Großer fermatscher Satz

Großer fermatscher Satz
Pierre de Fermat

Der große fermatsche Satz wurde im 17. Jahrhundert von Pierre de Fermat formuliert, aber erst 1995 von Andrew Wiles und Richard Taylor bewiesen. Er besagt: Ist n eine natürliche Zahl größer als 2, so kann die n-te Potenz jeder natürlichen Zahl ungleich null nicht in die Summe zweier n-ter Potenzen natürlicher Zahlen ungleich null zerlegt werden. Formal bedeutet dies:

Die Gleichung

an + bn = cn

mit a,b,c \in \mathbb{N} besitzt für keine natürliche Zahl n > 2 eine Lösung.

Der große fermatsche Satz gilt als außergewöhnlich, einerseits weil es für n\leq 2 unendlich viele Lösungen der Gleichung gibt – für n = 2 sind dies die pythagoreischen Zahlentripel –, andererseits weil Fermat schrieb, er kenne einen Beweis, den er allerdings nicht mitteilte.

Inhaltsverzeichnis

Bezeichnungen

Für diesen Satz existieren verschiedene Bezeichnungen. Die im Deutschen häufigste ist Großer fermatscher Satz und daraus abgeleitet großer Fermat, im Gegensatz zum kleinen fermatschen Satz bzw. kleinen Fermat. Da von Fermat selbst kein Beweis überliefert ist, handelte es sich als strenggenommen zunächst nur um eine Vermutung. Daher wird auch der Begriff Fermatsche Vermutung verwendet, doch auch schon vor dem Beweis wurde vom Fermatschen Satz gesprochen. Um Wiles, den Finder des Beweises mit einzubeziehen, ist auch vom Satz von Fermat-Wiles die Rede. Im Englischen wird der Satz als Fermat’s Last Theorem bezeichnet, was im Deutschen manchmal (ungenau) als Fermats letzter Satz, bzw. Fermats letztes Theorem übersetzt wird. Außerdem ist noch der Begriff Höhere Abwandlungen des Satzes des Pythagoras gebräuchlich, der sich auf den Fall des Exponenten n = 2 bezieht.

Ursprung

Buchdeckel der von Pierre de Fermats Sohn Clément-Samul veröffentlichten Version der Arithmetica des Diophantos von 1670 mit den Bemerkungen seines Vaters.
Diese Seite der Arithmetica von 1670 enthält Pierre de Fermats Randbemerkung

Im Jahr 1637 schrieb Fermat bei der Lektüre der Arithmetica von Diophantos neben den Satz des Pythagoras folgende Zeilen als Randbemerkung in seine Ausgabe dieses Buches:

„Cubum autem in duos cubos, aut quadratoquadratum in duos quadratoquadratos, et generaliter nullam in infinitum ultra quadratum potestatem in duos eiusdem nominis fas est dividere. Cuius rei demonstrationem mirabilem sane detexi. Hanc marginis exiguitas non caperet.“

Auf deutsch:

„Es ist unmöglich, einen Kubus in zwei Kuben zu zerlegen, oder ein Biquadrat in zwei Biquadrate, oder allgemein irgendeine Potenz größer als die zweite in Potenzen gleichen Grades. Ich habe hierfür einen wahrhaft wunderbaren Beweis gefunden, doch ist der Rand hier zu schmal, um ihn zu fassen.“

Fermat sprach von natürlichen Zahlen a, b und c. Die Verallgemeinerung auf ganze Zahlen folgt aber unmittelbar.

Heute wird angenommen, dass Fermat einen Beweis für den Spezialfall n = 4 gefunden hatte, von dem er glaubte, ihn verallgemeinern zu können. Die im Jahr 1995 im Beweis von Wiles benutzten Theorien waren über 350 Jahre früher noch nicht einmal ansatzweise entwickelt. Deshalb ist es heute unter Zahlentheoretikern strittig, ob es nicht doch einen elementareren Beweis gibt, den Fermat eventuell entdeckt haben könnte.

Verbreitung

Nach dem Tode Fermats drohte sein geistiges Erbe verloren zu gehen, da er ein recht unangenehmer Korrespondenzpartner für seine Mathematikerkollegen gewesen war und auch nie Kontakte zur Pariser Mathematikerschule gepflegt hatte. Sein ältester Sohn Clément-Samuel verbrachte fünf Jahre mit der Entzifferung der Notizen und veröffentlichte anschließend eine eigene Ausgabe der Arithmetica, in der auch achtundvierzig der Bemerkungen seines Vaters angeführt waren. Die zweite dieser Randnotizen wurde dann in weiterer Folge als fermatsche Vermutung bekannt. Die Notizen enthielten zwar eine Reihe von fundamentalen mathematischen Sätzen, aber Beweise dazu oder auch nur einfache Erklärungen, wie Fermat zu diesen Resultaten gekommen war, fehlten völlig. Es war nun den nachfolgenden Mathematikern überlassen, diese aufzustellen.

Unsicherheit

In diesem Kontext entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten speziell der große fermatsche Satz zu einer Knacknuss für viele Mathematiker – niemand konnte ihn beweisen oder widerlegen. Weil aber Fermat selbst die Existenz eines „wunderbaren Beweises“ behauptet hatte, versuchten Generationen von Mathematikern – darunter auch die bedeutendsten ihrer Zeit –, ihn zu finden. Auch die anderen Bemerkungen Fermats sollten sich als schwierige, jahrelange Arbeit für seine Mathematikerkollegen erweisen. Die Bemühungen führten aber – sozusagen nebenbei – zu einer Vielzahl bedeutender Entdeckungen.

Beweise für Spezialfälle des Satzes

Spezielle Fälle des großen fermatschen Satzes konnten schon früh bewiesen werden:

n = 3, n = 4 und Vielfache dieser Zahlen

Leonhard Euler entdeckte in der fermatschen Version der Arithmetica einen gut versteckten Beweis für den Fall n = 4. Im Jahr 1753 konnte er mit Hilfe der imaginären Zahlen die Behauptung auch für den Fall n = 3 bestätigen. Damit war die fermatsche Vermutung auch für alle n, die ein Vielfaches von 3 oder 4 sind, bewiesen. Euler gelang es aber nicht, seine Beweismethode auf weitere Fälle auszudehnen.

Primzahlen reichen aus

Bald darauf wurde klar, dass es ausreicht, den fermatschen Satz für alle Primzahlen größer als 2 und für die Zahl 4 zu beweisen. Denn jede natürliche Zahl n > 2, die keine Primzahl ist, ist durch 4 oder eine Primzahl teilbar. Ist nun e entweder 4 oder eine Primzahl, d eine natürliche Zahl und n = de sowie an + bn = cn eine Lösung für den Exponenten n, so gibt es auch eine Lösung für den Exponenten e, nämlich \left(a^d\right)^e+\left(b^d\right)^e=\left(c^d\right)^e.

Doch auch bei den Primzahlen hatte man es immer noch mit einer unendlichen Zahlenmenge zu tun und damit auch mit unendlich vielen zu beweisenden Fällen.

n = 5 und alle Sophie-Germain-Primzahlen

Im Jahre 1825 konnten Peter Gustav Lejeune-Dirichlet und Adrien-Marie Legendre den Satz für n = 5 beweisen. Sie stützten sich dabei auf die Vorarbeit von Sophie Germain. Germain meinte, dass die fermatsche Vermutung vermutlich für alle Sophie-Germain-Primzahlen gilt. „Vermutlich“ soll heißen, dass, wenn es Lösungen gäbe, a, b, oder c Vielfache von n sein müssten; diese Bedingung ist auch als zweiter Fall bekannt. Bis zu den Arbeiten von Wiles und Taylor war jedoch weder für den ersten Fall (n\nmid abc) noch für den zweiten Fall (n\mid abc) ein allgemeiner Beweis bekannt.

n = 7

Im Jahre 1839 zeigte Gabriel Lamé, dass auch der Fall n = 7 Gültigkeit besitzt. Ebenso wie Augustin Louis Cauchy war Lamé noch im März 1847 überzeugt, den vollständigen Beweis für die fermatsche Vermutung innerhalb von Wochen der französischen Akademie der Wissenschaften vorlegen zu können.

Alle regulären Primzahlen

Diese Hoffnung wurde aber von Ernst Eduard Kummer zunichte gemacht, der einen Denkfehler in den Überlegungen Lamés und Cauchys entdeckte: Sie waren stillschweigend davon ausgegangen, dass in den von ihnen betrachteten Erweiterungen des Körpers der rationalen Zahlen (Kreisteilungskörpern der Ordnung p) für die jeweilige Fermatgleichung zum Exponent p (er entsteht durch Adjunktion der p-ten Einheitswurzeln) noch die eindeutige Primfaktorzerlegung gilt.

Kummer entwickelte eine Theorie, in der sich die eindeutige Primfaktorzerlegung retten ließ, indem man ganze Gruppen von Zahlen des Zahlkörpers (Ideale) zusammenfasst und die Arithmetik dieser neuen „idealen Zahlen“ untersucht. Er konnte damit den großen fermatschen Satz 1846 für reguläre Primzahlen beweisen; dabei heißt eine Primzahl p regulär, wenn keine der Bernoulli-Zahlen B_0,B_2,\ldots,B_{p-3} durch p teilbar ist. In diesem Fall ist die Klassenzahl – also die Anzahl der nicht äquivalenten Idealklassen – des Kreisteilungskörpers der Ordnung p nicht durch p teilbar. Es ist nicht bekannt, ob es unendlich viele reguläre Primzahlen gibt.

Mit Hilfe des Computers und mit Weiterentwicklung der Methoden von Kummer gelang es Harry Vandiver schon Anfang der 1950er Jahre, den Satz für alle Primzahlen kleiner als 2000 zu beweisen. Die Grenze konnte mit Hilfe des Computers noch erheblich nach oben verschoben werden, einem Beweis der Fermatschen Vermutung kam man aber auf diesem Weg nicht näher, sie wurde nur plausibler.

Höchstens endlich viele teilerfremde Lösungen für n ≥ 4

Aus der Vermutung von Mordell – bewiesen 1983 durch Gerd Faltings – folgt als Spezialfall, dass die Fermatsche Gleichung für n ≥ 4 höchstens endlich viele teilerfremde Lösungen besitzen kann.[1]

Wolfskehl-Preis

Die Suche nach einem allgemeinen Beweis wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das Testament des Darmstädter Mathematikers Paul Friedrich Wolfskehl auch materiell motiviert. Einer später erzählten Legende zufolge war sein Schicksal auf seltsame Weise mit dem fermatschen Satz verbunden. Als seine Liebe zu einer Frau von dieser nicht erwidert wurde, fasste er den Entschluss, sich selbst zu töten. Er setzte den Zeitpunkt seines Freitodes genau auf Mitternacht fest und wollte sich bis dorthin die Zeit vertreiben. Aus Zufall stolperte er über eine Arbeit zur fermatschen Behauptung und war von dieser derart gefesselt, dass er über ihr die Zeit vergaß. Wolfskehl überlebte aus diesem Grund die Nacht, ließ anschließend von seinen Selbstmordgedanken ab und änderte aus Dank sein Testament.

Als er dann 1906 eines natürlichen Todes starb, wurde bekannt, dass er in seinem Letzten Willen für denjenigen einen Preis von 100.000 Goldmark ausgesetzt hatte, der zuerst einen vollständigen Beweis in einer Fachzeitschrift veröffentlichen würde. Daraufhin wurde 1908 von der Königlichen Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen der Wolfskehl-Preis ausgeschrieben. Einsendeschluss für dieses Unterfangen sollte der 23. September 2007 sein. Im Jahr 1997 wurde der Preis, der noch umgerechnet 70.000 DM wert war, an Andrew Wiles ausbezahlt.

Der Beweis

Im Jahr 1993 kündigte Andrew Wiles in Vorträgen am Isaac Newton Institute in Cambridge einen Beweis der Taniyama-Shimura-Vermutung an, wodurch auch der große fermatsche Satz bewiesen wäre. Der Beweis war jedoch lückenhaft. Zusammen mit seinem ehemaligen Schüler Richard Taylor konnte Wiles im Jahr 1994 die Lücken schließen und somit auch den großen fermatschen Satz beweisen (Lit.: Wiles, 1995). Der Kern der ohne Anhang und Literaturverzeichnis 98-seitigen Arbeit besteht aus einem zweiteiligen Beweis durch Widerspruch:

Siehe auch

Literatur

Originalarbeiten

Übersichtsartikel und Historisches

Weblinks

 Commons: Fermat's last theorem – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Spektrum der Wissenschaft Dossier: „Die größten Rätsel der Mathematik“ (6/2009), ISBN 978-3-941205-34-5, Seite 8 (Interview mit Gerd Faltings).

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