bis April 2009 Vorsitzender der MSZP. Am 23. März 2009 bot Gyurcsány seinen Rücktritt als Ministerpräsident an und schlug vor, seinen Wirtschaftsminister, Gordon Bajnai, mittels konstruktivem Misstrauensvotums zu seinem Nachfolger zu wählen. Am 14. April 2009 wurde Gyurcsány durch dieses Verfahren abgewählt und durch Bajnai ersetzt[1].

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gyurcsány studierte an der Universität Pécs (Fünfkirchen) Pädagogik und Wirtschaftswissenschaften.

Er war von 1983 bis 1988 der Sekretär der Jugendorganisation der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei (Kommunistischer Jugendbund, Kommunista Ifjúsági Szövetség – KISZ) von Pécs. 1988–89 war er Präsident des Universitäts- bzw. Hochschulrates des KISZ. 1989 war er kurze Zeit lang der Sekretär des Zentralrates des KISZ.

Nach der Wende wechselte er in die Privatwirtschaft und arbeitete zunächst angestellt in diversen Finanzfirmen. 1992 gründete er selbst ein Unternehmen, die Altus AG, die sich zu einem der größten Ungarns entwickelte. Die Investmentfirma hat einen Marktwert von 3,5 Mrd. Forint (ca. 14,5 Mio. €). Er führte sein Unternehmen bis 2002 selbst. Danach wurde er Chef des Aufsichtsrates (bis 2003). Er betreibt auch ein Bauxitaufbereitungswerk und ist Eigentümer mehrerer Liegenschaften, darunter des Budapester Klubs der Parlamentsabgeordneten und der ehemaligen Ferienanlage der ungarischen Regierung in Balatonőszöd am Plattensee. Diese letztgenannten Unternehmen erwarb er auf sehr umstrittene Weise. Mehrfach wurde nachgewiesen, dass seine Ankäufe zwar mittlerweile wegen Verjährung nicht mehr juristisch angreifbar sind, dennoch ethisch mehr als fraglich sind. Das Zustandekommen seines Privatvermögens, und des Vermögens seiner Unternehmen hauptsächlich aus ehemaligem ungarischem Staatsbesitz ist nicht hinreichend geklärt worden. Bezeichnend hierfür ist besonders der Erwerb eines Teils der oben genannten ehemaligen Ferienanlage der ungarischen Regierung in Balatonőszöd am Plattensee durch ein Unternehmen Gyurcsánys zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis, gezahlt in elf Raten von 1994–2004. Diese Immobilie hat sein Unternehmen gleichzeitig für einem sehr hohen Betrag an den ungarischen Staat rückvermietet, wobei die Miete den Kaufpreis mehr als deckte.

Gyurcsány ist in zweiter Ehe mit Klára Dobrev verheiratet, der Enkelin des Sekretärs des Zentralkomitees der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei der Kádár-Ära, Antal Apró, der nach 1956 als KGB Verbindungsmann und Vertraute von Kádár in Ungarn für "Ordnung" sorgte. Er hat vier Kinder.

Politische Karriere

Ferenc Gyurcsány
Ferenc Gyurcsány

Gyurcsány ist Mitglied der Sozialistischen Partei Ungarns (Magyar Szocialista Párt – MSZP). 2003 wurde er in den Ausschuss der Partei gewählt. 2004 wählte man ihn zum Präsidenten der Parteiorganisation im Komitat Győr-Moson-Sopron.

Er galt als einer der engsten Mitarbeiter des ehemaligen Regierungschefs Péter Medgyessy. 2002 wurde er strategischer Hauptratgeber Medgyessys. Nach der ersten Regierungsumbildung Medgyessys im Jahr 2003 wurde er Minister für Kinder, Jugend und Sport. Im September 2004 entzog ihm Medgyessy sein Vertrauen. Daraufhin gab er seinen Rücktritt als Minister bekannt. Ende August 2004 zerfiel die Medgyessy-Regierung – möglicherweise auch auf Druck des Kabinetts. Die Partei durfte zwischen zwei Nachfolgekandidaten wählen: Gyurcsány und Péter Kiss, dem Stellvertreter Medgyessys. Die Partei wählte mit großer Mehrheit Gyurcsány, was zu begründeten Gerüchten führte, Gyurcsány selbst habe ursprünglich im Hintergrund gestanden und Medgyessy zum Sturz verholfen, um selber an die Macht zu kommen.

Er wurde am 28. September vereidigt. Die Mitglieder der ersten Regierung Gyurcsány legten am 4. Oktober ihren Amtseid ab. Gyurcsány gab in der Folge das Amt als Parteichef von Győr-Moson-Sopron ab.

Nach den Wahlen vom April 2006 wurde die Regierung Gyurcsány als erste ungarische Regierung nach der Wende im Amt bestätigt. Zusammen mit ihrem Koalitionspartner SZDSZ kam sie auf einen Anteil von knapp 53 % der abgegebenen Stimmen.

Er wurde im Kongress der MSZP am 24. Februar 2007 mit 89% der Stimmen zum Parteivorsitzenden gewählt.

Am 23. März 2009 kündigte Gyurcsány seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten an.[1]

Am 14. April 2009 schied er durch ein von ihm selbst und seiner eigenen Partei der initiiertes konstruktives Misstrauensvotum aus dem Amt des ungarischen Ministerpräsidenten.

Die Unruhen im September 2006

Die Unzufriedenheit über Gyurcsánys Politik wurde kurz nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, insbesondere mit der Ankündigung seines radikalen Sparpakets deutlich größer, welches u. a. die Einführung von Praxisgebühren, Steuererhöhungen bzw. höhere finanzielle Belastungen für Rentner vorsah, um das immense Haushaltsdefizit abzubauen. Vor der Wahl bezichtigte Gyurcsany die Politiker, die behaupteten, dass er dies plane, öffentlich der Lüge. Selbst bei der Fernsehdebatte der Ministerpräsidentkandidaten kurz vor der Wahl meinte er zu seinem Konkurrenten Viktor Orbán: "Orbán solle die Behauptungen über die geplante Praxisgebühr- und Studiengebühreinführung zurücknehmen, schließlich sollte man nicht mit Lügen an die Macht kommen wollen." Orbán hatte wahrend des Wahlkampfes mehrmals auf die schlechte wirtschaftliche Lage des Landes hingewiesen, forderte aber dennoch einen weiteren Ausbau des Sozialstaates und stand im Herbst 2006 an der Spitze der Kundgebungen für den Rücktritt Gyurcsanys.

Redundanz Die Artikel Őszöder Rede und Ferenc_Gyurcsány#Die_Unruhen_im_September_2006 überschneiden sich thematisch. Hilf mit, die Artikel besser voneinander abzugrenzen oder zu vereinigen. Beteilige dich dazu an der Diskussion über diese Überschneidungen. Bitte entferne diesen Baustein erst nach vollständiger Abarbeitung der Redundanz. Karsten11 17:52, 12. Jun. 2007 (CEST)

Zwei Wochen vor den Kommunalwahlen am 1. Oktober 2006 gelangte auf bislang ungeklärte Weise eine Rede Gyurcsánys an die Öffentlichkeit, die er nach dem zweiten Durchgang der Parlamentswahlen 2006 auf einer internen Fraktionssitzung in Balatonőszöd gehalten hatte. Darin analysierte er die derzeitige politische und wirtschaftliche Lage Ungarns in einem sehr vulgär-groben, ungehaltenen Stil. Gyurcsány gab darin zu, dass er und seine Partei die Bevölkerung in den vergangenen Jahren und im Wahlkampf 2006 belogen hätten, um die Macht zu erhalten, und dass seine Regierung in der vergangenen Legislaturperiode nichts Bleibendes geleistet habe. In weiteren Teilen der Rede behauptete er, die ungarische Politik sei „in eine Lügenfalle getappt“, gab vor, mit diesem Verhalten brechen zu wollen, und bot sich selbst als Ausweg aus dieser Krise an. Er stellte fest, dass Ungarn wirtschaftlich schwerer angeschlagen sei, als bislang von ihm behauptet. Diesbezüglich habe er die Bevölkerung ebenfalls belogen. Selbst sein "begabter" Finanzminister hätte keine neuen Tricks mehr, um die Menschen und die EU in Unwissenheit zu halten. Nachdem er am gleichen Tag die Echtheit der Aufnahme bestätigte, jedoch seinen Rücktritt ausschloss, kam es zu gewalttätigen Demonstrationen in der ungarischen Hauptstadt. In der Nacht zum 18. September 2006 wurde das Gebäude des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gestürmt und für einige Stunden besetzt. Die Menschenmenge forderte Gyurcsánys Rücktritt, den er aber nach wie vor ablehnte. Ferner kündigte er an, mit allen Mitteln „Ruhe und Ordnung“ wiederherstellen zu wollen. Auch während der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum des Volksaufstandes von 1956 kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei.

Kabinett

  • Kabinett Gyurcsány (bis 14. April 2009)
  • Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, MSZP
  • Kanzleiminister Péter Kiss (seit 1. Juli 2007), zuvor György Szilvásy, MSZP
  • Auswärtiges Kinga Göncz, MSZP
  • Finanzen János Veres, MSZP
  • Wirtschaft und Verkehr Csaba Kákosy (seit 5. Dezember 2007), zuvor János Kóka, SZDSZ
  • Landwirtschaft József Gráf, MSZP
  • Kultur und Bildung István Hiller, MSZP
  • Justiz und Polizeiwesen Tibor Draskovich (seit 19. Februar 2008), zuvor Albert Takács und József Petrétei
  • Verteidigung Imre Szekeres, MSZP
  • Sozial- und Arbeitswesen Mónika Lamperth (seit 1. Juli 2007), zuvor Péter Kiss, MSZP
  • Verwaltung und Gebietsentwicklung Gordon Bajnai (seit 1. Juli 2007), zuvor Mónika Lamperth, MSZP
  • Gesundheit Ágnes Horváth (seit 23. April 2007), SZDSZ zuvor Lajos Molnár
  • Umwelt Gábor Fodor (seit 7. Mai 2007), SZDSZ zuvor Miklós Persányi

Einzelnachweise

  1. Technokrat soll Weg aus Krise weisen Wiener Zeitung vom 24. März 2009 abgerufen am 31. März 2009

Weblinks


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