Gustinus Ambrosi

Gustinus Ambrosi

Gustinus Ambrosi (August Arthur Ambrosi) (* 24. Februar 1893 in Eisenstadt; † 1. Juli 1975 in Wien) war ein österreichischer Bildhauer und Lyriker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Gustinus Ambrosi hatte vielseitig begabte Eltern. Der Vater, Friedrich Ambrosi (1851-1908), sorgte als k.u.k. Hauptmann der österreichisch-ungarischen Monarchie für den Unterhalt der Familie; er war aber auch Kunstmaler und wirkte als Chorleiter und Komponist. Zunächst unterrichtete er an der Militärunterrealschule in Eisenstadt, ab 1894 in St. Pölten, 1899 wurde er nach Prag versetzt, wo er dem 8. Korpskommando zugeteilt wurde. Die Mutter, Natalie Ambrosi née de Lángh, dichtete und spielte ausgezeichnet Klavier.

Der jüngste Sohn August (später Gustinus) erstaunte durch seine auffallende musikalische Begabung; er spielte bereits als 6-Jähriger in Quartetten die Geige. 1900 erkrankte er in Prag an einer epidemisch auftretenden Meningitis mit völliger Gehörlosigkeit als Folge. Von 1902 bis 1906 besuchte Gustinus das Prager Privat-Taubstummeninstitut.

Lehre und Studium

Am 2. Oktober 1906 begann sein Arbeitsleben. Er wurde zuerst probeweise als Praktikant, ab 1907 als Lehrling im größten Prager Bildhauer-und Stuckateurunternehmen „Jakob Kozourek“ aufgenommen.

Nach dem Tod des Vaters (1908) übersiedelte die Familie 1909 nach Graz; hier setzte Gustinus die Lehre bei der Firma Suppan, Haushofer und Nikisch fort, seine Freisprechung erfolgte am 15. Januar 1911. Noch als Lehrling besuchte er die Meisterklasse für Modelleure der Grazer k.k. Staatsgewerbeschule. Hier förderte ihn besonders der Bildhauer Georg Winkler, der seine spezielle Porträtbegabung entdeckte. Erste öffentliche Anerkennung erfuhr Ambrosi mit dem Werk „Der Mann mit dem gebrochenen Genick“ (1909); damit wurde der erst 16-Jährige in die Genossenschaft bildender Künstler Steiermarks aufgenommen.

Von 1910 bis 1912 beteiligte er sich erfolgreich an Kollektivausstellungen im Grazer Landesmuseum; 1912 wurde dem jungen Künstler der Staatspreis für Plastik der österreichisch-ungarischen Monarchie verliehen. 1913 erhielt er – nach Fürsprache des k.k. Statthalters der Steiermark, Graf Manfred von Clary-Aldringen, – von Kaiser Franz Josef I. ein Staatsatelier auf Lebenszeit in Wien.

Zur weiteren Ausbildung übersiedelte Ambrosi 1912 mit seiner Mutter nach Wien und studierte bis 1914 als außerordentlicher Hörer an der Akademie der bildenden Künste (Gasthörer bei Josef Müllner und Edmund Hellmer, bei Kaspar von Zumbusch Privatunterricht).

1918 vermählte sich Gustinus Ambrosi mit Anni Murmayer, diese Ehe wurde 1922 geschieden; die im selben Jahr geschlossene Ehe mit Maria Louise Janik aus Lemberg endete im Jänner 1925. Erst mit Berta Mayer, die er am 14. Februar 1928 ehelichte, fand er für die nachfolgenden 47 Jahre sein Lebensglück.

Zwischenkriegszeit

In der Zwischenkriegszeit war Ambrosi gezwungen, unter großen Anstrengungen Aufträge aus dem Ausland zu erlangen; er arbeitete in vielen Großstädten Europas (Amsterdam, Brüssel, Antwerpen, Paris, Rom, Basel, Zürich, Köln und anderen) und besaß Ateliers in Rom, Paris und Köln.

1925 beauftragte man ihn, als Kommissär Österreich bei der III. Biennale in Rom zu vertreten; er präsentierte auch heute hoch bewertete Künstler wie Alfons Walde, Gustav Klimt, Egon Schiele, Alfred Kubin, Anton Faistauer, Franz Barwig u. a.

NS-Zeit

Noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges erhielt Ambrosi den Auftrag, für den Garten der Reichskanzlei in Berlin 4 dekorative Brunnenfiguren aus dem Themenbereich der griechisch-römischen Mythologie (Narziss, Venus, Diana und Bacchus) zu schaffen. Infolge des herrschenden Materialmangels während des Krieges konnten nur 2 Skulpturen in Bronze gegossen werden. Hitler ließ für den von ihm geschätzten Ambrosi durch Reichsbaurat Architekt Roderich Fick in Linz auf dem Pöstlingberg ein Ateliergebäude planen; das Projekt wurde bereits wegen des Kriegsverlaufs in der Planungsphase abgebrochen. Außerdem gab er Rüstungsminister und Generalbauinspektor für Berlin Albert Speer noch 1944 den Auftrag, den für Linz zuständigen Generalbaurat Hermann Giesler damit zu beauftragen, Ambrosi für die Neugestaltung von Linz ebenfalls mit Aufträgen zu versorgen.[1] Kriegsbedingt wurden alle Linzer Projekte sowie die zur künstlerischen Gestaltung der Reichskanzlei zurückgestellt. Ambrosi arbeitete in dieser für ihn "toten Zeit" an seinen Gedichten. Durch Kriegseinwirkungen wurde sein Staatsatelier im Wiener Prater verwüstet und geplündert, 663 seiner Werke zerstört.

Nach 1945

Nach 1945 strebte Ambrosi die Sicherung seines verbliebenen Lebenswerkes an. Er pochte auf sein Anrecht eines Staatsateliers auf Lebenszeit, vor allem verfolgte er vehement die Idee, einen Teil seines Lebenswerkes dem österreichischen Staat zu schenken. Am 10. Juli 1951 erfolgte der einstimmige Beschluss des Ministerrates, für Gustinus Ambrosi – auf Grund seiner außergewöhnlichen Leistungen auf dem Gebiete der bildenden Kunst – ein Museum zu errichten; den angeschlossenen Wohn- und Ateliertrakt wollte man ihm als Mieter mit allen Pflichten und Lasten zur Verfügung stellen. Nach den Entwürfen des Architekten Georg Lippert entstand 1953 bis 1957 der Gebäudekomplex im Augarten. Am 20. Mai 1957 unterschrieb Gustinus Ambrosi den Notariatsakt mit der Republik Österreich. 165 Werke in Bronze und Marmor gingen als Schenkung in das Eigentum der Republik über – 1971 übergab Gustinus Ambrosi weitere 56 Werke an die Republik Österreich.

Infolge der jahrzehntelangen, schweren Arbeit litt Ambrosi in den letzten Lebensjahren unter starken Gelenksbeschwerden der Oberarme; immer wieder erkrankte er in den Wintermonaten an Lungenentzündungen. Trotzdem begann er im Alter von 76 Jahren in Stallhofen, Weststeiermark, seinen Alterssitz zu bauen. Ambrosi schied kurz vor dem Bezug des neu erbauten Hauses am 1. Juli 1975 durch Selbstmord aus dem Leben. Seit 1988 ist das im toskanischen Stil von ihm entworfene Haus ein sehenswertes Museum und zugleich eine Gedenkstätte. Gustinus Ambrosi liegt in einem Ehrengrab der Stadt Graz am Friedhof St. Leonhard in Graz begraben.

1978 wurde im Augarten in Wien-Leopoldstadt das Gustinus Ambrosi Museum eröffnet, das nach dem Konzept des Künstlers gestaltet worden war. Im selben Jahr wurde auch die Gustinus Ambrosi-Gesellschaft gegründet. Im Jahr 1984 wurde in Wien Donaustadt (22. Bezirk) die Ambrosigasse nach ihm benannt.

Ambrosis bildhauerisches Werk umfasst rund 2300 Arbeiten, davon etwa 650 Porträts.

Auszeichnungen

  • 1912: Staatspreis für Bildhauerei der österreichisch-ungarischen Monarchie in Graz
  • 1925: Kommandeur des Ordens der Krone Italiens
  • 1927: Große goldene Ehrenmedaille von Papst Pius XI.
  • 1949: Preis der Stadt Wien für Bildende Kunst
  • 1952: Ritter der französischen Ehrenlegion – Ehrenmedaille der Stadt Triest
  • 1957: Internationale Ausstellung gehörloser Künstler in Rom. Gustinus Ambrosi erhält als bester Bildhauer den „Silbernen Ehrenpokal“ des italienischen Handelsministeriums.
  • 1958: Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse – Große silberne Ehrenmedaille von Papst Johannes XXIII.
  • 1963: Ehrenmedaille der Bundeshauptstadt Wien in Gold; Goldener Lorbeer des Wiener Künstlerhauses; Goldene Medaille des Schubertbundes Wien.

Mitgliedschaften

  • 1932 Mitglied des Wiener Künstlerhauses
  • 1935 Ehrenbürger von Graz
  • 1936 Ehrenbürger von Eisenstadt
  • 1947 Mitglied des Künstlerbundes Tirol
  • 1950 Ehrenmitglied der Friedensgesellschaft Berta von Suttner
  • 1953 Ehrenbürger von Oggau, Burgenland
  • 1956 Korrespondierendes Mitglied der National Sculpture Society New York

Bedeutende Skulpturen

  • Der Mann mit dem gebrochenen Genick (1909) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Promethidenlos (1916–1918) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Der ewige Frühling (1916) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Der opfernde Abel (1917) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Die Erschaffung Adams (1913–1919) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Orpheus und Eurydice (1919) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Der Mensch und sein Schicksal (um 1920) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Kain (1922) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Ikaros (1923) [Ambrosi-Museum, Wien]
  • Phaidros (1953) [Bank Austria]
  • Die Blüte (1965–1975) [Ambrosi-Museum, Wien] u. a.

Ambrosi als Porträtist

Gustinus Ambrosi kann als bedeutender Porträtist des 20. Jahrhunderts angesehen werden; seine Porträts stellen einen wichtigen Beitrag zur Geistes- und Kulturgeschichte dieses Jahrhunderts dar. Er schuf die Porträts der Päpste Pius XI. (1927), Pius XII. (1957) und Johannes XXIII. (1961); es entstanden die Bildnisse von Künstlern, Kardinälen, Fürsten, Staatsmännern, Politikern, Wissenschaftlern, Wirtschaftstreibenden.

Das lyrische Werk

  • Die Sonette an Gott. 1923.
  • Die Sonette am Grab einer Liebe. 1926.
  • Einer Toten. 1937.
  • Das Buch der Einschau. 1959.
  • Die Sonette an Beethoven. 1974.
  • ''Das Buch der kleinen Lieder. 1995. 2. Auflage: 2000. Hrsg. G. Ambrosi-Gesellschaft.

Gustinus Ambrosi fand Anerkennung als geistvoller Briefschreiber und Zeitkritiker; er stellte Gott, die Natur, das Schicksal des Menschen, die Ethik und die Ästhetik in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen.

Kritik

Politisch gefärbte Kritik wurde Ambrosi insbesondere in der Phase der verstärkten Vergangenheitsbewältigung in den 80er Jahren zuteil. Liesbeth Wächter-Böhm kritisierte etwa Ambrosis Stellungswechsel vom Dollfußporträtisten zum Großplastiker im Auftrag Albert Speers und weiter zum prominenten Künstler der Zweiten Republik, und Jan Tabor nannte Ambrosi den „prominenten Bildhauer sämtlicher österreichischer Staatsformen dieses Jahrhunderts“. Eingemahnt wurde auch, dass diese Wendungen im Ambrosi-Museum offen dokumentiert werden sollten.[2]

Einzelnachweise

  1. Boelcke, Deutsche Rüstung, 1969, S. 361f.
  2. Vgl. Liesbeth Wächter-Böhm (Hrsg.): Wien 1945 davor/danach. Wien 1985, S. 132

Literatur

  • Ambrosi Mappe. Strache, Leipzig, Wien 1921.
  • Fritz Karpfen: Gustinus Ambrosi. Thyros, Leipzig, Wien 1923.
  • Ambrosi-Festschrift 1948. Burgenland, Wien. (Die Fähre. Sonderdruck)
  • Artikelserie in den Zeitschriften Der physiognomische Beobachter. und Der gute Menschenkenner. Hrsg. Siegfried Kupfer. Nürnberg 1953–1977.
  • Mitteilungen und Festschriften der G. Ambrosi-Gesellschaft. Wien 1978–2009.
  • Natalie Ambrosi: Gespräche mit meinem tauben Sohn Gustinus (1906–12). Hrsg. G. Ambrosi-Gesellschaft. 2003.
  • Franz Renisch: Gustinus Ambrosi. Eigenverlag, ISBN 3-9500018-0-8.

Quellen

  • Elisabeth Zerlauth: Das dichterische Schaffen Gustinus Ambrosis. Dissertation. Universität Innsbruck, 1982.
  • Anna Maria Hufnagl: Gustinus Ambrosi – Porträtist seiner Zeit. Diplomarbeit. Universität Graz, 1991.
  • Saur – Allgemeines Künstlerlexikon. Band 3. München, Leipzig 1992, S. 156.
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon der Stadt Wien, Band 1., S. 81.
  • Ausstellungskataloge (Personale): St. Gallen – Kunstverein, 1923; Budapest – Ernstmuseum, 1933; Graz – Genossenschaft bildender Künstler Steiermarks, 1937; Wien – Palais Lobkowitz, 1951.
  • D. Trier: Ambrosi, Gustinus im Österreichischen Biographischen Lexikon ab 1815 (2. überarbeitete Auflage – online) (kostenpflichtige Registrierung notwendig)

Weblinks


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