Graue Wölfe

Graue Wölfe
Logo der Grauen Wölfe

Graue Wölfe (türkisch Bozkurtlar, auch Bozkurtçular) ist die Bezeichnung für Mitglieder der rechtsextremen türkischen Partei der Nationalistischen Bewegung („Milliyetçi Hareket Partisi“, MHP), die 1961 von Alparslan Türkeş gegründet wurde.

Sie bezeichnen sich selbst als Ülkücüler (deutsch Idealisten). Die deutsche Organisation dieser Partei ist die so genannte "Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland" bzw. "Türk Federasyon" (Türkische Föderation) oder kurz ADÜTDF, die als Gründungsmitglied der „Türkischen Konföderation in Europa“ (Avrupa Türk Konfederasyon [!]) angehört. Auch Mitglieder des Verbandes der türkischen Kulturvereine in Europa (ATB) oder unorganisierte Nationalisten begreifen sich als „Idealisten“. Die Jugendorganisation der Grauen Wölfe ist die Ülkücü Gençlik („Idealisten-Jugend“).

Inhaltsverzeichnis

Etymologie

Der Name der Grauen Wölfe ist an einen blau-grauen Wolf (Bozkurt; alttürk. Kök Böri, „Blauer oder himmlischer Wolf“) aus der Türkischen Mythologie angelehnt, der entsprechend der Ergenekon-Legende die Göktürken aus dem sagenhaften Ergenekon-Tal herausführte. Diese hatten sich nach der Niederlage gegen die Chinesen im 8. Jahrhundert dorthin zurückgezogen. In der Geschichte der türkischen Völker spielt der Wolf eine bedeutende Rolle. So ist die Wölfin Asena Teil der historischen Abstammungslegende der Türken.

Ideologie

Ziel der Grauen Wölfe ist eine sich vom Balkan über Zentralasien bis ins chinesische Autonome Gebiet Xinjiang erstreckende Nation, die alle Turkvölker vereint, diese Ideologie wird auch als Panturkismus bezeichnet. Zentrum der von ihr beanspruchten Gemeinschaft aller Turkvölker ist eine starke, unabhängige und selbstbewusste Türkei.

Der „Wolfsgruß“ ist die Grußform der Grauen Wölfe, die einen Wolf darstellt. Necdet Sevinç, ein Vordenker der MHP, charakterisierte in Ülkücüye Notlar („Notizen an einen Idealisten“) den Ülkücü folgendermaßen:

„Ein Idealist ist in der Regel kein Mann des Denkens, sondern immer ein Mann der Tat (…) Alle Denkweisen, Handlungen und Meinungen, die von Handlungs- und Denkweise der Idealisten abweichen, sind ungültig.[1]

Als Feindbilder sehen die Grauen Wölfe die kurdische Untergrundorganisation PKK, sie werden auf einschlägigen Webseiten als „Babymörder“ bezeichnet. Als Feindbilder sind vor allem Juden, Christen, Armenier, Griechen, Kommunisten, Zionisten, Freimaurer, der Vatikan und die Vereinigten Staaten zu nennen.[2]

Aktivitäten

Politische Betätigung

Logo der MHP

In den 60er Jahren konzentrierte sich die Bewegung unter der Führung von Alparslan Türkeş darauf, die Jugend für die sogenannte „panturanistische Ideologie“ zu gewinnen. Es wurden die ersten Kommandolager gegründet, in denen Jugendliche eine militärische und politische Ausbildung erhielten. Nachdem die Kommandos aufgebaut waren, wurde im Jahre 1969 die MHP gegründet. Symbol der Partei ist eine Fahne mit drei Halbmonden, die der Fahne der Okkupationstruppen der osmanischen Besatzungsarmee entnommen sind.

In Kommandolagern bildete die Partei Schätzungen zufolge bis zu 100.000 Kommandoangehörige aus. Diese Kommandos erhielten den Namen Bozkurtçular („Graue Wölfe“). Ab 1968 begannen die „Grauen Wölfe“ mit Gewaltaktionen gegen die erstarkende türkische Linke. Die „Kommandos“ hatten Ende der 1970er Jahre die meisten politischen Morde zu verantworten.[3]

1975 wurde die MHP zum Bündnispartner der konservativen Gerechtigkeitspartei (Adalet Partisi), die bis 1960 Demokratische Partei (Demokrat Parti) hieß, unter dem damaligen Ministerpräsidenten und späteren Staatspräsidenten Süleyman Demirel und damit Regierungspartei. Alparslan Türkeş wurde stellvertretender Ministerpräsident und hatte hierdurch staatliche Rückendeckung für Aktionen der Grauen Wölfe gegen die linke Opposition.

In den 1970er und 1980er Jahren haben die Grauen Wölfe als paramilitärischer Arm der MHP die Militäroffensive der türkischen Regierung gegen die kurdische PKK unterstützt. 1980 wurde die MHP, wie alle anderen Parteien, nach dem damaligen Militärputsch verboten. Der Vorsitzende wurde mit einem später aufgehobenen Politikverbot belegt. Dennoch machten viele Anhänger der Grauen Wölfe im Laufe der 1980er Jahre Karriere beim Militär und anderen staatlichen Einrichtungen. Ende der 1980er wurde das Verbot der MHP offiziell wieder aufgehoben. Im Laufe der späten 1980er und 1990er Jahre wandelte die Partei sich. Sie ist heute überwiegend religiös orientiert und nationalistisch einzustufen.

Schwur der Idealisten

Markierung der Grauen Wölfe an einer Hauswand in Heybeliada, Istanbul. Die Abkürzung Ü.G. steht für die Ülkücü Gençlik („Idealisten-Jugend“).

In den meisten „Idealistenvereinen" (türk. Ülkü ocakları) wird ein Eid gehalten, dem „Schwur der Idealisten" (türk. Ülkücü yemini). Der Schwur weist patriotische Komponenten mit einigen religiösen Worten und ist eine Art Fahneneid oder Treuegelöbnis, bei dem die psychologische Wirkung des Textes durch die gleichzeitige Präsentation der Nationalflagge noch verstärkt wird. Der komplette Schwur lautet[4]:

„Allah'a, Kur-an'a, vatana, bayrağa yemin olsun. Şehitlerim, gazilerim emin olsun. Ülkücü Türk gençliği olarak, komunizme, kapitalizme, faşizme ve her türlü emperyalizme karşı mücadelemiz sürecektir. Mücadelemiz son nefer, son nefes, son damla kana kadardır. Mücadelemiz milliyetçi Türkiye'ye turana kadardır. Ülkücü Türk gençliği olarak, yılmayacağız, yıkılmayacağız, başaracağız, başaracağız, başaracağız. Allah Türk'ü korusun ve yüceltsin. Amin. “

„Bei Allah, dem Koran, dem Vaterland, der Fahne wird geschworen. Meine Märtyrer, meine Frontkämpfer sollen sicher sein. Wir, die idealistische türkische Jugend, werden unseren Kampf gegen Kommunismus, Kapitalismus, Faschismus und jegliche Art von Imperialismus fortführen. Unser Kampf geht bis zum letzten Mann, bis zum letzten Atemzug, bis zum letzten Tropfen Blut. Unser Kampf geht weiter, bis die nationalistische Türkei, bis Turan erreicht ist. Wir, die idealistische türkische Jugend, werden nicht zurückschrecken, nicht wanken, sondern wir werden unsere Ziele erreichen, erreichen, erreichen. Möge Allah die Türken schützen und erhöhen. Amen.“

Kritische Betrachtung in Europa

Die sich selbst als türkische Idealisten ansehende Gruppierung steht in Europa unter Beobachtung. Der Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen wirft ihr vor, „zur Entstehung einer Parallelgesellschaft in Europa“ beizutragen, und sieht in ihr „ein Hindernis für die Integration der türkischstämmigen Bevölkerung“.[2]

Mehmet Ali Ağca, der das Attentat 1981 auf Papst Johannes Paul II. beging, war Mitglied der Grauen Wölfe. Ein weiteres Mitglied soll 1984 ein Attentat auf den Frauenladen TIO in Berlin-Kreuzberg ausgeführt haben, bei dem die türkisch-kurdische Jurastudentin Seyran Ateş lebensgefährlich verletzt wurde.

Im Juni 2009 trat Ali H. Yildiz, Vorstandsmitglied des Deutsch Türkischen Forums (DTF), einer Unterorganisation der CDU, von seinem Amt zurück, weil sich das DTF nicht klar genug von den „Grauen Wölfen“ distanziere. Er erklärte: „Es kann nicht sein, dass wir uns auf der einen Seite gegen Pro Köln zusammenschließen und auf der anderen Seite die türkische NPD über die CDU Köln hofieren.“ Eine weitere Zusammenarbeit mit Sympathisanten der türkischen Rechtsextremen sei mit seinem Gewissen nicht zu vereinbaren.[5] Sein Kölner Parteifreund Kubilay Demirkaya beschreibt die „Grauen Wölfe“ als: „Antisemiten, rassistisch, rechtsradikal, nationalistisch, haben diverse Feindbilder, zu denen gehören Juden, Amerikaner, Europäer, Kurden, Israel. Also es ist schon eine gefährliche Mischung, die sich in Deutschland breitmacht.“[6]

Angehörige

Siehe auch

Literatur

  • Emre Arslan: Der Mythos der Nation im transnationalen Raum. Türkische Graue Wölfe in Deutschland. Wiesbaden 2009, ISBN 3-531168-66-5.
  • Fikret Aslan, Kemal Bozay: Graue Wölfe heulen wieder. Türkische Faschisten und ihre Vernetzung in der BRD. Münster 2000, ISBN 3-897710-04-8.
  • Barbara Hoffmann, Michael Opperskalski, Erden Solmaz: Graue Wölfe. Koranschulen. Idealistenvereine. Türkische Faschisten in der Bundesrepublik.. Köln 1981, ISBN 3-760906-48-6.
  • Jean-Christophe Grangé: Das Imperium der Wölfe. Bergisch Gladbach 2005, ISBN 3-404-15411-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Necdet Sevinç: Ülkücüye Notlar. Istanbul 1976, S. 28.
  2. a b Türkischer Nationalismus: ‘Graue Wölfe’ und ‘Ülkücü’ (Idealisten)-Bewegung. Bericht des Verfassungsschutzes des Landes Nordrhein-Westfalen, Oktober 2004 (PDF-Datei; 294 KB).
  3. Faruk Şen: Türkei. Land und Leute. München 1986, S. 110 ff.
  4. Militaristischer „Idealisten-Eid“ auf ADÜTDF-Veranstaltung im Raum Stuttgart. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg, Juli 2005 (PDF-Datei; 375 KB).
  5. Helmut Frangenberg: Türkische Rechtsextreme. „Graue Wölfe“ in Kölner CDU. In: Kölner Stadt-Anzeiger, 4. Juni 2009. Abgerufen am 27. November 2010.
  6. Spiegel TV: Die grauen Wölfe, 18. November 2007, RTL

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