Gustav von Struve

Gustav von Struve
Portrait Gustav Struve.

Gustav von Struve bzw. nach der Ablegung seines Adelstitels Gustav Struve (* 11. Oktober 1805 in München; † 21. August 1870 in Wien) war ein deutscher Politiker, Rechtsanwalt, Publizist und radikaldemokratischer Revolutionär während der Märzrevolution von 1848/1849 im Großherzogtum Baden.

Inhaltsverzeichnis

Lebenslauf

Struve war der Sohn des aus russischem Kleinadel stammenden Staatsrats Johann Gustav von Struve. Aufgewachsen in München, absolvierte er ein juristisches Studium in Göttingen (wo er sich dem Corps Bado-Württembergia anschloss) und Heidelberg. Zwischen 1829 und 1831 war er im oldenburgischen Staatsdienst beschäftigt. 1836 ließ er sich im badischen Mannheim als Rechtsanwalt nieder.

In Baden stieg er auch in die Politik ein, indem er die liberalen Abgeordneten in der badischen Kammer durch journalistisches Engagement unterstützte. Dabei wandte er sich immer stärker radikaldemokratischen und frühsozialistischen Positionen zu.

Amalie Struve, geb. Siegrist

1845 heiratete er Amalie Düsar, geb. Siegrist, die uneheliche Tochter eines Sprachlehrers aus Mannheim. Durch diese zu der Zeit nicht „standesgemäßeHeirat kam es zum Zerwürfnis mit seiner Herkunftsfamilie. Dies und seine lebensreformerische Haltung, die er mit seiner Frau teilte, veranlassten das Ehepaar 1846 von der evangelischen Konfession in die damals bestehende Deutsch-Katholische Kirche zu konvertieren, die eine Vereinigung von Katholizismus, Protestantismus, Judentum und moderner Wissenschaft anstrebte. Des Weiteren legte Struve 1847 seinen Adelstitel ab. Diese einschneidenden privaten Veränderungen in Gustav Struves Leben belegen den starken auch inhaltlichen Einfluss, den seine für die Zeit ungewöhnlich selbstbewusste, der frühen Frauenbewegung verbundene Frau auf ihn hatte und Zeit seines Lebens auch behielt.

Es war die Zeit des Vormärz, der Jahre zwischen dem Wiener Kongress 1815 und dem Beginn der Märzrevolution 1848, in der das reaktionäre metternichsche System der Restauration herrschte, gegen das Struve sich zunehmend wandte.

Zusammen mit Friedrich Hecker beteiligte sich Struve an führender Stelle an der badischen Revolution ab März 1848. Auch Hecker gehörte wie Struve zum radikaldemokratischen und antimonarchistischen Flügel der Revolutionäre, der in Baden, hier insbesondere in den vielerorts gegründeten politischen Volksvereinen relativ stark vertreten war.

Schlacht bei Kandern aus der Perspektive der Revolutionäre. Zeitgenössische Lithographie

Als die Märzrevolution ausgelöst wurde, forderte Struve in einem von ihm veröffentlichten Programm eine föderative Republik für ganz Deutschland, das aber vom Frankfurter Vorparlament abgelehnt wurde.

Gemeinsam mit Hecker und anderen führenden Aufständischen wollte er seine Ideen von Südwestdeutschland aus verbreiten. Im sogenannten Heckeraufstand riefen Hecker, Struve und andere am 12. April 1848 in Konstanz die Republik aus. Struve und seine Frau waren daraufhin beteiligt am Heckerzug, einer Freischar, die sich mit der aus dem Elsass anmarschierenden Deutschen Demokratischen Legion des revolutionären Dichters Georg Herwegh vereinigen und in die badische Hauptstadt Karlsruhe marschieren wollte, um die Republik von dort aus in ganz Baden durchzusetzen. Der Heckerzug wurde jedoch bald im Schwarzwald bei Kandern von regulären Truppen besiegt und die Revolutionäre aufgerieben. Hecker und Struve flohen in die Schweiz, von wo aus Gustav Struve weiter versuchte, die Revolution voran zu bringen.

Einzug der Freischärler in Lörrach im September 1848 („Struve-Aufstand“). Ölgemälde von Friedrich Kaiser

Ein erneuter Versuch Struves, am 21. September 1848 bei einem Aufstand in Lörrach die Republik auszurufen, scheiterte ebenfalls. Struve wurde gefangen genommen und inhaftiert. Bei den Maiaufständen 1849 wurde er befreit.

Im Verlauf des badischen Maiaufstands gelang es, nachdem die badische Garnison in der Bundesfestung Rastatt gemeutert hatte, den Großherzog Leopold (Baden) in die Flucht zu treiben, worauf sich am 1. Juni 1849 eine provisorische republikanische Regierung unter dem gemäßigteren liberalen Politiker Lorenz Brentano bildete, an der Struve beteiligt war. Gegenüber der Gefahr durch die anrückenden Truppen des deutschen Bundes unter Führung des preußischen Prinzen Wilhelm von Preußen, dem späteren Kaiser Wilhelm I., verhielt sich Brentano zögerlich und hoffte, durch Verhandlungen eine militärische Eskalation zu vermeiden. Darauf wurde Brentano von Struve und dessen Anhängern gestürzt. Es kam zur Volksbewaffnung. Unter Führung des polnischen Revolutionsgenerals Ludwik Mieroslawski versuchte das Revolutionsheer, die Übermacht der preußischen Truppen abzuwehren, aber die Revolution wurde schließlich nach heftigen Kämpfen um Rastatt am 23. Juli 1849 von den preußischen Truppen niedergeschlagen und war damit endgültig gescheitert.

Gustav Struve konnte sich mit einigen anderen Revolutionären einer Hinrichtung entziehen, und floh zusammen mit seiner Frau, die ihn während der Revolution immer auch aktiv kämpfend und agitatorisch unterstützt hatte, ins Exil, das die Eheleute zunächst in die Schweiz, und über England schließlich 1851 in die USA führte (Passagierliste). Auch hier versuchte er, publizistisch für seine radikaldemokratischen Ziele zu arbeiten. Durch seinen energischen Einsatz für die Präsidentschaftskandidatur von Abraham Lincoln trug er dazu bei, die deutschstämmige Bevölkerung des Bundesstaats New York, die bis dahin eher zu den Demokraten neigte, für die damalige republikanische Partei zu gewinnen, was mit zum letztlichen Wahlsieg Lincolns beitrug. Anfang der 1860er Jahre war Struve am Sezessionskrieg auf Seiten der Nordstaaten beteiligt. Nach dem Tod seiner Frau Amalie, die an den Folgen einer Geburt 1862 in New York gestorben war, und nachdem er in der alten Heimat amnestiert worden war, kehrte er 1863 nach Deutschland zurück.

Struve war schon 1832 durch die Lektüre von Jean-Jacques Rousseaus Roman Émile Vegetarier geworden und wurde in den sechziger Jahren zu einem der Begründer der vegetarischen Bewegung in Deutschland. 1868 gründete er mit Gesinnungsgenossen aus Stuttgart und Umgebung einen vegetarischen Verein, der noch heute besteht. 1869 erschien sein Werk Pflanzenkost – die Grundlage einer neuen Weltanschauung, das die vegetarische Bewegung nachhaltig beeinflusste.

Mit 62 Jahren heiratete er seine zweite Frau Katharina. Struve starb am 21. August 1870 in Wien.

Bibliografie

Gustav Struve:

  • Politische Briefe. Mannheim 1846
  • Briefe über Kirche und Staat. Mannheim 1946 (Digitalisat)
  • Das öffentliche Recht des deutschen Bundes. 2 Bände, 1846
  • Grundzüge der Staatswissenschaft. 4 Bände, Frankfurt am Main, 1847/48 (Digitalisat des 2. Bandes)
  • Geschichte der drei Volkserhebungen in Baden. Bern 1849 (Digitalisat) – Nachdruck in: Heftiges Feuer. Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Rombach, Freiburg 1998, ISBN 3-7930-0877-0
  • Weltgeschichte. 6 Bände, New York 1856/59; mit einer Erweiterung, Coburg 1866/69
  • Das Revolutionszeitalter. New York 1859/60
  • Diesseits und jenseits des Oceans. Coburg 1864/65 (Digitalisat)
  • Kurzgefasster Wegweiser für Auswanderer. Bamberg 1867
  • Pflanzenkost, die Grundlage einer neuen Weltanschauung. Stuttgart 1869
  • Das Seelenleben, oder die Naturgeschichte des Menschen. Berlin 1869
  • Eines Fürsten Jugendliebe. Drama, Wien 1870

Amalie Struve:

  • Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Hamburg 1850 – Nachdruck in: Heftiges Feuer. Erinnerungen aus den badischen Freiheitskämpfen. Rombach, Freiburg 1998, ISBN 3-7930-0877-0
  • Historische Zeitbilder. 3 Bände, Bremen 1850

Literatur

  • Michael Kunze: Der Freiheit eine Gasse - Traum und Leben eines deutschen Revolutionärs. Kindler, München 1990 (biografisch mit umfangreichem Literaturverzeichnis)
  • Ansgar Reiß: Radikalismus und Exil. Gustav Struve und die Demokratie in Deutschland und Amerika. 2004.
  • Karl Wippermann: Gustav von Struve. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 36, Duncker & Humblot, Leipzig 1893, S. 681–687.

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