Gustav Bratke

Gustav Bratke

Gustav Bratke (* 29. Juli 1878 in Hannover; † 24. Oktober 1952 in Coburg) war ein sozialdemokratischer deutscher Politiker und Kommunalbeamter. Er wurde 1945 zum ersten Oberbürgermeister von Hannover nach dem Kriege ernannt. Er organisierte 1947 die erste Hannover-Messe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Als gelernter Lithograf wurde Gustav Bratke schon früh Mitglied sowohl der Gewerkschaft der Buchdrucker als auch der SPD. Nach Misburg, einer durch die Zementindustrie geprägten Gemeinde nordöstlich von Hannover, kam er 1910 und arbeitete dort zunächst als Lagerhalter im Konsumverein (Konsumgenossenschaft) und später als dessen Geschäftsführer. Seit 1912 gehörte er für die SPD dem Gemeinderat an, ein Ereignis, das er später mit den Worten kommentierte: „Als ich vor 40 Jahren zum ersten Male in die Gemeindevertretung Misburgs gewählt wurde, da wusste ich nicht, dass diese Wahl mein ganzes späteres Leben beeinflussen würde."

Nach der Kriegsteilnahme im Ersten Weltkrieg wurde er 1919 Gemeindevorsteher (Bürgermeister) in Misburg und 1920 SPD-Abgeordneter im Provinziallandtag der preußischen Provinz Hannover. Die Geschichte Misburgs wurde in den 1920er und Anfang der 1930er Jahre entscheidend durch Bratkes vorausschauende Kommunal- und Sozialpolitik geprägt. Er ließ die Gemeinde Bauland ankaufen, so dass es ihm gelang, 1931 die Ansiedlung der Gewerkschaft Erdöl-Raffinerie Deurag-Nerag in Misburg zu bewirken. Er ließ 154 gemeindeeigene Wohnhäuser sowie 250 Wohnungen bauen und förderte den Eigenheimbau - sogar für Erwerbslose. 1925/26 folgte der Bau des eigenen Wasserwerks (durch den Architekten Friedrich Fischer) und von zwei Kläranlagen, 1926 eines Jugendheims (auch von Friedrich Fischer in Formen der neuen Sachlichkeit mit expressionistischen Zügen). Seit 1926 war Bratke auch Vorsitzender des Provinzialausschusses und stand damit an der Verwaltungsspitze der Provinz Hannover. Auch hier bewirkte er durch seine politischen Initiativen viel.

Nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus 1933 wurde Gustav Bratke das Opfer einer politischen Denunziation durch einen Beamten der Provinzialverwaltung, der ihm Unterschlagung und Veruntreuung vorwarf. Bratke verlor alle seine Ämter und war neun Monate im Gefängnis, ehe seine völlige Unschuld erwiesen war. Danach stand er unter Polizeiaufsicht und erwarb seinen Lebensunterhalt als Prokurist einer Baufirma.

Unmittelbar nach Besetzung Hannovers durch alliierte Truppen suchte die britische Militärregierung als Nachfolger des abgesetzten Nationalsozialisten Egon Bönner einen 'unbelasteten' Politiker für das Amt des Oberbürgermeisters. Als Bratke am 11. April 1945 dem Offizier als ein solcher vorgestellt wurde, meinte dieser: „He is too old“ („Er ist zu alt“). Bratke entgegnete: „Wenn ich ihm zu alt bin, dann muss er sich einen anderen suchen". Damit wurde Bratke als kommissarischer Oberbürgermeister eingesetzt. 1946 bis 1949 war er dann Oberstadtdirektor von Hannover, in dieser Zeit war er verantwortlich für die Ausrichtung der ersten „Export-Messe 1947 Hannover“ (der späteren Hannover-Messe).

Bis zu seinem Tode war Bratke Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Messe- und Ausstellungs-A. G. Hannover-Laatzen und Präsident des Niedersächsischen Städtetages. Bratke erlag einem Herzinfarkt während einer Sitzung des Städtetags in Coburg.

Ehrungen

Wegen seiner Verdienste um die Kommunalpolitik ernannte die Stadt Hannover 1949 Gustav Bratke zu ihrem Ehrenbürger, ebenso 1952 die Gemeinde Misburg. 1952 wurde ihm das Große Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland verliehen.

In Hannover wurde eine neu gebaute Straße vom Schwarzen Bären zum Waterlooplatz als Gustav-Bratke-Allee benannt, in Misburg die ehemalige Straße In der Plantage. Die Jugendherberge in Torfhaus trägt seinen Namen.

Literatur

  • Anpacken und vollenden! Hannover 1945-1949. Hrsg. vom Städtischen Presse- und Kulturamt Hannover. Bearb. von Heinz Lauenroth und Hans von Gösseln. Hannover: Osterwald 1949. (Darin das titelgebende Vorwort von Gustav Bratke: "Anpacken und vollenden!")
  • Harry Pott: Gustav Bratke. In: Misburgs Boden und Bevölkerung im Wandel der Zeiten. [Hrsg.] von Anton Scholand. 2. Aufl. Hildesheim: Lax 1960, S. 191-198.
  • Große Niedersachsen. Geistestaten, Lebensfahrten, Abenteuer. Hrsg. von Fred Engelke. München: Aufstieg-Verlag 1961 (Heimat und weite Welt. 4), S. 280-284 (darin S. 282-284: Walter Spengemann: Biografie Gustav Bratke).
  • Versteinerte Muscheln auf einer Reise nach Jerusalem. Misburg. In: Hannover zu Fuß. 18 Stadtteilrundgänge durch Geschichte und Gegenwart. Ingo Bultmann (u.a.) (Hrsg.) Hamburg: VSA-Verlag 1989, S. 237-245. ISBN 3-87975-471-3
  • Anpacken und Vollenden. Hannovers Wiederaufbau in den 50er Jahren. Ein Quellenlesebuch. Bearb. von Waldemar R. Röhrbein (u.a.). Hannover 1993. (Schriften des Historischen Museums Hannover. 5) ISBN 3-910073-06-9
  • Klaus Mlynek u.A.: Bratke, in: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Hannover: Schlüter 2002, S. 69-70 u.ö., ISBN 3-87706-706-9, online:
  • Klaus Mlynek u.A.: Bratke, in: Hannover Chronik; online:
  • Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Dieter Brosius: Bratke, in: Geschichte der Stadt Hannover, Bd. 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart; online:
  • Friedrich Lindau: Bratke, in: Wiederaufbau und Zerstörung. Die Stadt im Umgang mit ihrer bauhistorischen Identität, 2. überarb. Aufl., Schlütersche, Hannover 2001, ISBN 3-87706-659-3, online:

Weblinks


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