Grenzschlachten

Grenzschlachten

Als Grenzschlachten bezeichnet man in der Militärgeschichtsschreibung eine Serie von größeren militärischen Kampfhandlungen, zu denen es meist in der ersten Phase eines Krieges kommt. In diesen treffen oft die zuvor aufmarschierten Hauptstreitkräfte der Kriegsparteien aufeinander. Konkret findet sich die Bezeichnung als etablierter Begriff in der Historiographie zum Deutsch-Französischen Krieg (1870/71), dem Ersten Weltkrieg (1914–1918), dem Septemberfeldzug (1939) und dem Deutsch-Sowjetischen Krieg (1941–1945).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Deutsch-Französischer Krieg

Nach der französischen Kriegserklärung vom 19. Juli 1870 sammelten beide Seiten ihre Streitkräfte an der deutsch-französischen Grenze. Die deutschen Truppen vollendeten ihren Aufmarsch schneller und ergriffen Anfang August 1870 mit der 1. und 2. Armee die Offensive in Lothringen. Hier kam es am 4. August 1870 zur Schlacht bei Weißenburg; bevor am 6. August 1870 die jeweiligen Hauptkräfte in der Schlacht bei Spichern und der Schlacht bei Wörth aufeinander trafen. Bei allen diesen Grenzschlachten erlitten die Franzosen eine Niederlage. Zwar gelang es der deutschen Heerführung nicht; ihre Pläne voll zu verwirklichen, doch sie hatte die Initiative gewonnen und drang nun in Frankreich vor.[1]

Erster Weltkrieg

Operationen in den „Grenzschlachten“

Mit der Mobilmachung vom 2. August 1914 befand sich das Deutsche Reich im Kriegszustand. Gemäß dem Grundgedanken des „Schlieffen-Plans“ wurden an der Westgrenze sieben Armeen zusammengezogen, um die Streitkräfte der Entente in einem schnellen Feldzug zu besiegen. Die Versammlung der Truppen dauerte jedoch bis Mitte August. Zwar kam es auch in dieser Zeit schon zu kleineren und größeren Kampfhandlungen - wie dem Angriff auf Lüttich (4.–16. August), der Schlacht bei Mülhausen (9. August), dem Gefecht bei Lagarde (11. August) und dem Gefecht bei Haelen (12. August) - doch werden diese Treffen allgemein nicht zu den Grenzschlachten gezählt.[2]

Diese begannen erst nach dem Anlaufen der Offensive der deutschen Armeen ab dem 18. August 1914. Die im Reichsland Elsaß-Lothringen stehende deutsche 6. und 7. Armee sollten sich zunächst defensiv verhalten. Nachdem sie den Angriff der französischen 1. und 2. Armee jedoch abgewehrt hatten, traten sie vom 20. bis zum 22. August 1914 zur Gegenoffensive (→ Schlacht in Lothringen) an. Die französischen Kräfte wichen hinter die Meurthe und Nancy aus. Weiter nördlich stießen die französische 3. und 4. Armee im Raum Charleroi auf die deutsche 4. und 5. Armee. Im Laufe der Kämpfe (→ Schlacht bei Neufchâteau und Longwy) am 22./23. August 1914 erlitten die Franzosen eine verlustreiche Niederlage und zogen sich hinter die Maas zurück. Am rechten deutschen Flügel trafen die deutsche 1., 2. und 3. Armee entlang der Sambre auf die französische 5. Armee und die British Expeditionary Force. Im Laufe des 22.–24. August 1914 wurden die britische Truppen bei Mons und die französischen südlich von Namur geschlagen. Nach diesen Niederlagen waren die Entente-Truppen auch hier gezwungen den Rückzug anzutreten.[3]

Obwohl die die deutschen Truppen in den Grenzschlachten taktische Erfolge errungen hatten, war es nicht wie beabsichtigt gelungen, größere gegnerische Truppenmassen zu umfassen und aufzureiben. Vielmehr glichen diese Kämpfe frontalen Zusammenstößen, die auf beiden Seiten hohe Verluste forderten. Die Entente-Truppen zogen sich auf die Linie ParisVerdun zurück, wobei es zu weiteren Verfolgungskämpfen (→ Schlacht von Le Cateau; Schlacht von St. Quentin) kam bevor die Briten und Franzosen an der Marne zur Gegenoffensive (→ Schlacht an der Marne) übergingen.

Septemberfeldzug

Für den Septemberfeldzug des Jahres 1939 wird der Begriff der „Grenzschlachten“ (pl. Bitwa graniczna) eher in der polnischen Historiographie verwendet.[4] Er beschreibt hier die Gesamtheit der Kämpfe gegen die Truppen der deutschen Wehrmacht seit dem 1. September 1939. Ursprünglich gehörte es zur polnischen Strategie den Deutschen schon an den Staatsgrenzen möglichst lange hinhaltenden Widerstand entgegenzusetzen und erst danach auf die Hauptverteidigungslinie auszuweichen, die entlang der Flüsse NarewWeichselSan verlaufen sollte. Den Befehl zum allgemeinen Rückzug erteilte die polnische Heerführung am 6. September 1939. Bis dahin hatten die Streitkräfte in der Schlacht in der Tucheler Heide und der Schlacht bei Mława verlustreiche Niederlagen erlitten. Im Süden waren deutsche Truppen zudem bis zur Warthe durchgebrochen und hatten Krakau eingenommen.

In der deutschen Geschichtsschreibung wurde der Begriff der Grenzschlachten eher selten auf diese Kämpfe angewandt.[5] Dazu ist jedoch zu bemerken, dass es allgemein kaum deutschsprachige Monographien zur Operationsgeschichte des Feldzuges gibt.

Deutsch-Sowjetischer Krieg

Dagegen ist in der Geschichtsschreibung zum Deutsch-Sowjetischen Krieg häufig die Rede von Grenzschlachten unter denen man die Hauptkampfhandlungen zwischen dem 22. Juni und 1. Juli 1941 versteht. In diesen traf die Masse der Verbände der Wehrmacht und der Roten Armee aufeinander.[6]

Das Frontgebiet zerfiel dabei in mehrere separate Abschnitte. Im Norden griff die deutsche Heeresgruppe Nord die sowjetische Nordwestfront an, was zur Schlacht bei Schaulen (22.–26. Juni 1941) führte. In dieser gelang es der Panzergruppe 4 mehrere sowjetische Panzerkorps aufzureiben und bis zur Düna vorzudringen, wo Brückenköpfe errichtet wurden. Im Mittelabschnitt der Front gelang der Heeresgruppe Mitte die Umfassung fast der gesamten sowjetischen Westfront in der Kesselschlacht bei Białystok und Minsk (22.–28. Juni 1941). Die „Säuberung“ der beiden Kessel dauerte allerdings noch bis zum 9. Juli 1941. Im Süden traf die Heeresgruppe Süd auf die zahlenmäßig starke und gut geführte Südwestfront. Letztere konzentrierte für einen Gegenangriff fünf Mechanisierte Korps gegen die deutsche Panzergruppe 1, was zur Panzerschlacht bei Dubno-Brody-Luzk (22. Juni – 1. Juli 1941) führte. Letztlich unterlag die Rote Armee auch hier und verlor ihre operativen Reserven. Es gelang ihr jedoch Kiew wirksam zu verteidigen.[7]

Die Erfolge der deutschen Truppen in den Grenzschlachten erwiesen sich nicht als nachhaltig. Die Masse ihrer Verbände waren Infanterie-Formationen, die nur langsam vorrücken konnten und die Panzerverbände blieben lange an den Kesselfronten gebunden. Nicht zuletzt durch den zähen Widerstand der sowjetischen Truppen gewann die sowjetische Führung Zeit, um Reserven zu formieren und mit diesen neue Verteidigungslinien an Düna und Dnepr zu beziehen.

Verweise

Literatur

Einzelnachweise

  1. Heiger Ostertag: Militärgeschichte im Zeitalter des Deutschen Bundes und der Einigungskriege 1815 bis 1871, in: Karl-Volker Neugebauer (Hrsg.): Grundzüge der deutschen Militärgeschichte, Freiburg/ Breisgau 1993, S.185
  2. Vgl. Reichsarchiv (Hrsg.): Die Grenzschlachten im Westen, Verlag E.S. Mittler & Sohn, Berlin 1925, S.XIII-XIV
  3. Markus Pohlmann: Grenzschlachten, in: Hirschfeld, Gerhard/ Krumeich, Gerd/ Renz, Irina (Hrsg.): Enzyklopädie Erster Weltkrieg, Paderborn 2003, S. 533f
  4. Marian Małecki: Bitwa graniczna pod Pszczyną - Z dziejów wojny obronnej Polski w 1939 r, Ponidzie Press, 2003.
  5. Vgl. Nikolaus von Vormann: Der Feldzug 1939 in Polen, Weissenburg 1958, S.73; Basil Spiru (Hrsg.): September 1939, Berlin 1959, S.98
  6. David M. Glantz (Hrsg.): The Initial Period of War on the Eastern Front, London 1993, S.XIII
  7. Vgl. der Überblick in: Kurt von Tippelskirch: Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bonn 1956, S.181–188

Weblinks

 Commons: Grenzschlachten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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