Großinquisitor

Großinquisitor
Kardinalinquisitor Don Fernando Niño de Guevara in einem Gemälde von El Greco um 1600.

Ein Großinquisitor, auch Generalinquisitor, war im Mittelalter ein Inquisitor mit besonderen territorialen Befugnissen oder in der Frühen Neuzeit der Vorsteher der Inquisition für ein Land. Im heutigen Sprachgebrauch wird der negative Assoziationen weckende Begriff auch außerhalb seiner eigentlichen historischen Bedeutung metaphorisch gebraucht.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Ein Groß- bzw. Generalinquisitor wurde üblicherweise vom Heiligen Stuhl eingesetzt und bevollmächtigt, im Rahmen von kirchlichen Inquisitionsverfahren gegen so genannte Ketzer vorzugehen. Die Befugnisse eines Großinquisitors reichten über die eines einfachen Inquisitors hinaus. Im Mittelalter gab es nur zeitweilig Großinquisitoren.

In den deutschen Landen wird für das frühe 13. Jahrhunderts Konrad von Marburg aufgrund seiner Machtfülle als Großinquisitor angesehen, wohingegen als erster offizieller Großinquisitor für Deutschland der 1348 in dieses Amt berufene Johann Schadland gilt.[1]

Für die in der Frühen Neuzeit staatlich institutionalisierten Inquisitionsbehörden in Spanien und Portugal wurden dauerhafte Großinquisitorenämter geschaffen. Die Großinquisitoren wurden hier vom jeweiligen König ernannt. Sie leiteten die Behörde und standen hierarchisch über den Inquisitoren. Erster Großinquisitor der Spanischen Inquisition war Tomás de Torquemada. Mit dem Großinquisitorenamt ausgestattete Kardinäle wurden auch als Kardinalinquisitoren bezeichnet.

Gegenwart

In der Gegenwart bildet das Wort Großinquisitor überwiegend eine politische, mediale oder literarische Metapher, die auf kollektive klischeehafte Assoziationen im Zusammenhang mit der Inquisition oder der Hexenverfolgung abzielt, die im Kern die negative Vorstellung einer Person gemeinsam haben, die im öffentlichen Auftrag Andersdenkende in böser Absicht oder Verblendung verfolgt und dabei von Grausamkeit und Machtmissbrauch geleitet wird.

Aufgrund der Plakativität des Begriffes ist er für die mediale Verwendung besonders attraktiv. Die Bezeichnung wurde und wird deshalb dazu verwendet, Personen in polemischer Weise mit der negativen Konnotation des Begriffs in Verbindung zu bringen. Beispielsweise wird der jeweilige Präfekt der Glaubenskongregation (Nachfolgeorganisation der Römischen Inquisition) manchmal mit kritischem oder auch ironischem Unterton als „Großinquisitor“ bezeichnet. Beispiele von Personen, die mit diesem Begriff belegt wurden (siehe in den jeweiligen Artikeln): Abraham Calov, Ettore Majorana und Heinrich Himmler.

Die eher literarischen oder Bühnenbearbeitungen, in denen der Begriff aufgegriffen wird, behandeln zumeist schlimme Erfahrungen mit Diktatur, Überwachungsstaat und totalitärer Herrschaft (z. B. Zarenherrschaft, Ostblock, Nationalsozialismus).

Künstlerische Rezeption

  • In Hans Hagens 1880 erschienenem Drama Konrad von Marburg, deutscher Ketzermeister und Großinquisitor erfuhr die historische Figur des Großinquisitors Konrad von Marburg eine literarische Bearbeitung.
  • Boris Blachers 1947 uraufgeführtes Oratorium Der Großinquisitor für Bariton, Chor und Orchester in der textlichen Einrichtung von Leo Borchard ist eine Adaption von Dostojewskis Legende vom Großinquisitor.[2]
  • Der Großinquisitor heißt ein 1992 entstandenes Drama (auch als Hörspiel) von George Tabori.
  • ZORK – Der Großinquisitor heißt ein PC-Adventure-Spiel (Activision, 1997) → siehe: Zork

Siehe auch

Literatur

  • Alfons Motschenbacher: Katechon oder Großinquisitor? : eine Studie zu Inhalt und Struktur der politischen Theologie Carl Schmitts. Marburg 2000. 416 S. ISBN 3-8288-8149-1 (Bamberg, Univ., Dissertation 1997).
  • Michael Scholz-Hänsel: El Greco, Der Großinquisitor : neues Licht auf die Schwarze Legende. Orig.-Ausg. Frankfurt am Main 1991. ISBN 3-596-10128-X.
  • Hans Hagen: Konrad von Marburg, deutscher Ketzermeister und Großinquisitor : Trauerspiel in fünf Akten ; frei nach der Geschichte bearbeitet. Leipzig 1890.
  • Julius von Voß: Der Großinquisitor von Portugal. [Mikrofiche-Ausgabe der Ausgabe Berlin 1833]. München o.J. (Bibliothek der deutschen Literatur). ISBN 3-598-53065-X.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Alexander Patschovsky: Straßburger Beginenverfolgungen im 14. Jahrhundert
  2. Programmheft Philharmonisches Staatsorchester Hamburg vom 2./3. Februar 1969.

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